Kategorie-Archiv: Der erste Fang – Wie alles anfing

Interview mit Monsters of Liedermaching

VITA:

Fred, Burger, Tottovic, Pensen, Labörnski und Rüdi – eine Band ohne Hierarchie. Damit gelten die Monsters of Liedermaching durchaus als Faszinosum der deutschsprachigen Rockwelt. Aber eigentlich ist alles ganz einfach: Die sechs Herrschaften lernten sich als Solokünstler auf zahlreichen Liedermacherfestivals kennen und gründeten eine Band. Ihre Einflüsse reichen von zotiger Stand-Up-Komik bis zur ernsten Ballade, von Punkrock bis HipHop. Das alles bei einer Instrumentierung, die nur aus den obligatorischen Wandergitarren besteht. Sie singen über moderne Kommunikation und über Themen des Alltags, ob es nun um die kleinen Dinge, wie Bienen und Zwerge geht, oder um die großen (Die Liebe, das Laster, das Leben).

Es wird darüber spekuliert, ob uns das Netz zu schlechteren Menschen macht. Aber sind nicht wir Menschen es, die das Internet benutzen? Wenn das so ist, brauchen wir vielleicht eine Kindersicherung für uns selbst?

Diese Frage eindeutig zu beantworten, hieße, im gleichen Zug auch Rousseaus Theorie zum schlechten Einfluss der Zivilisation auf den Menschen letztgültig untermauern oder widerlegen zu können. Das wäre schön, ist aber leider unmöglich. Zumindest für mich als halbgebildeten Liedermacher.

Ich denke, grundsätzlich ist eine instinktive moralische Kindersicherung im eigenen Selbst notwendig, um einen reflektierten Umgang mit der Welt zu ermöglichen. Das gilt aber genauso für den Umgang mit allem anderen auf der Welt. Damit meine ich keine Form der vorgegebenen Zensur oder Tabuisierung. Niemand hat das Recht oder die Kompetenz, einem anderen Menschen seine Vorstellungen zu oktroyieren.

Meine Vermutung ist schon, dass mediale Netzwerke nicht grundsätzlich mit bösem oder schlechtem Hintergrund geschaffen werden, sondern im Grunde dem Forschungsdrang des Menschen entsprechen, das Leben zu vereinfachen oder zu verbessern. Die „Verschlechterung des Menschen“ durch verbesserte Verbreitungsmöglichkeiten von Informationen und Gedanken war bestimmt nicht Grundlage der Erfindung des Buchdrucks. Dennoch passiert auch das, nennen wir nur mal „Mein Kampf“ als prominentes Beispiel.

Marquis de Sade hat einst  richtig – wie ich finde (aber ich kann mich natürlich irren) –  formuliert, dass der Fehler darin läge, vom „Menschen“ als einem grundguten Wesen auszugehen, welches nur durch Abnormitäten zu bösen Taten oder Gedanken fähig wäre.

Eine Möglichkeit wie das Internet kann Segen und Fluch sein, aber wer wäre ich, zu beurteilen, welche Waagschale schwerer wiegt? Die Möglichkeiten der breiten Streuung von Informationen in schlechter wie in guter Hinsicht sind sicher enorm gewachsen, die Gefahr der Verdumpfung dadurch ist für den Menschen sicher ebenfalls gewachsen. Aber im Grunde ist das nur eine Weiterentwicklung von Kommunikation grundsätzlich – seit es den Menschen gibt, gibt es Konversationsmöglichkeiten. Und die waren immer in der Lage, guten wie schlechten Einfluss auf Menschen auszuüben, denke ich.

Wenn wir es also Kindersicherung nennen wollen, nach dem kategorischen Imperativ zu leben, und zwar aus eigenem Antrieb und Willen, nicht von außen bestimmt, dann bin ich Fan davon. Aber da der Mensch ein freies Wesen sein sollte, kann ich das selbstverständlich nur selbst leben und nicht fordern. Bestenfalls anempfehlen.

Menschen haben Angst, dass man ihre Häuser fotografiert. Dabei nutzen viele Menschen, die ich kenne, leidenschaftlich gerne Google-Street-View. Bekämpfen wir am Ende etwas, das uns selbst gefällt?

Klar. Aber auch da kann ich nur für mich sprechen. Ich beispielsweise habe keine Angst davor, dass man mein Haus fotografiert. Ich bin aber auch kein Verschwörungstheoretiker. Der Kampf mit den eigenen Wertvorstellungen liegt aber in uns selbst, so pathetisch das auch klingen mag. Den Wunsch, die Welt gläsern zu haben, um sie selbst zu verstehen, habe ich zum Beispiel durchaus, möchte andererseits aber selbst nicht komplett durchschaubar sein. Und – wenn ich genauer drüber nachdenke – ich will auch nicht wirklich alles über alle wissen. Es ist gleichermaßen eine Neugierde, die zur Weiterentwicklung antreibt und ein Wunsch nach Privatsphäre, die dadurch aber auch erschwert wird.

Es ist nur natürlich, dass Verbrechen im Netz den Verbrechen in der realen Welt ähneln. Es wird jedoch so getan, als ob das Netz nur aus Cybermobbing, Kinderpornografie und Lynchjustiz bestehe. Wer profitiert von dem schlechten Ruf des Netzes?

Die Neugierde, die gestillt werden will. Auch der Wunsch nach Sensationen. In jeder Hinsicht. Warum sonst sollte beispielsweise die BILD-Zeitung sonst so mächtig sein? Der Genuss liegt ja darin, einerseits die Headlines zu verbreiten und im gleichen Atemzug über die Zeitung prinzipiell zu schimpfen. Und das wird dann auch medial genutzt, also eine profitable Symbiose, die ich absolut nicht gutheiße, die aber existiert.

Im Fall einer Datenauswertung hätte eine Regierung sämtliche Informationen über meine Person. Wie wahrscheinlich ist es, dass irgendwann ein Chip entwickelt wird, der unsere Daten (Krankheiten, Berufserfahrungen, Liebesbeziehungen, Wohnortwechsel, moralische Fehlverhalten) sammelt, speichert und ggf. offenlegt? Und selbst wenn, wäre dies schlimm?

Gibt es so was nicht schon? Jedenfalls: Natürlich finde ich das schlimm, wenn alles über jeden abrufbar ist und man vor allem leicht kategorisiert werden kann, eben weil man dann auch in Schubladen gesteckt wird. Diese Schubladen dienen ja zumeist einer leichten Auswertung, die nach Richtlinien fragwürdiger Instanzen gezimmert werden. Das entspricht natürlich nicht meiner Vorstellung von der selbstbestimmten Freiheit des Menschen, die  meiner Vorstellung nach höchstes Gut sein sollte. Aber auch hier wäre es vereinfacht, nur in eine Richtung zu denken. Vom Gefühl her sage ich: Ganz schlimm, ich will nicht offen gelegt werden können. Aber kompetent ist diese eindeutige Haltung wohl auch nicht.

Angst ist das Thema unserer Zeit. Warum sind wir Deutschen so ängstlich? Warum brauchen wir immer so lange, bis wir uns an eine mediale Veränderung gewöhnen?

Angst ist  für mich kein spezifisch deutsches Thema. Angst ist Bremse wie Antrieb des Lebewesens allgemein. Ein Tier läuft ja auch nicht in den brennenden Wald, sondern in die andere Richtung.

Aber wenn ich es richtig verstehe, geht es in dieser Frage um theoretische Ängste, die von außen geschürt und aufgebaut werden, Fakten, die dramatisiert werden, um Überzeugungen daraus erwachsen zu lassen, um Menschen quasi leichter instrumentalisieren zu können, oder?

Da gibt es ja weltweit historisch abertausende Beispiele.

Aber inwiefern der dritte Teil der Frage damit zusammen hängt, verstehe ich nicht.

Brauchen wir denn so lange, um mit medialen Veränderungen umzugehen? Ich habe ja eben den Eindruck, dass wir unglaublich schnell und euphorisch jede mediale Veränderung (bzw. Neuerung) aufgreifen, ohne uns vorher mit möglichen Vor- und Nachteilen auseinanderzusetzen. Und das erzeugt bei mir schon eine gewisse Angst. Allerdings nicht als Deutscher, sondern als Mensch, der die Fähigkeit zur Reflexion für unabdingbar hält.

Die Urheberrechtsdebatte ist nicht neu. Wie könnte das Netz von Künstlern, Musikfirmen und Endverbrauchern verbessert werden? Oder anders gefragt: Wenn wir einen Medienminister hätten, was könnte er tun?

Medienminister? Es wäre schon schön, wenn das menschliche Sozialverhalten geschult würde, auch wenn das jetzt so klingt, als widerspräche ich damit meinem Wunsch nach selbstbestimmter Freiheit. Aber ich kann ja eben auch nur meine Vorstellungen hier darlegen und zwar ohne Anspruch auf die totale Richtigkeit jener. Ich denke, der Respekt vor anderen Menschen beinhaltet auch den Respekt vor dem Gut anderer Menschen, auch (oder gerade) wenn es sich um geistiges Gut handelt.   Eine extrem utopische Vorstellung.

Welche Auswirkung hat die Kultur im Internet für junge Bands? Oder anders gefragt: Was haltet Ihr davon, wenn man sich Eure Songs kostenfrei im Netz anhören kann?

Zum einen die Möglichkeit der schnellen Verbreitung. Die Vereinfachung der Umsetzung von künstlerischen Vorstellungen. Zum anderen wird das aber im gleichen Augenblick belangloser, denn das Zeitfenster für die künstlerische Entwicklung wird immer enger. Wahrscheinlich schadet das auch der kreativen freien Entfaltung, denn man wird ja förmlich mit Vorstellungen anderer bombardiert. Man kann sich rasch bemerkbar machen, verschwindet aber genauso rasant wieder in der Flut der Neuigkeiten. Die Aufmerksamkeitsspanne wird immer geringer. Natürlich leidet die Originalität darunter. In der Musik beispielsweise  ein ganzes Album mit einem strukturierten Konzept zu produzieren, wird unglaublich schwer, weil kaum jemand ein Album ganz durch hört, sondern nur schnell in allem rum pickt und dann weitersurft.

Auch weiß man nicht mehr ansatzweise, ob viele Klicks wirklich einer Verbreitung der Kunst nahekommt: Ich hab doch keine Ahnung, ob die Personen das Lied jetzt gehört oder nur mal kurz angeklickt und sich derweil mit was ganz anderem beschäftigt haben? Bei Menschen, die sich einen physischen Tonträger gekauft haben, ist die Wahrscheinlichkeit ungleich höher, dass die sich das Ding dann auch angehört haben.

Aber was wir davon halten, ist  (ich sag mal polemisch: leider) nicht von Belang, denn diese Möglichkeit ist ein Fakt und wohl kaum zurückentwickelbar.

Was haltet ihr von einer „Kulturflatrate“ im Netz?

Was ist eine Kulturflatrate? Auf jeden Fall ein hässliches Wort. Aber was bedeutet das? All you can hear? XXL-Menüs bei geringem Aufpreis?

Welche Rolle spielen die Netzmedien bei der „Bekanntmachung“ Eurer Band?

Wie gesagt, es gibt uns die Möglichkeit der breiten Streuung von Informationen unserer Band. Auch eine Vervielfältigung der Möglichkeiten, denn wir können sehr einfach alle Bereiche (außer olfaktorischen), also lesbare, visuelle und hörbare, nutzen. Wir können auch durch Newsverbreitung sehr aktuell agieren. Aber eben nur theoretisch, da ich nicht weiß, ob besagte Informationen (Portraits, Lieder, Konzerttermine, Interviews, Podcasts etc.) überhaupt aufgenommen werden oder nur  ungenutzt auf Bildschirmen flackern.

Nichtsdestotrotz bedienen wir uns durch aus äußerst intensiv mit den Netzmedien, denn  – ob wir das jetzt gut finden oder nicht – sie lösen andere Verbreitungsmöglichkeiten ab und so ist eine Abhängigkeit entstanden.

Wie weit würdet ihr im Online-Bereich (YouTube) gehen, um als Band aufzufallen?

Das liegt schon lange nicht mehr in unserer Hand. Jeder kann ja über uns posten. Wir selbst gehen von unserer Seite genau so weit, dass wir unser Bild in Sachen Außenwirkung komplett mit gutem Gewissen vertreten können.

Interview mit Lisa Loch

VITA:

Lisa Loch (*1985) ist in Essen aufgewachsen. Sie studierte Betriebswirtschaftslehre an der Uni Essen und schloss ihr Studium im vergangenen Jahr mit dem Diplom ab. Sie arbeitet als Model und Moderatorin und lebt in Köln.

Es wird darüber spekuliert, ob uns das Netz zu schlechteren Menschen macht. Aber sind nicht wir Menschen es, die das Internet benutzen? Wenn das so ist, brauchen wir vielleicht eine Kindersicherung für uns selbst?

Das Netz macht uns keineswegs zu schlechteren Menschen. Erst wenn Menschen das Internet für fragwürdige Zwecke missbrauchen, kann es gefährlich werden. Dafür ist aber nicht das Netz an sich verantwortlich, sondern die Personen, die dort agieren. Das macht übrigens keinen Unterschied von online zu offline, außer dass die Verfolgung online leider wesentlich komplexer und diffiziler ausfällt. Entscheidend ist ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Internet, insbesondere mit den Daten und Informationen, die man von sich selbst im Web kundtut.

Menschen haben Angst, dass man ihre Häuser fotografiert. Dabei nutzen viele Menschen, die ich kenne, leidenschaftlich gerne Google-Street-View. Bekämpfen wir am Ende etwas, das uns selbst gefällt?

Das ist manchmal wirklich ein bisschen paradox. Durchblättert man die Zeitungen und Magazine, werden immer wieder Fotos beispielsweise von Prominenten in Situationen gezeigt, in denen man selber niemals fotografiert werden möchte und man schaut trotzdem hin.

Es ist nur natürlich, dass Verbrechen im Netz den Verbrechen in der realen Welt ähneln. Es wird jedoch so getan, als ob das Netz nur aus Cybermobbing, Kinderpornografie und Lynchjustiz bestehe. Wer profitiert von dem schlechten Ruf des Netzes?

Meiner Meinung nach genießt das Netz an sich keinen schlechten Ruf. Autos sind zum Beispiel an sich auch nicht gefährlich. Es sind doch erst die Personen, die fahrlässig mit dem Auto bzw. dem Internet umgehen oder gar vorsätzlich handeln, und somit ein Risiko für sich und andere darstellen. Wer von diesen Gefahren profitiert? Da fallen mir als Erstes Rechtsanwälte ein.

Im Fall einer Datenauswertung hätte eine Regierung sämtliche Informationen über meine Person. Wie wahrscheinlich ist es, dass irgendwann ein Chip entwickelt wird, der unsere Daten (Krankheiten, Berufserfahrungen, Liebesbeziehungen, Wohnortwechsel, moralische Fehlverhalten) sammelt, speichert und ggf. offenlegt? Und selbst wenn, wäre dies schlimm?

Auf Anhieb kann ich mir nicht vorstellen, wozu dieser zentrale Datenchip gut sein sollte. Wenn jemand an diese Informationen kommen will, soll er sich schon die Mühe machen müssen, um die Daten separat zusammen zu tragen. Krankheiten werden bei den Krankenkassen gespeichert, Wohnortwechsel beim Einwohnermeldeamt, strafrechtlich relevantes Fehlverhalten bei der Polizei, Berufserfahrungen in Businessportalen und der private Rest vielleicht in sozialen Netzwerken.

 Angst ist das Thema unserer Zeit. Warum sind wir Deutschen so ängstlich/ warum brauchen wir immer so lange, bis wir uns an eine mediale Veränderung gewöhnen?

Veränderungen bergen immer erst mal Gefahren. Vielleicht ist es evolutionsbedingt so, dass man Unbekanntem im Allgemeinen zunächst skeptisch gegenübersteht. Viele denken: „Was immer gut war, kann ja nicht auf einmal schlecht sein.“ Dann dauert es eine gewisse Zeit bis Neuerungen akzeptiert werden, überzeugen können und schließlich aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind.

Die Urheberrechtsdebatte ist nicht neu. Wie könnte das Netz von Künstlern, Musikfirmen und Endverbrauchern verbessert werden? Oder anders gefragt: Wenn wir einen Medienminister hätten, was könnte er tun?

Es sollte eine Instanz geben, die schweren Vergehen im Netz nachgeht und unter bestimmten Voraussetzungen Bußgelder verhängt oder sogar strafrechtliche Schritte einleitet. Sicherlich hätte diese Stelle viel zu tun. Jedoch würde sie auch das Bewusstsein der User schärfen, das Internet nicht länger als rechtefreien Raum wahrzunehmen. Dementsprechend würde sich nach und nach auch das Userverhalten verbessern. Die Verfolgung von illegalen Musikdownloads hat schließlich auch seine Wirkung gezeigt.

Darüber hinaus sollte jede de-Homepage ein deutsches Impressum angeben müssen, um die Haftbarkeit und Verfolgung besser gewährleisten zu können. Insbesondere prominente soziale Netzwerke geben auf ihren deutschen Seiten ein Impressum im Ausland an. Das finde ich nicht richtig.

Stefan Raab hatte Ihren Namen in seiner Sendung für anzügliche Wortspiele missbraucht, daraufhin musste er eine größere Summe Schmerzensgelt zahlen. Gab es in Ihrem Fall auch Anfeindungen im Netz?

Die fraglichen Sendungen standen damals online abrufbereit zur Verfügung. Hätte es damals schon soziale Netzwerke gegeben, wäre das sicher ein weiterer Kanal des Mobbings gewesen. Allerdings hat man im Internet immer noch die Möglichkeit einfach offline zu gehen und nicht selber aktiv auf Onlineplattformen stattzufinden. So könnte man sich diesem Mobbingkanal wenigstens entziehen. Bei mir hat Mobbing hauptsächlich in der Schule stattgefunden. Davon hätte ich mich schlecht fernhalten können.

Sie machen einen sehr überlegten und vorsichtigen Eindruck. Wird man nach so einer Erfahrung vorsichtiger, was man im Netz von sich veröffentlicht? Sie haben ja trotzdem an ihrem Berufswunsch festgehalten.

Natürlich wird man vorsichtiger. Wobei ich mich in meinem Fall nicht hätte schützen können. Schließlich habe ich nichts getan, außer meinen Namen zu sagen.

Wie viel würden Sie im Netz für Ihre Karriere von sich preisgeben?

Ich würde nur Dinge preisgeben, die ich auch offline verraten würde.

Was raten sie jungen Frauen, die im Netz auf die große Karriere hoffen? Mit 16 ist man ja noch blauäugig.

Durch eine Präsentation im Netz auf die große Karriere zu hoffen, halte ich für sehr bedenklich. Jungen Frauen in dem Alter rate ich, sich in erster Linie auf die Schule zu konzentrieren und eine solide Ausbildung oder ein Studium zu absolvieren. Wenn dann nebenbei noch Zeit bleibt, kann man versuchen, seine Leidenschaft zum Beruf zu machen. Dabei würde ich empfehlen, immer eine Vertrauensperson zu Rate zu ziehen. In meinem Fall waren es meine Eltern, die mich unterstützt und beraten haben und mich auch ab und an wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt haben. Es können aber auch ältere Geschwister, Freunde oder Lehrer sein. Wichtig ist, dass man nicht immer nur auf sein Bauchgefühl hört, sondern hin und wieder überlegt vorgeht.

Interview mit Markus Beckedahl

VITA:

Markus Beckedahl ist Mitgründer der newthinkingGmbH. Er bloggt seit 2002 auf netzpolitik.org über Politik in der digitalen Gesellschaft. Das Blog zählt zu den reichweitenstärksten Blogs im deutschsprachigen Raum und wurde mehrfach ausgezeichnet. Er sitzt als Sachverständiger in der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zu “Internet und digitale Gesellschaft” und ist Mitglied des Medienrates der Medienanstalt Berlin-Brandenburg sowie persönliches Mitglied der deutschen UNESCO-Kommission. Als Public-Project-Lead von Creative Commons Deutschland kümmert er sich um die Öffentlichkeitsarbeit der offenen Lizenzen, dazu setzt er sich als Vorsitzender des Digitale Gesellschaft e.V. für Informationsfreiheiten ein.

Es wird darüber spekuliert, ob uns das Netz zu schlechteren Menschen macht. Aber sind nicht wir Menschen es, die das Internet benutzen? Wenn das so ist, brauchen wir vielleicht eine Kindersicherung für uns selbst?

Bei jeder Einführung eines neuen Mediums, wobei man darüber diskutieren könnte, ob das Internet ein Medium oder nur eine Infrastruktur darstellt, galt das Neue als schlecht oder als gefährlich. Wenn man sich ältere Texte und Argumentationen durchliest, dann stellt man fest, dass beispielsweise bei der Verbreitung von Büchern genau dasselbe gesagt wurde wie heute bei den Computerspielen. Als Kinder anfingen regelmäßig Bücher zu lesen, gab es genau dieselben Ängste und Vorhersagen.

Menschen haben Angst, dass man ihre Häuser fotografiert. Dabei nutzen viele Menschen, die ich kenne, leidenschaftlich gerne Google-Street-View. Bekämpfen wir am Ende etwas, das uns selbst gefällt?

Das würde ich jetzt nicht so unbedingt sagen. Bei Google-Street-View haben wir in Deutschland eine gespaltene Gesellschaft. Während die einen glücklich waren einen Service zu haben, der einen Mehrwert für das eigene Leben bringt, kamen bei den anderen eher diffuse Ängste auf. Das war die Angst vor dem Neuen. Schon früher gab es eine Angst vor Daten, die man nicht durchschauen konnte. Und bei dem eigenen Haus wird es auf einmal plastisch. Die Gewerkschaft der Polizei wollte bei Google-Street-View Streife fahren, andere hatten Angst, dass ihr Leben 24 Stunden überwacht wird. Ich persönlich wurde in meinem Verwandtenkreis eher mit der Angst konfrontiert, dass über Google-Street-View Verbrecher angezogen werden. Diese Ängste konnte ich größtenteils abbauen. Ich war aber irritiert, wer sich auf einmal als Datenschützer gerierte und zum Thema Google-Street-View auf die Barrikaden ging. Also lauter Politiker, von denen ich noch nie etwas gehört hatte in dieser Richtung, wie Seehofer und Co., um sich besser darstellen zu können.

Es ist nur natürlich, dass Verbrechen im Netz den Verbrechen in der realen Welt ähneln. Es wird jedoch so getan, als ob das Netz nur aus Cybermobbing, Kinderpornografie und Lynchjustiz bestehe. Wer profitiert von dem schlechten Ruf des Netzes?

Beispielsweise Sicherheitsbehörden, die mit dem schlechten Ruf des Netzes mehr Personalstellen und mehr Finanzmittel  beantragen können. Auch Kinder- und Jugendschützer haben ein Interesse daran, dass ihre Etats aufgestockt werden. Eigentlich profitieren alle davon, die mit Prävention zu tun haben. Und dazu kommen natürlich auch Boulevardmedien, die immer etwas Neues berichten wollen. Schließlich profitieren davon auch Politiker, die sich als Hardliner profilieren können, indem sie mehr Haushaltsmittel zur Bekämpfung der Cyberkriminalität fordern.

Im Fall einer Datenauswertung hätte eine Regierung sämtliche Informationen über meine Person. Wie wahrscheinlich ist es, dass irgendwann ein Chip entwickelt wird, der unsere Daten (Krankheiten, Berufserfahrungen, Liebesbeziehungen, Wohnortwechsel, moralische Fehlverhalten) sammelt, speichert und ggf. offenlegt? Und selbst wenn, wäre dies schlimm?

Alles eine Frage der Zeit. Wobei es mir jetzt schwer fällt zu sagen was in zwanzig oder vierzig Jahren kommen könnte, aber das Szenario ist durchaus realistisch. Über der Frage, ob dies schlimm sein werde, scheiden sich die Geister. Da gibt es einmal die große Fraktion der Datenschützer und eine kleine Minderheit der Post-Privacy-Anhänger. Die Post-Privacy-Anhänger sagen: Wenn die ganze Gesellschaft von allen verfügbar ist, dann wird es für alle gut sein. Ich selbst bin da eher ein bisschen kritischer und glaube nicht so wirklich daran. Aber ausschließen kann man eine derartige Entwicklung natürlich nicht. Wirklich wissen wir nicht, wie sich die Gesellschaft in vierzig Jahren verändert haben wird. Ich persönlich bin eher der Meinung, dass ein derartiger Chip verheerende Folgen haben könnte. Alleine dadurch, dass unser freier Wille darunter leiden wird, wenn wir komplett manipulierbar sind. Und wenn offengelegt ist, wie wir funktionieren.

Angst ist das Thema unserer Zeit. Warum sind wir Deutschen so ängstlich? Warum brauchen wir immer so lange, bis wir uns an eine mediale Veränderung gewöhnen?

Das ist die Klassiker-Frage. Keine Ahnung. Kann ich jetzt auch nicht so einfach beantworten, wobei ich manchmal das Gefühl habe, dass es ja gar nicht so schlecht ist, dass wir Deutschen etwas kritischer sind. Nehmen wir die Datenschutzdebatte: Auch wenn sie – wie bei Google-Street-View- manchmal irrationale Züge annimmt, so kommt, wenn man sich mit Menschen aus dem Ausland unterhält, auch immer positiv an, dass wir uns so viele Gedanken zum Problem der Überwachung machen,. In anderen Ländern verzweifeln Menschen manchmal eher an ihren eigenen Gesellschaft: Also in den USA spielt es keine Rolle, wer jetzt wen überwacht, und ob Privatpersonen oder staatliche Institutionen überwacht werden. Warum wir ängstlich sind…, da müsste man einen Sozialpsychologen fragen.

Die Urheberrechtsdebatte ist nicht neu. Wie könnte das Netz von Künstlern, Musikfirmen und Endverbrauchern verbessert werden? Oder anders gefragt: Wenn wir einen Medienminister hätten, was könnte er tun?

Die Idee eines Medienministers halte ich für gut, um parallel zu unserem Kulturstaatsminister die Gegenposition zu vertreten: Unser Kulturstaatsminister Neumann hat leider erzkonservative, veraltete Positionen, die nur eine Seite der Debatte abbilden.

Ich glaube, das beste Mittel gegen sogenannte Onlinepiraterie ist ein neues Geschäftsmodell: Es ist ja nicht so, dass alle Konsumenten nur dastehen und schreien: „Ich möchte kostenlos runterladen!“, sondern sie wollen einfach etwas Bestimmtes herunterladen und sie wären auch bereit, dafür einen fairen Preis zu zahlen, wenn man ihnen die Möglichkeit dazu gäbe. Die Musikindustrie hat jahrelang großen Mist mit Kopierschutzmaßnahmen gebaut. Das haben sie dann geändert und das macht sich nun in den Downloadzahlen bemerkbar, die steil nach oben gehen. Und hätte man nicht ein paar Jahre lang massiv eine Politik betrieben, die den Interessen der eigenen Kundschaft zuwider gelaufen sind, wäre es vielleicht anders gekommen und wir würden nicht so über sogenannte Online-Piraterie diskutieren. Jetzt geht es für die Musikbranche ja eher darum Vertrauen zurückzugewinnen. Währenddessen haben wir die Film- und Literaturbranche, die genau dieselben Fehler machen wie die Musikindustrie vor sechs bis sieben Jahren: Kopierschutz und Abmahnungen, ohne adäquate Angebote im niedrigstelligen Bereich bereitzustellen.

Versuchen Sie mal im Internet Filme zu kaufen oder zu mieten. Wenn es überhaupt möglich ist, dann ist es kompliziert und restriktiv, dazu kostet es noch Dreifache dessen, was Sie bezahlen müssten, wenn Sie in die Videothek um die Ecke gehen. Es gibt Filme für vier, fünf Euro. Meiner Meinung nach wären ein oder zwei Euro genau der richtige Preis, wo man massiv mehr verleihen könnte. Warum sollen Konsumenten ein E-Book zu fast dem gleichen Preis wie ein gedrucktes Buch kaufen, obwohl sie an dem keine Rechte haben? Sie dürfen es nicht weiter verkaufen, nicht verleihen, nicht verschenken. Was soll eine Lizenz, die ihnen sofort wieder entzogen werden kann. Das sind einfach inakzeptable Vertragszustände.

Glauben Sie eigentlich, dass Gegner und Befürworter in dieser Sache noch zusammenkommen? Waffenstillstand bis zum nächsten Medien-Hype?

Also ich bekomme nicht mit, dass wir Waffenstillstand haben. Wir haben ja eine total emotional angeheizte Debatte, die völlig irrational geworden ist und ich frage mich auch manchmal, ob es noch eine Chance gibt, irgendeinen Kompromiss zu finden. Keine Ahnung. Aber  ich würde mir wünschen, dass diese Debatte informierter geführt wird. Das ist teilweise extrem absurd, was nach Acta alles hochkippte: gestandene Regisseure und andere, die allen Medien und ACTA-Gegnern Unkenntnis über das Urheberrecht vorwarfen, aber die eigenen Meinungsbeiträge mit Halbwissen vollpackten. Künstler, die lautstark Petitionen pro Urheberrecht und eine stärkere Durchsetzung dessen unterzeichneten und dann später bei Urheberrechtsverletzungen erwischt wurden. Das macht so keinen Spaß mehr. Die ganze Debatte ist doch immer noch am Kochen. Das Problem ist: Es hat uns ja nichts weitergebracht! Also eigentlich gab es im letzten Jahr diese Acta-Proteste. Zehn Jahre hat man nicht über eine Reform des Urheberrechtes geredet, weitere Baustellen draufgesetzt und dann gab es Diskussionen, dass das Urheberrecht reformiert und an den Lebensalltag der Menschen angepasst werden sollte. Was folgte, war ziemlich schnell eine Art mediale Konterrevolution. D.h. es gab einen Urheberrechtsfrühling, der ein, zwei Wochen in den Medien anhielt, wo alle staunten, warum plötzlich 100.000 Menschen bei  minus zehn Grad auf die Straße gingen. Dann kamen sofort irgendwelche Konterrevolutionen mit offener Brief hier, Sven Regener da, wo sämtliche Kritik medial zusammengestaucht und so getan wurde: „Die wollen uns ja alle nur entmachten“! Die spannenden Fragen werden gar nicht mehr diskutiert! Wieso haben sich die vielen Urheber vor die Interessen der Verleger, von „Verwertern“ gestellt? Müssen die nicht auch mal selbst auf ihre benachteiligte Situation hinweisen? Die anderen Frage ist: Was machen wir mit einer Gesellschaft, in der auf einmal jeder selbst Urheber geworden ist und jeder mit dem Urheberrecht in Berührung kommt? Früher waren es nur die Juristen, die mit dem Urheberrecht in Berührung gekommen sind dadurch, dass sie für die Urheber die Lizenzen ausgehandelt und die Verträge gemacht haben. Aber das Recht ist immer noch das gleiche. Und hier haben wir ein riesiges Problem.

Sie sind Mitgründer der re:publica, die Blogs und die digitale Gesellschaft zusammenbringt. Das ursprünglich kleine Treffen hat sich zu einer  Massenveranstaltung entwickelt. Ist dieser Medienhype hilfreich, um die wesentlichen Themen der digitalen Welt voranzutreiben?

Die re:publica ist und war vor allen Dingen ein Ort, wo sehr viele Menschen, die sich den ganzen Tag digital begegnen, einmal im Jahr für drei Tage „analog“ zusammenkommen, um gemeinsam zu diskutieren, sich auszutauschen, sich einfach nur zu treffen oder abends gemeinsam ein Bier zu trinken. Insofern ist dieses analoge Netzwerken, das Freundschaften schließen und verfestigen wahrscheinlich der wichtigste Faktor, warum die Menschen dorthin kommen und warum die re:publica so gewachsen ist. Und natürlich haben wir auch ein riesiges Programm mit verschiedenen Bühnen an drei Tagen, wo wir bemüht sind, möglichst viele Facetten der digitalen Gesellschaft abzubilden. Da gelingen uns natürlich auch nur Nuancen bei der Vielzahl der Themen. Natürlich versuchen wir da auch immer die an einem Thema interessierten Menschen zusammenzubringen. Wir versuchen auch eine Reflektion dieser Themen, bevor sie in den gesellschaftlichen Mainstream kommen. Das ist eine der Stärken der re:publica. Dass bei uns die Themen diskutiert werden, die morgen relevant werden.

Durch das Internet entstehen neue Öffentlichkeiten, und es scheint so, als ob Politiker, die gelernt haben sich am geschicktesten zu inszenieren, aktuell am meisten Aufmerksamkeit oder Macht bekommen.  Brauchen wir jemanden, der uns für die digitale Welt fit macht?

Ich meine, es ist generell eine Frage, ob man Coachs gut findet oder nicht. Ich würde sagen, jemandem, der das Netz nur als Zaungast betrachtet, bringt auch ein Coach nichts. Ich denke eher, dass diejenigen, die früh mit dem Netz Erfahrungen sammeln und diejenigen, die auch den Mut zum Fehler Machen haben, um aus Fehlern zu lernen, dass die sich auch ohne Coach souverän im Netz installieren oder inszenieren können. Ich vermute eher, dass da draußen mehr schlechte als gute Coachs herumlaufen. In den vergangenen Jahren habe ich auch einige Politiker in dieser Sache beraten und irgendwann wurde es mir zu langweilig. Am Ende konnte ich auch nur noch sagen: Einfach machen und ausprobieren. Ich bin ja auch spielerisch herangegangen und habe mir gedacht: Naja, da sind ja ganz viele Knöpfe, die man drücken kann. Und dann: Einfach mit kindlicher Begeisterung rangehen und schwimmen lernen.

Welche Errungenschaft des Internets ist für Sie die wichtigste?

Die Möglichkeit selbst publizieren zu können. Das ist doch die große Revolution des Internets. Konsumieren ging auch vorher.

Interview mit Anno Saul

VITA:

Anno Saul (*1963) ist ein deutscher Filmregisseur. Studium in der Abteilung „Spielfilmregie“ an der Hochschule für Film und Fernsehen in München. 1991 erhielt er für seinen Kurzfilm „Unter Freunden“ den Max Ophüls-Preis. Nach mehreren Fernsehproduktionen folgte im Jahr 1999 der Film „Grüne Wüste“. Nach den Kinokomödien „Kebab Connection“ und „Wo ist Fred“ entstand der Kinofilm „Die Tür“, der dreimal für den deutschen Fernsehpreis nominiert war. Anno Saul ist Mitglied des Vorstandes der Deutschen Filmakademie.

Es wird darüber spekuliert, ob uns das Netz zu schlechteren Menschen macht. Aber sind nicht wir Menschen es, die das Internet benutzen? Wenn das so ist, brauchen wir vielleicht eine Kindersicherung für uns selbst?

Das Netz bietet viel mehr positive Möglichkeiten als Gefahren. Meiner Meinung nach überwiegen die positiven Dinge bei weitem: Wissen und Informationen werden im Netz weltweit zur Verfügung gestellt. Wissen wird demokratisiert; der Dialog mit Menschen, von denen man früher stärker abhängig war, findet mehr auf Augenhöhe statt.

Menschen haben Angst, dass man ihre Häuser fotografiert. Dabei nutzen viele Menschen, die ich kenne, leidenschaftlich gerne Google-Street-View. Bekämpfen wir am Ende etwas, das uns selbst gefällt?

Ich benutze auch Google-Street-View. Trotzdem habe ich mein Haus bewusst  unkenntlich machen lassen. Das hat den Grund, dass ich einfach Respekt davor habe, dass es Leute gibt, die im Netz Häuser ausspähen, weil sie Wertgegenstände darin vermuten. Meiner Meinung  nach ist der Schutz der Privatsphäre ein sehr hoher Wert, deshalb achte ich  persönlich auch darauf, dass ich mein Privatleben schütze. Facebook finde ich, ehrlich gesagt, auch eher einen hysterischen Hühnerhaufen als eine besonders begnadete Erfindung. Es gibt aber genügend Leute, die wahnsinnig viel Geld damit machen.

Es ist nur natürlich, dass Verbrechen im Netz den Verbrechen in der realen Welt ähneln. Es wird jedoch so getan, als ob das Netz nur aus Cybermobbing, Kinderpornografie und Lynchjustiz bestehe. Wer profitiert von dem schlechten Ruf des Netzes?
Niemand. All die angesprochenen Probleme sind nicht im Netz erfunden worden, sondern bilden nur die Wirklichkeit ab. Mobbing ist immer schlimm, egal ob im Netz oder nicht. Es geht doch darum, dass das Internet 1:1 die Wirklichkeit abbildet. Was aber manchmal noch nicht ganz angekommen zu sein scheint, ist, dass die Regeln des Rechtsstaates im Netz genauso gelten, wie in der haptischen Welt. Das tun sie, weil sie die Grundlage unseres Zusammenlebens sind. Das, was Dinge im Netz manchmal negativ verstärkt ist die Möglichkeit, anonym zu bleiben. Das zieht leider gerne kommunikationsgestörte, hassgetränkte Feiglinge an.

Im Fall einer Datenauswertung hätte eine Regierung sämtliche Informationen über meine Person. Wie wahrscheinlich ist es, dass irgendwann ein Chip entwickelt wird, der unsere Daten (Krankheiten, Berufserfahrungen, Liebesbeziehungen, Wohnortwechsel, moralische Fehlverhalten) sammelt, speichert und ggf. offenlegt? Und selbst wenn, wäre dies schlimm?

Das wäre eine Katastrophe. Unser Leben ist voller Widersprüche und das ist auch gut so. Unsere Rechtsordnung muss natürlich die Basis unseres gesellschaftlichen Lebens sein, aber die Gesetze der Menschlichkeit verlaufen eben nicht immer in denselben Bahnen, wie die der Rechtsordnung. Das heißt, selbst in einer Demokratie wäre der gläserne Mensch ständig angreifbar. In Ländern, in denen größere Willkür herrscht, potenziert sich das Problem noch. Transparenz ist für den Machtmissbrauch genauso anfällig wie Kungelei.

Angst ist das Thema unserer Zeit. Warum sind wir Deutschen so ängstlich? Warum brauchen wir immer so lange, bis wir uns an eine mediale Veränderung gewöhnen?

Es stimmt schon, dass es einen kulturellen Unterschied gibt. Ob der aber zu Ungunsten der Deutschen ausfällt? Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Es gibt in der Filmbranche zwei Arten von Kameras, die heute im digitalen Zeitalter eine große Relevanz für Fernsehen und Kinoproduktion haben. Das eine stellt die Firma Red her, das andere die Firma Arri. Sobald die Firma Red eine neue Idee hat, kommt eine neue Kamera auf den Markt, die Dinge kann, die andere Kameras nicht können. Sie haben auf der einen Seite dann eine tolle, technische Entwicklung, aber es ist und bleibt ein völlig unfertiges Gerät. Ganz anders bei der Kamera von Arri: das Ding ist so ausgereift und so genial, dass man einfach richtig gut damit arbeiten kann. Wenn ich jetzt auf einer Insel drehe, was ich öfter mal mache, brauche ich ein Gerät, das ein bisschen Luftfeuchtigkeit aushält und mit dem ich schnell und zuverlässig arbeiten kann. Also die Zuverlässigkeit ist einfach wichtig. D.h. alles hat seine Vor- und Nachteile und je nach Gegebenheit ist es einmal besser sich vorsichtig zu verhalten und auf ausgereifte Produkte zu setzen und  ein andermal ist es besser schnell und innovativ zu sein. Und da liegen wir bei 50:50.

Die Urheberrechtsdebatte ist nicht neu. Wie könnte das Netz von Künstlern, Musikfirmen und Endverbrauchern verbessert werden? Oder anders gefragt: Wenn wir einen Medienminister hätten, was könnte er tun?

Also das finde ich eine schwierige Frage, weil die Sachlage einfach wirklich schwierig ist. Ich versuche erst einmal die Sachlage zu beschreiben: Das Problem besteht darin, dass es nicht mehr nur noch den statischen Urheber und den Konsumenten gibt. Was das angeht, ist meine Ansicht relativ klar: es gibt keinen Grund, warum jemand nicht für seine Arbeit bezahlt werden soll und es gibt auch keinen Grund dafür, dass jemand ein Produkt (egal ob ein Buch oder einen Film) nicht bezahlt. Es geht ja nicht um große Summen: Ein Film herunterzuladen kostet ein paar Euro, das sind ja keine Summern, über die man streiten müsste. Und wenn ich ein Glas Gurken im Supermarkt kaufe, muss ich das ja auch bezahlen.

Auf der anderen Seite gibt es Mischbereiche, die die Diskussion schwieriger machen. Wenn man die DJ-Diskussion nimmt, die wir im Moment haben: Da ist es so, dass die Musik in den Clubs gespielt wird und diese Musik ist ja meistens (jedenfalls in den Clubs, in die ich gehe,) nicht mehr Musik, die man einfach auf den Plattenteller legt, und da wird ein Lied von Abba gespielt, sondern das sind Sachen, die aus Samples, also Teilen von Musikstücken zusammengesetzt worden sind. In dem Moment wird natürlich die Urheberrechtsfrage komplizierter. Das heißt nicht, dass man sie grundsätzlich nicht beantworten könnte. Es ist am Ende wichtig, dass man eine Lösung findet, wo dieses Zusammenbauen aus Einzelstücken auch möglich sein muss, ohne dass man dauernd mit Urheberrechtsfragen (darf ich jetzt dieses Stückchen Trompete aus diesem Song benutzen?) belästigt wird. Ich finde, dass Kreativität auch darin besteht etwas aus dem zusammen zu setzen, was es an kreativer Masse bereits in der Welt gibt. Da sollte man eine Regelung finden, dass man diese Freiheit, die durch neue Kombinationen entsteht, auch nutzen darf. Außerdem bin ich der Ansicht, dass man in den Vertriebskanälen heute auf die Bedürfnisse der Nutzer oder User, wie sie genannt werden, stärker eingehen soll. Ich bin der Meinung, dass man Filme, die neu auf den Markt kommen, auch schon sehr viel früher im Netz herunterladen kann. Und zwar legal. Ich wäre dafür, dass man an dem Tag, an dem man ins Kino gehen kann, auch den Film streamen darf. Und: Es müsste auch eine Möglichkeit geben, dass man eine private Kopie machen und diese an Freunde weiter geben darf, aber haptisch, als DVD, nicht digital.

Was allerdings gar nicht geht, ist, dass Menschen Sachen, die sie offiziell erworben haben „sollten“, einfach ins Netz stellen und jedem die Möglichkeit geben, das herunterzuladen. Die digitale Qualität ist so wahnsinnig gut, dass die Kette zwischen demjenigen, der etwas konsumiert und demjenigen, der etwas hergestellt hat, dabei zerbricht. Dabei finde ich das Argument auch wenig hilfreich, dass es Leute sind, die ja sonst nicht ins Kino gehen, weil sie das Geld nicht dafür ausgeben würden. Entweder sie konsumieren es, dann können sie auch dafür bezahlen, oder sie konsumieren es nicht, dann müssen sie nicht dafür bezahlen. So einfach ist es. Und man muss auch da die Kirche im Dorf lassen: Es handelt sich wirklich um kleine Summen: Wir reden hier vom Preis einer Tüte Popcorn im Kino! – Die kostet mehr als ein legaler Download eines Filmes. Und dann so zu tun auf Serverseite, als könnten sie ja gar nicht in die „Post“ ihrer User schauen, als wüssten sie gar nicht, was da passiert. Also wenn ich als User da hineinschauen kann, kann natürlich auch jeder andere hineinschauen. Und wenn Inhalte, bei denen Urheberrechte verletzt werden, auf einen Server gestellt werden, bin ich der Ansicht, dass der Betreiber des Servers die Pflicht hat, die Inhalte wieder herunter zu nehmen. Darüber scheint es Diskussionsbedarf zu geben.

Aber: Vielleicht kann man so etwas über die Verwertungsrechte lösen. Aber das Grundprinzip, das man auch im Netz für Inhalte bezahlen muss, kann nicht aufgelöst werden.

Sie haben vor einiger Zeit die Piratenpartei kritisiert. Wo liegt genau ihre Kritik an der Partei?

Ich glaube die Piratenpartei macht es sich ein Stück zu einfach. Bevor ich jetzt aber auf die Piratenpartei eingehe, muss ich sagen: ich sehe keine Partei, die in so kurzer Zeit so viel lernt, wie die Piratenpartei. Deshalb habe ich durchaus auch Hoffnung.

Ich glaube, dass die Piratenpartei ihre Position zum Urheberrecht in den nächsten Jahren kassieren wird. Denn die Leute, die heute, weil sie ein bisschen knapp bei Kasse sind, meinen, sich alles „für lau“ aus dem Netz herunterladen zu können, werden bald selbst von Urheberrechten leben, und die ersten tun es ja schon. Da wird sich eine Entwicklung vollziehen, die auch die Mitglieder der Piratenpartei einholen wird, und dann werden sie ebenfalls für ein wehrhaftes Urheberrecht kämpfen. Weil die Kraft einer Idee nicht zu unterschätzen ist. Ich glaube, es gibt eine Stelle in dem Piratenprogramm, dass sich Ideen gar nicht an einem einzelnen Hirn festmachen, sondern immer schon im kollektiven Bewusstsein sind. Das ist definitiv Schwachsinn. Wenn die kollektive Idee eines iPhones sowieso in der Luft liegt und jeder nur zugreifen muss, um sie dann zu materialisieren, soll mir mal jemand von der Piratenpartei erklären, warum vor einigen Jahren Nokia der größte Handyhersteller war und es heute Samsung und Apple sind. Die ganze Konkurrenz, die es in der Industrie gibt, basiert doch darauf, dass die richtige Idee zur richtigen Zeit unglaublich viel Geld wert ist. Und diejenigen im Netz, die sich kräftig gegen Acta wehren und Urheberrechte verletzen, sind meistens Konzerne, die viel Geld damit verdienen – die brauchen Inhalte, die sie „verkloppen“ können. YouTube ist kein kleiner, schnuckeliger Piratensender, wo man tolle Sachen angucken kann, sondern  an einen Großkonzern angeschlossen.

Ich finde die Debatte unfair und auch total unangemessen, wie sie im Moment geführt wird.

Sind es nicht die Verwertungsgesellschaften, die das Geld einheimsen?

Die Verwertungsgesellschaften sind diejenigen, die noch am stärksten mit dem Künstler, also dem Urheber, verbunden sind. Die GEMA ist der einzig ernst zu nehmende Player auf dem Markt: die stärkste Verwertungsgesellschaft, weil es gleichzeitig auch die älteste Verwertungsgesellschaft ist. Bei allem, was man an der GEMA kritisieren kann, ist es für die Künstler einfach gut, dass es wenigstens eine gute Verwertungsgesellschaft gibt. Ohne die GEMA wäre Hopfen und Malz verloren.  Es gibt natürlich viele Dinge, die ich an der GEMA kritisiere: Sie ist kleinlich und sie ist ein überbürokratisierter Apparat. Trotzdem bin ich froh, dass es die GEMA gibt, weil es sonst niemanden mehr gäbe, der das Rückgrat  hat, gegen jemanden zu klagen, der meint, alles abfischen zu können, was ins Netz gestellt wird.

Ich glaube, dass die Lösung eher über die Verwertungsgesellschaften gehen wird. Konzerne, die die Urheberrechte besitzen, sind ja die, die sie für die Künstler verwalten.

Und es gibt noch einen ganz anderen Punkt, der fast völlig ausgeblendet wird:

Filme machen ist teuer und wenn sich Filme nicht mehr refinanzieren, geht es zu Lasten der Qualität. Die Bedingungen, unter denen heute viele normalbudgetierte Filme gemacht werden, grenzen bereits an massive Selbstausbeute. Gagen steigen schon seit Jahren nicht mehr, viele sinken, die Drehtage werden immer weniger und wer glaubt, dass diejenigen, die an Filmen das große Geld verdienen die Produzenten sind, verkennen, dass die meisten von denen für jede einzelne Produktion ihr Haus verpfänden müssen, damit die Bank ihnen überhaupt noch eine Zwischenfinanzierung gewährt. Diese Debatte braucht dringend mehr Fairness und Ehrlichkeit.

Sollten Künstler ihrer Meinung nach in die Piratenpartei eintreten und sich am öffentlichen Diskurs beteiligen?

Künstler sollten nicht in die Piratenpartei eintreten, aber sie sollten gerne mitdiskutieren. Die Diskussion muss im öffentlichen Raum stattfinden, und sie muss ehrlich geführt werden. Im Moment wird sie auf der Ebene geführt, was technisch möglich ist. Das ist keine ernsthafte Diskussion.

Eine Sache zum Schluss: Ich wünsche mir von den Politikern mehr Mut. Allzu oft wird nämlich eine Öffentlichkeit hergestellt, die nur eine vermeintliche Öffentlichkeit ist. Es gibt einen „Storm“  im Netz (das muss ja nicht gleich ein Shitstorm sein), der das, was die Leute so auf der Straße denken und was sie auch leben, nicht repräsentiert. Und ich wünsche mir, dass die Politiker mehr den Grundprinzipien folgen, die sie auch in ihren Parteiprogrammen stehen haben, und weniger dem, was ihnen als vermeintliche Öffentlichkeit im Netz begegnet: Es ist eine verzerrte Öffentlichkeit. Und nur ein Teil der wirklichen Öffentlichkeit.

Und noch ein Wort zum Thema Angst. Wissen Sie eigentlich, wie viele Leute zu dem Thema nicht öffentlich ihre Meinung sagen, weil sie Angst haben im Netz gedisst zu werden? Computerwissen ist Herrschaftswissen und die, die am lautesten nach Transparenz rufen, sind gerne mal diejenigen, die dieses Herrschaftswissen komplett transparenzfrei einsetzen, um Menschen einzuschüchtern.

Verstehen Sie mich nicht falsch: die Welt ist voller Tyrannen, korrupter Regierungen, Mörder, Drogenbanden, Nazis und Vollidioten. Der Kampf dagegen mit kreativen und noch kreativeren Methoden hat meine ganze Sympathie und Unterstützung! Aber ein paar Krimiautoren, die öffentlich sagen, dass sie für ihre Arbeit fair bezahlt haben wollen, anzugreifen, ist einfach lächerlich.

Wo sehen Sie Vorteile für junge Künstler im Netz?

Der Vorteil des Netzes ist natürlich, dass man – unabhängig von den klassischen Vertriebswegen – um sich selbst einen Hype bauen kann. Also was das Thema Selbstvermarktung angeht, ist das Netz offen und optimal. Es ist auch ein ganz tolles Tool, weil es eine Demokratisierung von Talent bedeutet und das ist so oder so der größte Vorteil des Netzes: Talent muss sich nicht mehr den Kanal durch gefilterte Ohren suchen, sondern das Talent kann sich unmittelbar im Netz entfalten. Und wer Glück hat, kann eben auch dort von einer großen Öffentlichkeit entdeckt werden.

Interview mit Katja Hofem

VITA:

Katja Hofem (*1970) ist seit Dezember 2009 als Geschäftsführerin für sixx TV GmbH verantwortlich. Zusätzlich verantwortet sie das New Channel Development der ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH. Zuvor leitete Katja Hofem Discovery Networks Germany als General Manager. In dem Unternehmen baute und positionierte sie als Geschäftsführerin und Vice President Channels den Sender DMAX sowie das Pay-TV-Geschäft auf und war mit der Entwicklung neuer Sender betraut. 1998 kam die gebürtige Aalenerin zu RTLII, zunächst als freie Redakteurin für Unterhaltung. Ende 1999 übernahm sie die Leitung der Unterhaltungsredaktion, 2002 kamen die strategische Programmplanung sowie die gesamte Budgetverantwortung im Bereich Programm/Unterhaltung hinzu. Von 2004 bis 2006 verantwortete die studierte Politikwissenschaftlerin als Leiterin Programm schließlich die strategische Programmplanung, Marketing, Presse und On Air Promotion.

Es wird darüber spekuliert, ob uns das Netz zu schlechteren Menschen macht. Aber sind nicht wir Menschen es, die das Internet benutzen? Wenn das so ist, brauchen wir vielleicht eine Kindersicherung für uns selbst?

Wir glauben nicht daran, dass das Netz uns zu schlechteren Menschen macht, sondern, dass die Chancen und positiven Seiten des Netzes überwiegen. Wie bei jeder signifikanten Medienrevolution machen die neue Möglichkeiten des Unbekannten zunächst Angst – um das Medium Internet mit all seinen Chancen nutzen zu können, gibt es immer mal wieder ‚Ausschläge‘, danach pendelt sich die Nutzung ein.
Menschen haben Angst, dass man ihre Häuser fotografiert. Dabei nutzen viele Menschen, die ich kenne, leidenschaftlich gerne Google-Street-View. Bekämpfen wir am Ende etwas, das uns selbst gefällt?

Ja, das sehen wir ähnlich. Auf der einen Seite möchte man seine ‚privaten‘ Rechte schützen, auf der anderen Seite, wenn man z.B. sein Haus verkaufen oder eine Wohnung mieten möchte, nutzt man Street View sehr gerne und versucht gerade im ersten Fall sein Haus wieder ‚sichtbar‘ zu machen, was dann nicht mehr möglich ist. Hierbei bekämpfen wir zunächst nur unseren Urinstinkt nicht komplett transparent zu werden, der durchaus nachvollziehbar ist, aber gerade in diesem Thema erwarte ich eine schnelle Entspannung, solange zufällig fotografierte Menschen von den Bildern entfernt werden.

Es ist nur natürlich, dass Verbrechen im Netz den Verbrechen in der realen Welt ähneln. Es wird jedoch so getan, als ob das Netz nur aus Cybermobbing, Kinderpornografie und Lynchjustiz bestehe. Wer profitiert von dem schlechten Ruf des Netzes?

Schwierige Frage, gibt es wirklich Profiteure, wenn man das Netz auf solche Themen reduziert? Kurzfristig könnten sich die ‚Fortschrittsverhinderer‘ bestätigt fühlen, aber langfristig sehe ich keine Profiteure.

Im Fall einer Datenauswertung hätte eine Regierung sämtliche Informationen über meine Person. Wie wahrscheinlich ist es, dass irgendwann ein Chip entwickelt wird, der unsere Daten (Krankheiten, Berufserfahrungen, Liebesbeziehungen, Wohnortwechsel, moralische Fehlverhalten) sammelt, speichert und ggf. offenlegt? Und selbst wenn, wäre dies schlimm?

Die Frage ist, wofür braucht jemand diese Daten? Krankheiten, Berufserfahrungen und Wohnwechsel sind heute schon in diversen Ämtern bekannt, zusätzlich also die Liebesbeziehungen und sonstige Informationen. Das ist sicherlich ein Thema für Menschen, die eventuell ihrer Sensationsgier zum Opfer fallen, das sind aber Einzelfälle. Solange die „Regierung“ als Synonym für Autoritäten gilt, die einen verantwortungsvollen Umgang pflegen und diese Daten nur bei akutem Bedarf etc. nutzen, sehen wir darin wenige Probleme, ob das letztendlich ein Chip ist oder eine Datenbank ist dabei nicht wichtig.

Angst ist das Thema unserer Zeit. Warum sind wir Deutschen so ängstlich? Warum brauchen wir immer so lange, bis wir uns an eine mediale Veränderung gewöhnen?

Angst bzw. Unsicherheit ist einer der natürlichsten Treiber, der gleichzeitig eine gründliche Auseinandersetzung mit neuen Themen initiiert, das kann man auch positiv sehen.

Es ist sicherlich keine typisch deutsche Eigenschaft, da gibt es genug andere Länder die auch ähnlich vorsichtig damit umgehen – häufig läuft die Adoption von neuen Medien mit sinnvoller nutzerfreundlichen Technik und Infrastruktur – sonst macht es keinen Sinn, sein bisheriges ‚erprobtes und bewährtes‘ Nutzungsverhalten zu ändern. Wenn man die Verbreitung der Smartphones in Deutschland sieht oder den Einfluss, den WLAN hatte betrachtet, belegt dies unsere These.

Die Urheberrechtsdebatte ist nicht neu. Wie könnte das Netz von Künstlern, Musikfirmen und Endverbrauchern verbessert werden? Oder anders gefragt: Wenn wir einen Medienminister hätten, was könnte er tun?

Urheberrechte müssen sinnvoll geschützt werden. Es wäre wichtig, dass es einen für Nutzer, Künstler, Label und Medienunternehmen transparenten Prozess gibt, der neue Mediengattung sinnvoll berücksichtigt. Gerade für Endverbraucher ist es häufig nicht verständlich, warum gewisse Rechte mal vorhanden sind mal nicht, die fehlende Verlässlichkeit resultiert dann in Urheberrechtsverletzungen durch Endverbraucher.

Welche Rolle haben die sozialen Netzmedien bei der Bekanntmachung des Senders gespielt?

Die sozialen Netzmedien spielen für sixx von Anfang an eine große Rolle. Über Facebook und Twitter stehen wir nahezu rund um die Uhr im direkten Kontakt mit unseren Zuschauerinnen und Zuschauern, nehmen Kritik und Anregungen sehr ernst und freuen uns über positives Feedback. Gerade bei Neustarts von Programmen z.B. der Erstausstrahlung von ‚Vampire Diaries‘ und Neuankündigungen unserer neuen US-Serien sind die sozialen Medien ein spannender Hebel. Nach nur zwei Jahren nach Launch haben wir als neuer Sender schon über 140.000 Facebook-Fans.

Es liegt auf der Hand, dass der Frauensender sixx von einer Frau geführt wird. Ist die Digitalisierung eine Chance für Frauen in der Medienbranche?

Interessante Kombination von Fakten. Allerdings glauben wir, dass die Digitalisierung eine Chance für die Medienbranche ist, aber nicht speziell für Männer oder Frauen.

Arbeiten Sie aktuell an digitalen Formaten? Wenn ja, an welchen?

Wir arbeiten aktuell an keinen exklusiv-digitalen Formaten. Soweit lizenzrechtlich möglich, sind all unsere beliebten Serien, Magazine, Dokus und weitere Highlights online im 7-Day-Catch-up unter www.sixx.de abrufbar. Allerdings arbeiten wir gezielt an unserer interaktiven Kommunikation mit unseren Online- und Social-Media-Nutzern – gerade an unseren Eventtagen oder auch zu den neuen US- Serien. Das Feedback ermutigt uns, neue Themen anzugehen. Exklusive digitale Formate sind weniger interessant für uns, wir arbeiten an ‚story-telling‘ Konzepten, die die neuen Formen der Mediennutzung mit den existierenden Formaten verbinden.

Was sind Ihre persönlichen Ziele für den Sender – Wie „digital“ ist die Zukunft von sixx?

sixx hat sich innerhalb von zwei Jahren zu einer erfolgreichen Fernsehmarke entwickelt. Immer öfter knacken wir die Ein-Prozent-Marke im Tagesmarktanteil. sixx ist die TV-Ruheoase für die Zuschauerinnen (und Zuschauer): zurücklehnen, entspannen und Zeit für sich nehmen. So soll es auch weitergehen. Wir werden in den nächsten Jahren unseren Erfolg im TV-Markt weiter ausbauen und auch die digitalen Distributionskanäle in einer sinnvollen 360-Grad-Verwertung ausweiten  – Online, Mobile, Social und sicherlich auch Internet-TV sind spannende Themen, die wir in den nächsten zwei Jahren angehen werden.