Interview mit Ilker Çatak

Foto: Johannes Kreuser

Foto: Johannes Kreuser

Wer bist du und was machst du?

Ich bin Ilker Çatak, 31 Jahre. Gebürtiger Berliner. Filmemacher. Habe in Istanbul gelebt, dort Abi gemacht. In Hamburg studiert. Mittlerweile wieder in Berlin.

Im vergangenen Jahr wurdest du mit deinem Kurzfilm „Wo wir sind“ für den Studenten-Oscar nominiert, dieses Jahr hast du ihn mit „Sadakat“ gewonnen. Worum geht es bei Sadakat?

Der Film wendet den Blick nach Istanbul. Dort ist die Stimmung angespannt, auf den Straßen wird demonstriert. Durch die Gesellschaft zieht zunehmend ein Riss. Aslı, eine junge Röntgenassistentin, lebt in stabilen Verhältnissen. Aber die gesellschaftlichen Unruhen erreichen auch sie: In einer spontanen Aktion bietet sie einem politischen Aktivisten Schutz und hilft ihm einer Verhaftung zu entkommen. Dadurch geraten sie und ihre Familie ins Visier der Polizei. In “Sadakat“ geht es um Mut und darum, Rückgrat zu zeigen, wenn es um grundlegende Prinzipien geht.

Welche Rolle haben die digitalen Medien wie Twitter oder Youtube für die Proteste in Istanbul gespielt?

Sie haben die Gezi Proteste 2013 befeuert. Über sie haben sich die Menschen ausgetauscht, organisiert, solidarisiert. Als dann die Regierung Medien wie Twitter oder Youtube gesperrt hat, wurde den Menschen vor Augen geführt, wie manipulativ und repressiv die Regierung ist.

Wie habt ihr während des Drehs kommuniziert?

Per Handy, Internet, mit Händen und Füßen.

Ihr habt inzwischen zahlreiche Preise für euren Film erhalten. Hat euch eure eigene Facebook-Seite „Sadakat fidelity“ dabei geholfen – oder hat sich euer Film ganz analog verbreitet?

Kann ich schwer beurteilen. Die Seite hat nun knapp 300 Likes. Ich denke, dass der Erfolg des Films nicht unbedingt mit der Facebook-Seite zu tun hat. Eher habe ich das Gefühl, dass die Seite dazu dient, Freunde und Verwandte auf dem Laufenden zu halten. Wax your own car, sozusagen.

Könntest du dir vorstellen auch mal Regie für eine Netzserie zu führen?

Ja. Ich bin ein großer Fan von “Black Mirror”. Diese Serie schafft es, das Thema der digitalen Medien handwerklich sehr virtuos und inhaltlich sehr differenziert umzusetzen. Charlie Brooker ist ein Genie. Sowas würde ich gerne mal machen.

Bist du, was den Stand der Digitalisierung angeht, aktuell eher verwirrt oder glücklich?

Ich bin weder verwirrt, noch glücklich. „Auf der Hut“ trifft es wohl am ehesten. Ich bekomme fast täglich Facebook-Freundschaftsanfragen von Menschen, die ich in meinem Leben noch nie gesehen habe. Sehr befremdlich. Neulich habe ich Citizenfour gesehen und der Film hat mir einmal mehr die Augen geöffnet. Es ist eine Schande, wie das Internet, dieses großartige Medium, von Machthabern zum BigBrother-Tool instrumentalisiert worden ist. Ich weiß, dass jeder Geheimdienst dieser Welt alles über mich weiß. Das macht das Internet zu einem Ort, an dem ich vorsichtig sein muss. Vielleicht bin ich paranoid, aber ich klebe neuerdings auch meine Webcam ab. „That You Don’t Care About The Right To Privacy Because You Have Nothing To Hide Is No Different Than Saying You Don’t Care About Free Speech Because You Have Nothing To Say” Dieses Snowden-Zitat finde ich klasse. Ich würde mir wünschen, dass mehr Menschen, allen voran Politiker, Snowden und das, was er geleistet hat, wertschätzen.