Interview mit Monsters of Liedermaching

VITA:

Fred, Burger, Tottovic, Pensen, Labörnski und Rüdi – eine Band ohne Hierarchie. Damit gelten die Monsters of Liedermaching durchaus als Faszinosum der deutschsprachigen Rockwelt. Aber eigentlich ist alles ganz einfach: Die sechs Herrschaften lernten sich als Solokünstler auf zahlreichen Liedermacherfestivals kennen und gründeten eine Band. Ihre Einflüsse reichen von zotiger Stand-Up-Komik bis zur ernsten Ballade, von Punkrock bis HipHop. Das alles bei einer Instrumentierung, die nur aus den obligatorischen Wandergitarren besteht. Sie singen über moderne Kommunikation und über Themen des Alltags, ob es nun um die kleinen Dinge, wie Bienen und Zwerge geht, oder um die großen (Die Liebe, das Laster, das Leben).

Es wird darüber spekuliert, ob uns das Netz zu schlechteren Menschen macht. Aber sind nicht wir Menschen es, die das Internet benutzen? Wenn das so ist, brauchen wir vielleicht eine Kindersicherung für uns selbst?

Diese Frage eindeutig zu beantworten, hieße, im gleichen Zug auch Rousseaus Theorie zum schlechten Einfluss der Zivilisation auf den Menschen letztgültig untermauern oder widerlegen zu können. Das wäre schön, ist aber leider unmöglich. Zumindest für mich als halbgebildeten Liedermacher.

Ich denke, grundsätzlich ist eine instinktive moralische Kindersicherung im eigenen Selbst notwendig, um einen reflektierten Umgang mit der Welt zu ermöglichen. Das gilt aber genauso für den Umgang mit allem anderen auf der Welt. Damit meine ich keine Form der vorgegebenen Zensur oder Tabuisierung. Niemand hat das Recht oder die Kompetenz, einem anderen Menschen seine Vorstellungen zu oktroyieren.

Meine Vermutung ist schon, dass mediale Netzwerke nicht grundsätzlich mit bösem oder schlechtem Hintergrund geschaffen werden, sondern im Grunde dem Forschungsdrang des Menschen entsprechen, das Leben zu vereinfachen oder zu verbessern. Die „Verschlechterung des Menschen“ durch verbesserte Verbreitungsmöglichkeiten von Informationen und Gedanken war bestimmt nicht Grundlage der Erfindung des Buchdrucks. Dennoch passiert auch das, nennen wir nur mal „Mein Kampf“ als prominentes Beispiel.

Marquis de Sade hat einst  richtig – wie ich finde (aber ich kann mich natürlich irren) –  formuliert, dass der Fehler darin läge, vom „Menschen“ als einem grundguten Wesen auszugehen, welches nur durch Abnormitäten zu bösen Taten oder Gedanken fähig wäre.

Eine Möglichkeit wie das Internet kann Segen und Fluch sein, aber wer wäre ich, zu beurteilen, welche Waagschale schwerer wiegt? Die Möglichkeiten der breiten Streuung von Informationen in schlechter wie in guter Hinsicht sind sicher enorm gewachsen, die Gefahr der Verdumpfung dadurch ist für den Menschen sicher ebenfalls gewachsen. Aber im Grunde ist das nur eine Weiterentwicklung von Kommunikation grundsätzlich – seit es den Menschen gibt, gibt es Konversationsmöglichkeiten. Und die waren immer in der Lage, guten wie schlechten Einfluss auf Menschen auszuüben, denke ich.

Wenn wir es also Kindersicherung nennen wollen, nach dem kategorischen Imperativ zu leben, und zwar aus eigenem Antrieb und Willen, nicht von außen bestimmt, dann bin ich Fan davon. Aber da der Mensch ein freies Wesen sein sollte, kann ich das selbstverständlich nur selbst leben und nicht fordern. Bestenfalls anempfehlen.

Menschen haben Angst, dass man ihre Häuser fotografiert. Dabei nutzen viele Menschen, die ich kenne, leidenschaftlich gerne Google-Street-View. Bekämpfen wir am Ende etwas, das uns selbst gefällt?

Klar. Aber auch da kann ich nur für mich sprechen. Ich beispielsweise habe keine Angst davor, dass man mein Haus fotografiert. Ich bin aber auch kein Verschwörungstheoretiker. Der Kampf mit den eigenen Wertvorstellungen liegt aber in uns selbst, so pathetisch das auch klingen mag. Den Wunsch, die Welt gläsern zu haben, um sie selbst zu verstehen, habe ich zum Beispiel durchaus, möchte andererseits aber selbst nicht komplett durchschaubar sein. Und – wenn ich genauer drüber nachdenke – ich will auch nicht wirklich alles über alle wissen. Es ist gleichermaßen eine Neugierde, die zur Weiterentwicklung antreibt und ein Wunsch nach Privatsphäre, die dadurch aber auch erschwert wird.

Es ist nur natürlich, dass Verbrechen im Netz den Verbrechen in der realen Welt ähneln. Es wird jedoch so getan, als ob das Netz nur aus Cybermobbing, Kinderpornografie und Lynchjustiz bestehe. Wer profitiert von dem schlechten Ruf des Netzes?

Die Neugierde, die gestillt werden will. Auch der Wunsch nach Sensationen. In jeder Hinsicht. Warum sonst sollte beispielsweise die BILD-Zeitung sonst so mächtig sein? Der Genuss liegt ja darin, einerseits die Headlines zu verbreiten und im gleichen Atemzug über die Zeitung prinzipiell zu schimpfen. Und das wird dann auch medial genutzt, also eine profitable Symbiose, die ich absolut nicht gutheiße, die aber existiert.

Im Fall einer Datenauswertung hätte eine Regierung sämtliche Informationen über meine Person. Wie wahrscheinlich ist es, dass irgendwann ein Chip entwickelt wird, der unsere Daten (Krankheiten, Berufserfahrungen, Liebesbeziehungen, Wohnortwechsel, moralische Fehlverhalten) sammelt, speichert und ggf. offenlegt? Und selbst wenn, wäre dies schlimm?

Gibt es so was nicht schon? Jedenfalls: Natürlich finde ich das schlimm, wenn alles über jeden abrufbar ist und man vor allem leicht kategorisiert werden kann, eben weil man dann auch in Schubladen gesteckt wird. Diese Schubladen dienen ja zumeist einer leichten Auswertung, die nach Richtlinien fragwürdiger Instanzen gezimmert werden. Das entspricht natürlich nicht meiner Vorstellung von der selbstbestimmten Freiheit des Menschen, die  meiner Vorstellung nach höchstes Gut sein sollte. Aber auch hier wäre es vereinfacht, nur in eine Richtung zu denken. Vom Gefühl her sage ich: Ganz schlimm, ich will nicht offen gelegt werden können. Aber kompetent ist diese eindeutige Haltung wohl auch nicht.

Angst ist das Thema unserer Zeit. Warum sind wir Deutschen so ängstlich? Warum brauchen wir immer so lange, bis wir uns an eine mediale Veränderung gewöhnen?

Angst ist  für mich kein spezifisch deutsches Thema. Angst ist Bremse wie Antrieb des Lebewesens allgemein. Ein Tier läuft ja auch nicht in den brennenden Wald, sondern in die andere Richtung.

Aber wenn ich es richtig verstehe, geht es in dieser Frage um theoretische Ängste, die von außen geschürt und aufgebaut werden, Fakten, die dramatisiert werden, um Überzeugungen daraus erwachsen zu lassen, um Menschen quasi leichter instrumentalisieren zu können, oder?

Da gibt es ja weltweit historisch abertausende Beispiele.

Aber inwiefern der dritte Teil der Frage damit zusammen hängt, verstehe ich nicht.

Brauchen wir denn so lange, um mit medialen Veränderungen umzugehen? Ich habe ja eben den Eindruck, dass wir unglaublich schnell und euphorisch jede mediale Veränderung (bzw. Neuerung) aufgreifen, ohne uns vorher mit möglichen Vor- und Nachteilen auseinanderzusetzen. Und das erzeugt bei mir schon eine gewisse Angst. Allerdings nicht als Deutscher, sondern als Mensch, der die Fähigkeit zur Reflexion für unabdingbar hält.

Die Urheberrechtsdebatte ist nicht neu. Wie könnte das Netz von Künstlern, Musikfirmen und Endverbrauchern verbessert werden? Oder anders gefragt: Wenn wir einen Medienminister hätten, was könnte er tun?

Medienminister? Es wäre schon schön, wenn das menschliche Sozialverhalten geschult würde, auch wenn das jetzt so klingt, als widerspräche ich damit meinem Wunsch nach selbstbestimmter Freiheit. Aber ich kann ja eben auch nur meine Vorstellungen hier darlegen und zwar ohne Anspruch auf die totale Richtigkeit jener. Ich denke, der Respekt vor anderen Menschen beinhaltet auch den Respekt vor dem Gut anderer Menschen, auch (oder gerade) wenn es sich um geistiges Gut handelt.   Eine extrem utopische Vorstellung.

Welche Auswirkung hat die Kultur im Internet für junge Bands? Oder anders gefragt: Was haltet Ihr davon, wenn man sich Eure Songs kostenfrei im Netz anhören kann?

Zum einen die Möglichkeit der schnellen Verbreitung. Die Vereinfachung der Umsetzung von künstlerischen Vorstellungen. Zum anderen wird das aber im gleichen Augenblick belangloser, denn das Zeitfenster für die künstlerische Entwicklung wird immer enger. Wahrscheinlich schadet das auch der kreativen freien Entfaltung, denn man wird ja förmlich mit Vorstellungen anderer bombardiert. Man kann sich rasch bemerkbar machen, verschwindet aber genauso rasant wieder in der Flut der Neuigkeiten. Die Aufmerksamkeitsspanne wird immer geringer. Natürlich leidet die Originalität darunter. In der Musik beispielsweise  ein ganzes Album mit einem strukturierten Konzept zu produzieren, wird unglaublich schwer, weil kaum jemand ein Album ganz durch hört, sondern nur schnell in allem rum pickt und dann weitersurft.

Auch weiß man nicht mehr ansatzweise, ob viele Klicks wirklich einer Verbreitung der Kunst nahekommt: Ich hab doch keine Ahnung, ob die Personen das Lied jetzt gehört oder nur mal kurz angeklickt und sich derweil mit was ganz anderem beschäftigt haben? Bei Menschen, die sich einen physischen Tonträger gekauft haben, ist die Wahrscheinlichkeit ungleich höher, dass die sich das Ding dann auch angehört haben.

Aber was wir davon halten, ist  (ich sag mal polemisch: leider) nicht von Belang, denn diese Möglichkeit ist ein Fakt und wohl kaum zurückentwickelbar.

Was haltet ihr von einer „Kulturflatrate“ im Netz?

Was ist eine Kulturflatrate? Auf jeden Fall ein hässliches Wort. Aber was bedeutet das? All you can hear? XXL-Menüs bei geringem Aufpreis?

Welche Rolle spielen die Netzmedien bei der „Bekanntmachung“ Eurer Band?

Wie gesagt, es gibt uns die Möglichkeit der breiten Streuung von Informationen unserer Band. Auch eine Vervielfältigung der Möglichkeiten, denn wir können sehr einfach alle Bereiche (außer olfaktorischen), also lesbare, visuelle und hörbare, nutzen. Wir können auch durch Newsverbreitung sehr aktuell agieren. Aber eben nur theoretisch, da ich nicht weiß, ob besagte Informationen (Portraits, Lieder, Konzerttermine, Interviews, Podcasts etc.) überhaupt aufgenommen werden oder nur  ungenutzt auf Bildschirmen flackern.

Nichtsdestotrotz bedienen wir uns durch aus äußerst intensiv mit den Netzmedien, denn  – ob wir das jetzt gut finden oder nicht – sie lösen andere Verbreitungsmöglichkeiten ab und so ist eine Abhängigkeit entstanden.

Wie weit würdet ihr im Online-Bereich (YouTube) gehen, um als Band aufzufallen?

Das liegt schon lange nicht mehr in unserer Hand. Jeder kann ja über uns posten. Wir selbst gehen von unserer Seite genau so weit, dass wir unser Bild in Sachen Außenwirkung komplett mit gutem Gewissen vertreten können.

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