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Interview mit Simon Hegelich

SHegelich_swDu arbeitest als Professor für Political Data Science an der Hochschule für Politik der Technischen Universität München und beschäftigst dich mit Social Bots und dem Thema der künstlichen Intelligenz. Würdest du dich als Cyborg bezeichnen?

Nein. Ich denke zwar, dass die Grenzen zwischen Mensch und Technik nicht starr sind und derzeit aufgelöst werden. Ich selbst fühle mich aber noch sehr menschlich.

Wie wahrscheinlich ist es, dass die Technik eines Tages in unsere Sinne eingespeist wird?

Das werden wir mit Sicherheit schon sehr bald erleben. Die Firma MagicLeaps entwickelt zum Beispiel einen Ansatz, bei dem Computerbilder direkt auf die Netzhaut projiziert werden. Angeblich kann man dann nicht mehr zwischen virtuellen Illusionen und der Wirklichkeit unterscheiden.

Wir führen unsere Beziehungen mittlerweile digital. Wie werden wir in 30 Jahren Liebesbeziehungen führen? Wird unser Mitgefühl darunter leiden?

Mitgefühl bedeutet ja, das man mit jemand anderem fühlt. Ich sehe keinen Grund, warum wir nicht auch gegenüber Maschinen Mitgefühl entwickeln können. Was den Blick in die Zukunft anbelangt: Ich denke, wir erleben derzeit so viele disruptive Umbrüche, dass niemand in der Lage ist, auch nur die nächsten fünf Jahre vernünftig abzuschätzen. In 30 Jahren werden wir aber – so hoffe ich – echte künstliche Intelligenz haben, also Maschinen mit Bewusstsein. Eigentlich wäre also die Bezeichnung »künstlicher Geist« besser, denn Bewusstsein muss nicht unbedingt mit einer überlegenen Intelligenz einhergehen beziehungsweise das Konzept der Intelligenz ist eh sehr fraglich.

Wie wahrscheinlich ist es, dass wir uns eines Tages in Roboter verlieben und heiraten?

Verlieben: Warum nicht? Wenn er einen angenehmen Charakter entwickelt. Heiraten? Eher nicht. Das würde Rechtsgleichheit von Mensch und Roboter unterstellen.

Sollte uns ein »künstlicher Geist« Angst machen? Oder dürfen wir uns darauf freuen?

Es gibt für mich keinen Grund anzunehmen, warum eine Maschine, die uns im Denken überlegen ist, grausamer sein sollte als ein Mensch. Ich glaube daher, das wird ziemlich cool. Angst sollten uns allerdings die Menschen machen, die »künstliche Intelligenz« jetzt schon für ihre ökonomischen und militärischen Zwecke nutzen wollen.

Verstärken die sozialen Medien Hass oder Mitgefühl? Oder macht das Netz Hass oder Mitgefühl nur deutlicher spürbar?

Ich denke, es gibt gegenläufige Effekte: Im Netz können sich Stimmungen hochschaukeln, sodass Hass und Mitgefühl verstärkt werden. Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass die berühmten Shitstorms sehr schnell abebben. Es tritt also vermutlich auch ein Gewöhnungseffekt ein, sodass Hass und Mitgefühl auch gleichzeitig geschwächt werden.

Wie schätzt du die Macht der Algorithmen bei unserer Kommunikation ein?

Unsere Kommunikation wird immer stärker durch Algorithmen bestimmt. Was ich bei Google, Facebook und so weiter angezeigt bekomme, ist stark von Algorithmen abhängig. Dazu kommt: Diese Algorithmen werden nicht völlig offengelegt, weil man sie ansonsten manipulieren könnte. Beispiel Google: Die Reihenfolge der Suchergebnisse wird stark durch den »PageRank« bestimmt. Diesen Algorithmus muss man sich vorstellen wie einen gigantischen Webcrawler, der immer, wenn er auf eine Seite kommt, sich zufällig einen Link herauspickt und dem dann folgt. Dabei zählt er, wie oft welche Seite besucht wird. Wenn ich das weiß, kann ich zwei Seiten bauen, die gegenseitig aufeinander verlinken. Der Crawler wird dann immer von der einen auf die andere Seite geleitet, und Google würde glauben, die Seite sei sehr beliebt – wenn sie nicht ihren Algorithmus angepasst hätten, um solche Manipulationen zu verhindern. Dadurch wissen aber heute nicht mal mehr Experten, wie diese Algorithmen genau funktionieren.

Aber: Ich habe im Internet alle Freiheit, auch auf eine Seite zu gehen, die Google mir nicht vorschlägt. Damit etwas gefährlich wird, braucht es also auch immer Nutzer, die sich selbst von den Algorithmen abhängig machen.

Gibt es Momente, in denen du wegen des rauen Tons, der im Netz manchmal herrscht, ungern vernetzt bist?

Ja. Aber es gibt auch viele Momente, in denen ich ungern in einer Kneipe oder im Fußballstadion bin.

Siehst du Felder, auf denen uns das Netz empathischer macht? Gibt es Strategien, welche die Empathie im Netz fördern könnten?

Ich glaube schon, dass das Netz vom Grundsatz her eher zu Empathie als zu Hass beiträgt. Je mehr ich über andere weiß, umso mehr Gründe habe ich, mit ihnen zu fühlen. Die beste Strategie für mehr Empathie im Netz ist es, die Konflikte in der echten Welt zu lösen.

Info: Dieses Interview ist Teil einer Reihe von insgesamt 15 Interviews und wurde letzten Sommer im Rahmen eines Buchprojektes geführt.