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Interview mit Jörn Erkau

Jörk ErkauWer bist du und was machst du?

Jörn Erkau, General Manager Sennheiser Streaming Technologies. Meine Kollegen und ich kümmern uns um die Entwicklung von Besucherinformationssystemen für Smartphones und andere mobile Endgeräte.

Wie ist die Idee zu dem Projekt „Culture Inclusive“ entstanden?

Ich betreue seit ca. acht Jahren u.a. inklusive Veranstaltungen im kulturellen Umfeld und beim Sport. Mein persönliches Aha-Erlebnis war die Ausrichtung einer Sportveranstaltung mit der Übertragung von Audiodeskription für blinde Menschen, die mit einem erheblichen technischen und finanziellen Aufwand verbunden war. Es kamen letztendlich fünf Besucher, für die dieses Angebot relevant war. Da wurde mir klar, dass mit einer entsprechend guten Kommunikation viel mehr Menschen mitbekommen hätten, dass es eine für ihre Bedürfnisse ausgerichtete Veranstaltung gibt.

Bei der Entwicklung von neuen Besucherinformationssystemen war uns klar, dass jetzt die Zeit für eine entsprechende Plattform gekommen ist. Die Studie, die wir anschließend mit EMNID durchgeführt haben, hat uns in unserer Vermutung bestätigt. Viele Menschen nehmen nicht mehr an Kulturveranstaltungen teil, weil sie nicht sehen oder verstehen können, was auf der Bühne oder Leinwand passiert. Zudem ist ihnen auch nicht bekannt, welche technischen Hilfsmittel es heutzutage gibt und an welchen Spielstätten diese zur Verfügung stehen.

Was ist das Besondere an dem Portal?

Es ist das erste Portal, das in dieser Form in Deutschland existiert. Gestaltet nach den Prinzipien des „Universal Design“ ist es nutzbar für alle Zielgruppen und ansprechend im Design. Hinzu kommt der Anspruch des „responsive Design“, d.h. es funktioniert gleichermaßen gut auf dem Desktop Rechner, dem Smartphone oder Tablet.

Für welche Städte wird das Angebot gelten?

Das Angebot gilt deutschlandweit. Als global operierendes Unternehmen können wir uns gut vorstellen, das Portal auch in anderen Ländern an den Start zu bringen. In Frankreich, beispielsweise, ist der barrierefreie Zugang zu Spielstätten ab 2018 Pflicht. Hier wäre ein Portal wie Culture Inclusive eine sinnvolle und wichtige Institution. Wir müssen aber erst einmal ausreichend Erfahrungen in Deutschland sammeln, bevor wir an ein internationales Angebot denken können.

Welche Rolle spielen die digitalen Medien bei der Bekanntmachung der Plattform?

Natürlich spielen die digitalen Medien eine äußerst zentrale Rolle in diesem Prozess. Zum einen finden viele unserer Anwendungen auf dem Smartphone statt. Zum anderen sind die digitalen Medien der Dreh- und Angelpunkt in unserer Gesellschaft. Blinde Menschen, zum Beispiel, sind intensive Smartphone-Nutzer, da sie so einen schnellen und unkomplizierten Zugriff auf die für sie relevanten Informationen haben. Für eine gute Kommunikation sind Facebook, Twitter und Co. ein Muss.

Welche Bedeutung hat „Kultur“ in unserer digitalen Gesellschaft?

Kultur ist und war ein gesellschaftlich relevantes Thema – in unserer digitalisierten Welt mehr denn je. Themen und Nachrichten, auch kultureller Art, können viel breiter und vielfältiger gestreut werden als früher und dadurch eine hohe Aufmerksamkeit generieren. Das birgt Chancen, aber auch Gefahren. Zum Beispiel, dass nicht die gesamte Gesellschaft daran teilhaben kann. Daher ist es heutzutage umso wichtiger, dass jeder einen Zugang zu Kulturangeboten hat und diese auch wahrnehmen kann – ggf. mithilfe technischer Hilfsmittel wie Hörunterstützung.

Bist du, was den Stand der Digitalisierung angeht, aktuell eher verwirrt oder glücklich?

Ich bin sehr glücklich. Natürlich bringt die Digitalisierung auch Risiken mit sich. Aber vorrangig sind wir gefragt, das Beste daraus zu machen. Der Zugang zu Informationen ist wesentlich einfacher geworden. Technologie kann Menschen Unabhängigkeit bescheren, wie im Falle von Menschen mit Sinneseinschränkungen den Zugang zu kulturellen Veranstaltungen.

Interview mit Michel Penke

bild1Wer seid ihr und was macht ihr?

Wir, das sind Daniela Späth und Michel Penke. Daniela hat ihr Volontariat bei der Deutschen Welle gemacht. Ich habe gerade die Deutschen Journalistenschule in München abgeschlossen und arbeite nun als freier Journalist. Zusammen sind wir Bleiwüsten. Ein junger, sehr junger Blog über digitales Storytelling und Programme, die die Arbeit von Journalisten erleichtern können.

Wie habt ihr zueinander gefunden?

Wir haben beide ein Praktikum beim ZDF-Studio in Johannesburg gemacht. Daniela im Juli und August 2014, ich sollte ihr Nachfolger werden. Eigentlich wären wir uns nie über den Weg gelaufen. Doch weil in Sierra Leone, Liberia und Guinea Ebola grassierte und nun auch das große Nigeria bedroht schien, hatte jemand beim ZDF in Mainz entschieden, da müssen wir vielleicht doch hin. Schickt doch mal den Korrespondenten. Der eigentlich zuständige Nairobi-Korrespondent Jörg-Hendrik Brase war aber im Urlaub. Also musste Timm Kröger aus Johannesburg ran. Er rief mich an, ich solle früher kommen, weil er die erste Zeit meines Praktikums im fernen Nigeria sein würde. Deswegen haben sich unsere Praktika um ein paar Stunden überschnitten. Zeit genug, um festzustellen, dass wir uns für das Gleiche begeistern. Als mein Praktikum vorbei war, schrieb ich Daniela, die gerade in Washington war, eine Mail und fragte, ob sie Lust auf einen Blog hat. Sie sagte ja. Bis heute haben wir uns analog nur ein paar Stunden gesehen. Digital quatschen wir jeden Tag.

Was hat es mit Bleiwüsten auf sich? Wie seid ihr auf den Namen gekommen?

Bleiwüsten ist ein Begriff, der von den Schriftsetzern erfunden wurde. Also jenen, die noch die Bleibuchstaben zusammengepuzzelt haben, um Zeitungen zu drucken. Eine Bleiwüste ist eine Zeitungsseite oder mittlerweile auch eine Webseite, die durch schlechtes Layout und fehlende Bilder nur unter Qualen zu lesen ist.
Die schillerndste Geschichte kann durch ein liebloses Design viel von ihrer Schönheit einbüßen. Genau darum geht es bei unserem Blog. Geschichten durch digitale Mittel für die Leser intuitiver und emotionaler zu erzählen. Auf dass die digitalen Bleiwüsten wieder ergrünen. Daneben beschäftigen wir uns auch noch mit Programmen, die Journalisten den Alltag erleichtern: Schnitt und Bildbearbeitung, Arbeitsorganisation, Recherche.


Euer Blog richtet sich an Journalisten und Blogger. Warum brauchen Journalisten
Nachhilfe?

Nachhilfe klingt oberlehrerhaft. Sagen wir, wir wollen unsere Kollegen dazu ermutigen, mehr aus ihren Geschichten zu machen. Denn noch immer meinen viele von uns, dass sie ihre Arbeit getan hätten, wenn sie einen Text fertig geschrieben haben. Doch bei jeder Story, die sich Menschen jemals erzählt haben, war die Form Teil des Inhalts. Egal, ob vor Jahrtausenden der Geschichtenerzähler am Lagerfeuer an der spannenden Stelle die Stimme hob, um alle Aufmerksamkeit zu bündeln, oder wir heute den tragischen Tod von Bergsteigern anhand verschachtelter Text- und Bewegtbildblöcke erzählen. Die New York Times hat mit ihrer berühmten Web-Reportage Snow Fall schon vor Jahren gezeigt, was möglich ist. Überhaupt scheinen es Berge der New York Times angetan zu haben. Vor Kurzem gab es da eine Geschichte über den El Capitan in Kalifornien. Großes Kino.

Sollte der Umgang mit Apps und Programmen nicht Teil der Ausbildung von Journalisten sein?

Es wäre jetzt sehr leicht, ja zu sagen. Aber die Ausbildung – wie sie beispielsweise an der DJS geschieht – ist so eng gestrickt, da gibt es kaum noch Platz für Zusätzliches. Und was bringt es, sich in der Ausbildung einmal kurz damit zu beschäftigten? Nein, es sollte nicht Teil der Ausbildung sein. Es sollte Teil des Jobs sein. Wer seine Geschichte so gut wie möglich erzählen will, muss sich immer wieder informieren. Immer wieder lernen, was möglich ist.


Es gibt immer noch angehende Journalisten, die nicht im Netz zu finden sind. Woran könnte das liegen?

Wenn ein Journalist mit jahrzehntelanger Fronterfahrung nicht mehr den Schritt ins Netz wagt, dann verstehe ich das. Für Jungjournalisten ist es absurd. Nicht, weil es ökonomisch unklug ist, von etwaigen Auftraggebern nicht gefunden zu werden. Das ist es gewiss.
Sondern, weil man sich dem wahrscheinlich vitalsten Feld des modernen Journalismus verschließt, wenn man seine Geschichten nicht online erzählt. Es ist, als würde ich beschließen, Reportagen nur noch mit Wörtern zu schreiben, die kein „t“ enthalten. Unsinnige Beschränkung.


Aus welcher Motivation heraus ist euer Blog entstanden? Warum macht ihr das eigentlich?

Uns treiben drei Dinge an. Die wichtigste Motivation ist natürlich, dass wir uns für das Thema interessieren und Spaß dabei haben. Aber es wäre unehrlich, zu sagen, wir hätten keine Pläne mit dem Blog. Eines nicht allzu fernen Tages wollen wir Seminare für Journalisten zu unseren Bloginhalten anbieten. Wie erzähle ich meine Storys als Multimedia-Geschichte? Und das, ohne gleich Tausende von Euros in die Hand zu nehmen. Wie arbeite ich als Journalist mit Hilfe von Programmen effizienter?
Auf dem Blog werden in Zukunft vielleicht auch ein paar Zusatzinhalte kostenpflichtig angeboten werden. Ähnlich wie Richard Gutjahr das derzeit mit LaterPay macht. Da schaue ich derzeit ganz genau zu und versuche von ihm zu lernen. Doch dafür müssen der Blog und seine Reichweite noch wachsen. Wir sind ja derzeit gerade einmal zwei Monate dabei. Also echte Küken.
Außerdem wäre es natürlich schön, von Auftraggebern eines Tages zu hören: „Sind Sie nicht der von Bleiwüsten? Ja, von Ihnen hätten wir gerne eine Geschichte. Und gerne auch mit diesem Multi-Media-Dingens.“ Der Blog ist natürlich auch eine Art, sich als junger Journalist zu profilieren.

Welche Tools und Techniken sollten wir eurer Meinung nach dringend ausprobieren?

Das ist Betriebsgeheimnis! Aber um genau das zu erfahren, gibt es ja unseren Blog. Nur so viel; wer sich für Datenjournalismus interessiert, sollte bald mal bei uns vorbeischauen. Da ist etwas im Busch. Und auch längere Erzählformen sind geplant. Also: Wie baue ich eine Web-Reportage von vorne bis hinten?

Seid ihr, was den Stand der Digitalisierung angeht, aktuell eher verwirrt oder glücklich?

Zum Glücklichsein fehlt uns im Augenblick wohl die Zeit. Vielleicht gibt es in ein paar Monaten mal ein kleines Zeitfenster, um – angesichts der neuen Möglichkeiten – kurz zu juchzen.
Wenn ich morgens meine Listen bei Twitter durchstöbere, um nach neuen Programmen und Apps zu suchen und nach zehn Minuten schon drei neue Ideen für Blog-Artikel habe, dann ist das verwirrend. Jeden Tag etwas Neues. In diesem Sinne bin ich verwirrt. Verwirrt, wie ein kleiner Junge, der in seinem Leben nur Schwarz und Weiß zum Malen hatte und plötzlich in einem impressionistischen Atelier steht. All die Farben! All die Möglichkeiten!

5 Fragen an 100 Journalisten

Journalismus verändert sich. Aber wo geht es hin? Dirk Von Gehlen arbeitet als Leiter “Social Media/Innovation” bei der Süddeutsche Zeitung. Vor Kurzem hat er das Blogprojekt 5fragenan100journalisten ins Leben gerufen. Schöne Idee – und nicht nur weil unsere Autorin mitmachen durfte.

Was ist guter Journalismus?
Gute Journalisten sind für mich Menschen, die uns die Probleme auf der Welt und in der Gesellschaft so herunterbrechen, dass man sie versteht. Normalerweise denke ich nicht darüber nach – besonders in Krisensituationen fällt mir jedoch auf, was kein guter Journalismus ist. Bewundernswert finde ich all die Journalisten und Reporter, die gerade in Krisensituationen wie jetzt (Gaza/Syrien/Ukraine) ihr Leben riskieren, um uns Bilder und Reportagen zugänglich zu machen, auf die wir sonst keinen Zugriff hätten.

(Wie) Ist Ihnen persönlich das Internet dabei eine Hilfe?

Das Schöne an dieser Digitalisierung ist ja, dass wir alles ausprobieren können. Manchmal erinnert mich das Internet an einen großen Baukasten: Alles ist möglich. So empfinde ich es zumindest. Wir dürfen zwar noch nicht offiziell scheitern, aber wir sind offener – wir probieren mehr. Sind mutiger (Stichwort: Crowdfunding). Ob mir das Internet eine Hilfe ist? Ohne das Internet würde es meinen Blog nicht geben …

Was ist der beste Weg in den Beruf?

Den richtigen Weg in den Journalismus gibt es, glaube ich, so nicht mehr: Früher war es die klassische Journalistenausbildung, verbunden mit dem Volontariat – heutzutage bekommen auch (programmierende oder nicht programmierende) Blogger, die den Quereinstieg wagen, eine reale Chance. Scheinbar gibt es viele Wege in diesen Beruf: Ich bezeichne mich aber selbst nicht gerne als Journalistin, weil ich Medienwissenschaft studiert habe. Wenn mich jemand fragt, was ich mache, sage ich deshalb immer nur: ich schreibe.

Welchen Ratschlag, welche Regel oder welche Routine befolgen Sie?

Thierry Chervel hat mir bei einem Interview gesagt, dass ein eigener Blog für den Start zu empfehlen ist. Da möchte ich ihm gerne zustimmen: Gerade für Blogs im kulturellen Bereich sehe ich – genau wie er – ein großes Potenzial. Und es ist ja genug zum Schreiben für jeden da: Wir benötigen mehr Blogs in den Bereichen Schauspiel, Tanz, Gesang, Malerei. Mein Motivations-Motor für einen eigenen Blog war immer die Schnittstelle von Kultur, Gesellschaft und Digitalisierung. Über meinen Blog bekomme ich mittlerweile sogar kleinere Aufträge, dabei habe ich es immer nebenher gemacht und nie mit dem Ziel, damit Geld zu verdienen.

Wie geht’s weiter?

Mit dem Journalismus? Mhm, gute Frage. So eindeutig kann einem das ja niemand beantworten. Ich hoffe aber, dass es mutig weitergeht. Und wir gemeinsam viele neue Projekte und Ideen verwirklichen können: Die etablierten Journalisten – und die Blogger!

(Dieses Interview ist zuerst auf 5fragenan100journalisten erschienen)

Die Weisheit der Menge

„Oft beschreiben (internetspezifische) Theorien einleuchtend, wie Netzwerke sich herausbilden, wachsen, und welche Form und Größe sie annehmen, aber sie schweigen dazu, wie sie in die Gesellschaft eingebettet werden und welche Konflikte daraus entstehen.” Aus „Das halbwegs Soziale: Eine Kritik der Vernetzungskultur” von Geert Lovink

In der zweiten Ausgabe von „Netzkultur. Freunde des Internets“ geht es um virtuelle Gemeinschaften mit allen Vor- und Nachteilen: Eine Aktivistin von Change.org beschreibt die Organisation von E-Kampagnen, der erste Dokumentarfilm über Bitcoins erlebt seine Preview, und Diana Arce lädt zum Polit-Karaoke. Im Gespräch über „Freundschaft zwischen Avantgarde und Nerdtum“ trifft die Regisseurin Angela Richter auf WikiLeaks-Aktivisten. Der Medientheoretiker und Netzkritiker Geert Lovink spricht über die Gefahren und Potenziale virtueller Netzwerke. Verleger, Hacker und Künstler aus Afghanistan, Deutschland, Großbritannien und Syrien diskutieren u. a. über eine partizipatorische Bücherverkaufsplattform als Alternative zu Amazon, ein kulturelles Hacker-Projekt für die Entwicklung von Festival-Apps und ihre ganz eigene Form des künstlerisch-politischen facebook-Aktivismus. In Workshops lässt sich die Technik des Liquid Feedback erlernen, und Leander Wattig bittet zur Socialmedia-Sprechstunde. Und ab 22:00 Uhr lädt das YouTube-Wunder Koenigleopold aus Wien mit seiner furiose Mischung aus Hip Hop, Jazz, Funk und Wahnsinn auf die Seitenbühne: ein deutsches Debütkonzert.

Netzkultur ist ein gemeinsames Projekt der Berliner Festspiele und der Bundeszentrale für politische Bildung. Wir medienfische unterstützen das Projekt im Auftrag der Berliner Festspiele.

Mein Medien-Menü (Folge 57)

Für den Christoph Koch hat unsere Praktikantin ihr Medien-Menü aufschreiben dürfen. Lieben Dank!

Guten Morgen, Medienwelt!

Hier schreibt Gina Schad, nebenberuflich Chefpraktikantin bei medienfische, hauptberuflich Studentin – jedenfalls noch für ein paar Monate. Während des Masterstudiums an der Humboldt Universität (Medienwissenschaft) habe ich das Interview-Blog-Projekt medienfische gestartet, bei dem ich 20 Medienköpfe zu den Risiken und Chancen der Digitalisierung interviewt habe. Ich entwickle das Projekt weiter, stelle neue Interviews ins Netz und schon soll ich zum ersten Mal in meinem Leben selbst ein Interview geben, oder besser gesagt: etwas für Christoph Kochs Medien-Menü schreiben. Lieschen Müller würde sagen: das ist der Anfang einer ganz steilen Karriere.

Wie bin ich überhaupt zum Kochen gekommen? Angefangen hat alles mit diesem blöden Fernseher, dieser hässlichen, grauen Röhre, die bei uns im Wohnzimmer stand und die nur einmal im Jahr, wenn der Christbaum im Wohnzimmer die Sicht auf sie versperrte, schlief. Der Fernseher ist schuld. Er hat mir vermittelt, dass da draußen das viel aufregendere Leben stattfand, und ich habe ihm blind vertraut. Zurückfragen ging ja nicht. Ich wollte diskutieren, streiten, Kräfte messen. Ihn hat es nicht interessiert. Hat mich mit leerem Blick angeschaut. Mich ausgelacht. Irgendwann wollte ich weg aus meiner Kleinstadt, in die große Stadt: Kunst und Kultur fischen – dorthin gehen, wo sie aufwachsen. Die grauen, wichtigen Röhren. Ja, ich bin ein Kind der Massenmedien und gehöre zu der alten Generation Myspace, ein Profil hatte ich jedoch nie. Meine Eltern sind immer noch nicht bei Facebook, meine Geschwister lesen keine Mails auf ihrem Smartphone und ich frage mich manchmal, warum ich unbedingt dieses Menü wählen musste. Dabei bin ich wahrscheinlich selbst schuld; das Essen, das ich gerade verspeise, habe ich mir ja selbst gekocht. Ich hätte auch andere Zutaten für mein Leben kaufen können. Wollte ich wohl nicht.

Ich fange einfach mal mit der Vorspeise an, sonst wird ja das Essen kalt. Nach dem Aufstehen mache ich in der Regel zuerst meinen Laptop an und schleppe ihn mit ins Bad. Dort sitze ich dann und schaue, was es bei Spiegel Online Neues gibt. Erst dann kommt das Zähneputzen. Informieren tue ich mich aber fast nur noch über meine Lieblingszeitung Twitter. Ich sage es ja nicht gerne, aber ohne Twitter könnte ich wahrscheinlich nicht mehr leben. Das klingt jetzt wahrscheinlich gerade sehr dramatisch, oder?

Das ist gut.

Darüber hinaus gibt es einige Blogs, in die ich regelmäßig kurz hineinlese, wie z.B. Carta, Perlentaucher, Indiskretion Ehrensache, Vocer, das Blog von Leander Wattig. Außerdem bin ich ein großer Fan von Deutschlandradio Kultur.

Kommen wir zum Hauptgang: Wenn ich nicht gerade Sushi esse, Fische füttere oder mich über meine mangelhaften technischen Kenntnisse ärgere, schreibe ich für die Uni. Die wichtigste berufliche Lektüre ist für mich Wikipedia. Nicht, weil ich dort abschreibe, aber Wikipedia hilft mir, die Zusammenhänge besser und schneller zu verstehen. Gerade wenn es um komplizierte Sachen geht, brauche ich ein Netz, das mich auffängt.

Natürlich lasse ich mich auch gerne von der Arbeit ablenken und schaue ab und zu heimlich bei Facebook vorbei. Facebook habe ich jedoch schon immer in erster Linie als Netz-Zeitung genutzt und nicht, um dort zu schreiben, wann ich meine Tage habe. Der Schutz meiner Privatsphäre ist mir wichtig, weshalb ich versuche, mich ohne großes Trara zu schützen. Derzeit bin ich mir allerdings sicher, dass man sich auch durch Transparenz schützen kann. Aber ich bin ja noch neu (www.twitter.com/achwieschade) und lerne gerade dazu. Daher bin ich gespannt, wie ich das in ein paar Jahren sehe.

Oh, ein Interviewpartner schreibt und möchte, dass ich etwas an seinem Interview verändere: Einen Link einfügen? Das Bild verkleinern. Video verlinken? Kein Problem. Um ehrlich zu sein: Technik habe ich mit 4 Jahren abgewählt. Daher hatte ich am Anfang bei meinem Blog auch extreme Schwierigkeiten. Für mich ist das alles ein großes Experiment. Und dabei darf man auch mal was falsch machen. Ich wünschte mir manchmal, wir alle würden über unsere Fehler reden.

Natürlich habe ich dann doch noch einen Termin. Also raus aus der Komfortzone, App aktiviert und ab in die Ringbahn. Wenn ich in der Bahn sitzen muss, lese ich gerne die Süddeutsche auf meinem Handy, weil ich aus dem Süden komme und mir die SZ ein Gefühl von Heimat suggeriert. Außerdem schaue ich immer mal, was die taz so zwitschert, die Zeitung meiner Wahlheimat, sozusagen. Was meine analogen Leserituale angeht: Montags und donnerstags hole ich mir auch mal die Zeit oder den Spiegel, weil ich es immer noch schön finde, etwas in der Hand zu haben. In der Bahn beobachte ich am liebsten Menschen, mit dem Buch in der Hand. Da bin ich wirklich schräg. Manchmal denke ich auch, das passt ja gar nicht, du bist eine fiese Schwindlerin. Schreibst bei den medienfischen über eBooks und dann kaufst du dir das Buch im Laden. Aber die Möglichkeiten zu kennen und kulturelle Projekte im Netz bekannt zu machen und sich trotzdem ein Buch im Laden zu kaufen, ist aber trotzdem OK, oder?

Die Bahnfahrt ist für mich immer wie eine kleine Reise. Auf großen Reisen checke ich gerne meine Mails, so blöd das klingt, und schreibe WhatsApp-Nachrichten, um mit meinen Freunden und Bekannten in Kontakt zu bleiben. Ich bekomme immer ganz schnell Heimweh, daher mag ich Briefe, auch wenn sie elektronisch sind. Ich lache manchmal über Menschen, die schreiben, eine Mail sei nicht persönlich. Oder eine SMS. Also ich finde das hochgradig persönlich. Ist ja alles dabei gewesen, beim Schreiben …

Aber: Zeit für den Nachtisch! Was Fernsehsendungen angeht, da muss ich leider passen. Ich schaue so gut wie kein Fernsehen mehr und beobachte immer mehr, dass Bekannte auch kein Fernsehen mehr schauen. Wir brauchen eigentlich keinen Fernseher mehr, wenn alle Sendungen im Netz verfügbar sind. Leider werden viele Sendungen wieder aus dem Netz gelöscht, was ich gemein finde. Das einzige, was ich regelmäßig schaue, sind daher Nachrichten und Kultursendungen von ARD, ZDF oder 3Sat. Die drehen sich auch oft um Netzthemen, die mich interessieren. Sehr zu empfehlen ist auch die BR-Kurzfilmnacht. Leider kommen die Kurzfilme erst, wenn wir alle schlafen.

Vor dem Einschlafen schaue ich gerne noch eine Serie, am liebsten eine amerikanische. Es gibt ja mittlerweile auch einige Schauspielerinnen in den USA, die ihre eigene Serie schreiben und dann auch noch produzieren. Das ist schön! In Deutschland wird man ja bereits komisch angeguckt, wenn man zwei Dinge gleichzeitig machen will. Und vor allem auch machen kann. Schon komisch, wie wir Deutsche ticken.

Wenn ich vor dem Einschlafen nichts anschaue, lese ich.

Am liebsten lese ich Biografien. Generell interessieren mich Geschichten über Menschen und über das Leben, weshalb ich am liebsten Biografien von interessanten Persönlichkeiten lese. Ich habe nach dem Abi ein Buch aus dem Regal meiner Eltern gemopst – Frau Thomas Mann –, damit ich auch noch was Intelligentes im Regal stehen habe. Falls Besuch kommt. Das war der Anfang meiner großen Leidenschaft für Biografien.

Außerdem ein empfehlenswertes Buch: „Schauspieler-Bekenntnisse“. Was mich an dem Beruf des Schauspielers so fasziniert, ist die Tatsache, dass es ein Beruf ist, der alles von dir abverlangt, dir aber im Gegenzug überhaupt nichts verspricht. Ein Beruf mit „Suchtpotenzial“, wie die Künstlerin Birgit Brenner i einen Interview gesagt hat. Was es für Menschen sind, die das genau wissen, und sich genau dafür entscheiden … finde ich spannend.

Auf dem Smartphone lese ich, um ehrlich zu sein, immer mehr. Manchmal stört es mich, dass der Bildschirm so klein ist. Aber ich finde es toll, selbst im Bett noch auf meine Mails und Twitter zugreifen zu können. Ich liebe dieses Produkt eines kalifornischen Herstellers. Aber wie in jeder guten Beziehung auch gibt es Regeln und Grenzen. Wir schlafen meistens getrennt, jeder braucht seinen Freiraum. Ein schönes Zitat, das ich dazu im Netz gefunden habe:

„Liebe ist nicht zuletzt, auf die Freiheit des anderen zu achten.“ (gefischt bei Culturmag)

Bisher klappt das ganz gut.

Gute Nacht, Fische!