Interview mit Michel Penke

bild1Wer seid ihr und was macht ihr?

Wir, das sind Daniela Späth und Michel Penke. Daniela hat ihr Volontariat bei der Deutschen Welle gemacht. Ich habe gerade die Deutschen Journalistenschule in München abgeschlossen und arbeite nun als freier Journalist. Zusammen sind wir Bleiwüsten. Ein junger, sehr junger Blog über digitales Storytelling und Programme, die die Arbeit von Journalisten erleichtern können.

Wie habt ihr zueinander gefunden?

Wir haben beide ein Praktikum beim ZDF-Studio in Johannesburg gemacht. Daniela im Juli und August 2014, ich sollte ihr Nachfolger werden. Eigentlich wären wir uns nie über den Weg gelaufen. Doch weil in Sierra Leone, Liberia und Guinea Ebola grassierte und nun auch das große Nigeria bedroht schien, hatte jemand beim ZDF in Mainz entschieden, da müssen wir vielleicht doch hin. Schickt doch mal den Korrespondenten. Der eigentlich zuständige Nairobi-Korrespondent Jörg-Hendrik Brase war aber im Urlaub. Also musste Timm Kröger aus Johannesburg ran. Er rief mich an, ich solle früher kommen, weil er die erste Zeit meines Praktikums im fernen Nigeria sein würde. Deswegen haben sich unsere Praktika um ein paar Stunden überschnitten. Zeit genug, um festzustellen, dass wir uns für das Gleiche begeistern. Als mein Praktikum vorbei war, schrieb ich Daniela, die gerade in Washington war, eine Mail und fragte, ob sie Lust auf einen Blog hat. Sie sagte ja. Bis heute haben wir uns analog nur ein paar Stunden gesehen. Digital quatschen wir jeden Tag.

Was hat es mit Bleiwüsten auf sich? Wie seid ihr auf den Namen gekommen?

Bleiwüsten ist ein Begriff, der von den Schriftsetzern erfunden wurde. Also jenen, die noch die Bleibuchstaben zusammengepuzzelt haben, um Zeitungen zu drucken. Eine Bleiwüste ist eine Zeitungsseite oder mittlerweile auch eine Webseite, die durch schlechtes Layout und fehlende Bilder nur unter Qualen zu lesen ist.
Die schillerndste Geschichte kann durch ein liebloses Design viel von ihrer Schönheit einbüßen. Genau darum geht es bei unserem Blog. Geschichten durch digitale Mittel für die Leser intuitiver und emotionaler zu erzählen. Auf dass die digitalen Bleiwüsten wieder ergrünen. Daneben beschäftigen wir uns auch noch mit Programmen, die Journalisten den Alltag erleichtern: Schnitt und Bildbearbeitung, Arbeitsorganisation, Recherche.


Euer Blog richtet sich an Journalisten und Blogger. Warum brauchen Journalisten
Nachhilfe?

Nachhilfe klingt oberlehrerhaft. Sagen wir, wir wollen unsere Kollegen dazu ermutigen, mehr aus ihren Geschichten zu machen. Denn noch immer meinen viele von uns, dass sie ihre Arbeit getan hätten, wenn sie einen Text fertig geschrieben haben. Doch bei jeder Story, die sich Menschen jemals erzählt haben, war die Form Teil des Inhalts. Egal, ob vor Jahrtausenden der Geschichtenerzähler am Lagerfeuer an der spannenden Stelle die Stimme hob, um alle Aufmerksamkeit zu bündeln, oder wir heute den tragischen Tod von Bergsteigern anhand verschachtelter Text- und Bewegtbildblöcke erzählen. Die New York Times hat mit ihrer berühmten Web-Reportage Snow Fall schon vor Jahren gezeigt, was möglich ist. Überhaupt scheinen es Berge der New York Times angetan zu haben. Vor Kurzem gab es da eine Geschichte über den El Capitan in Kalifornien. Großes Kino.

Sollte der Umgang mit Apps und Programmen nicht Teil der Ausbildung von Journalisten sein?

Es wäre jetzt sehr leicht, ja zu sagen. Aber die Ausbildung – wie sie beispielsweise an der DJS geschieht – ist so eng gestrickt, da gibt es kaum noch Platz für Zusätzliches. Und was bringt es, sich in der Ausbildung einmal kurz damit zu beschäftigten? Nein, es sollte nicht Teil der Ausbildung sein. Es sollte Teil des Jobs sein. Wer seine Geschichte so gut wie möglich erzählen will, muss sich immer wieder informieren. Immer wieder lernen, was möglich ist.


Es gibt immer noch angehende Journalisten, die nicht im Netz zu finden sind. Woran könnte das liegen?

Wenn ein Journalist mit jahrzehntelanger Fronterfahrung nicht mehr den Schritt ins Netz wagt, dann verstehe ich das. Für Jungjournalisten ist es absurd. Nicht, weil es ökonomisch unklug ist, von etwaigen Auftraggebern nicht gefunden zu werden. Das ist es gewiss.
Sondern, weil man sich dem wahrscheinlich vitalsten Feld des modernen Journalismus verschließt, wenn man seine Geschichten nicht online erzählt. Es ist, als würde ich beschließen, Reportagen nur noch mit Wörtern zu schreiben, die kein „t“ enthalten. Unsinnige Beschränkung.


Aus welcher Motivation heraus ist euer Blog entstanden? Warum macht ihr das eigentlich?

Uns treiben drei Dinge an. Die wichtigste Motivation ist natürlich, dass wir uns für das Thema interessieren und Spaß dabei haben. Aber es wäre unehrlich, zu sagen, wir hätten keine Pläne mit dem Blog. Eines nicht allzu fernen Tages wollen wir Seminare für Journalisten zu unseren Bloginhalten anbieten. Wie erzähle ich meine Storys als Multimedia-Geschichte? Und das, ohne gleich Tausende von Euros in die Hand zu nehmen. Wie arbeite ich als Journalist mit Hilfe von Programmen effizienter?
Auf dem Blog werden in Zukunft vielleicht auch ein paar Zusatzinhalte kostenpflichtig angeboten werden. Ähnlich wie Richard Gutjahr das derzeit mit LaterPay macht. Da schaue ich derzeit ganz genau zu und versuche von ihm zu lernen. Doch dafür müssen der Blog und seine Reichweite noch wachsen. Wir sind ja derzeit gerade einmal zwei Monate dabei. Also echte Küken.
Außerdem wäre es natürlich schön, von Auftraggebern eines Tages zu hören: „Sind Sie nicht der von Bleiwüsten? Ja, von Ihnen hätten wir gerne eine Geschichte. Und gerne auch mit diesem Multi-Media-Dingens.“ Der Blog ist natürlich auch eine Art, sich als junger Journalist zu profilieren.

Welche Tools und Techniken sollten wir eurer Meinung nach dringend ausprobieren?

Das ist Betriebsgeheimnis! Aber um genau das zu erfahren, gibt es ja unseren Blog. Nur so viel; wer sich für Datenjournalismus interessiert, sollte bald mal bei uns vorbeischauen. Da ist etwas im Busch. Und auch längere Erzählformen sind geplant. Also: Wie baue ich eine Web-Reportage von vorne bis hinten?

Seid ihr, was den Stand der Digitalisierung angeht, aktuell eher verwirrt oder glücklich?

Zum Glücklichsein fehlt uns im Augenblick wohl die Zeit. Vielleicht gibt es in ein paar Monaten mal ein kleines Zeitfenster, um – angesichts der neuen Möglichkeiten – kurz zu juchzen.
Wenn ich morgens meine Listen bei Twitter durchstöbere, um nach neuen Programmen und Apps zu suchen und nach zehn Minuten schon drei neue Ideen für Blog-Artikel habe, dann ist das verwirrend. Jeden Tag etwas Neues. In diesem Sinne bin ich verwirrt. Verwirrt, wie ein kleiner Junge, der in seinem Leben nur Schwarz und Weiß zum Malen hatte und plötzlich in einem impressionistischen Atelier steht. All die Farben! All die Möglichkeiten!