Twitterwochen

Ich weiß ja nicht, was ihr so in den letzten Tagen gemacht habt – aber ich wollte meine Privatsphäre-Einstellungen bei Facebook aktualisieren. Wahrscheinlich bin ich für sowas wirklich ein bisschen zu blöd, aber ich habe irgendwie so ein Gefühl, als ob Facebook gar nicht möchte, dass ich etwas an meinen Einstellungen ändere. Das ist aber nur so ein …Gefühl. Und da ich eine Frau bin, und mich immer so schrecklich von meinen Gefühlen leiten lasse, sollte ich diesem Gefühl besser nicht nachgeben.  #Überleg#  Was hat man denn so für Perspektiven als Frau mit echten Gefühlen, Interesse an Menschen, Ideen und einem Uniabschluss? Wahrscheinlich sollte ich in die Wirtschaft gehen und da was mit Medien machen oder in die Politik, die suchen ja immer Frauen, die sich in einen Rock quetschen können und den anderen den digitalen Misthaufen weg-schaufeln. Aber in welche Partei??

Ich hab mich die Woche ein bisschen informiert: In den üblichen Parteigremien erfolgt der politische Aufstieg auf der sog. Ochsentour als Parteifunktionär. Wirft man einen Blick auf die Karriere des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff, wird klar, dass dieser durch Übernahme von Parteifunktionen nach Durchlaufen einer klassischen Laufbahn in die Staatselite aufgestiegen ist. Politiker dieses Charismas neigen dazu, in ihrem eigenen Biotop zu residieren und an den Bürgern vorbei zu regieren, wie es sich bei dem aufgeplusterten Ex-Ministerpräsidenten Mr. Mappus bei den Protesten zu S21 gezeigt hat. Durch sein von der Presse als Rambo-Politik apostrophiertes Vorgehen in Verbindung mit S21 machte er sich nicht nur bei den Projektgegnern, sondern auch bei den eingerosteten CDU-Anhängern derart unbeliebt, dass er bei der nächsten Landtagswahl prompt von dem Grünen-Politiker Winfried Kretschmann abgelöst wurde. Bürgerproteste wie die gegen das geplante Bauprojekt des Bahnhofs Stuttgart 21 zeigen, dass Bürger stärker an Entscheidungsprozessen partizipieren und eigenständig politisch handeln wollen. Das tun sie bereits, mit Facebook und Co. Aber auch ohne diese digitalen Freunde hätten wir den Juchtenkäfer beschützen können. Wir hätten uns dann eben nicht mit diesem modernen Zeugs vernetzt, sondern den Hörer in die Hand genommen oder eine Brieftaube losgeschickt. Ging ja früher auch alles.

Die Proteste in der Türkei kann man nicht mit den Protesten von S21 vergleichen. Während hier die Bürgerproteste auf ein einzelnes Mega-Bauprojekt beschränkt blieben, hat es dort den Anschein, dass der Protest sich zwar an den Bebauungsplänen des Gezi Parks in Istanbul entzündete, dann aber in Windeseile auf andere Großstädte in der Türkei übergriff. Überall dort wehrt sich eine städtisch geprägte Mittelschicht, insbesondere aus meiner Generation, gegen eine schleichende Islamisierung der Gesellschaft, die ein autoritärer Regierungschef systematisch vorantreibt. Und die Proteste in der Türkei sind auch keine Facebook-oder Twitter-Proteste, was ich an Kommentaren in den letzten Tagen so aus dem Netz fischen musste. Die sozialen Netzmedien verbessern mit Sicherheit das schnelle Handeln und die Vernetzung bei derartigen Protesten, klar, aber Proteste gab’s ja auch schon früher.

CDU fällt also raus. Vielleicht sollte ich zu den äh Piraten gehen? Vielleicht suchen die ja noch jemanden? Ich bin eine Frau, trage gerne Kleider – Blumen im Haar sind jetzt nicht so mein Fall, aber OK-, und ein Buch schreiben kann ich bestimmt auch, wenn ich jemanden finde, der für mich schreibt. (Denke da an meinen Kumpel Andre..)

Die Piratenpartei sieht sich ja, genau wie die Grünen in ihren Anfangsjahren, gerne in dem Licht als Außenseiter. Ihr Ziel war es, Grundsätzliches zu ändern, sowohl im politischen System als auch im gesellschaftlichen Normengefüge. Was für die Grünen einst der Umweltschutz war, ist für die Piraten heute die Freiheit im Netz. Dirk von Gehlen verweist in diesem Zusammenhang auf den Juristen James Boyle, der schon in den 90er Jahren davon sprach, dass eine Umweltbewegung für das Zeitalter des Digitalen notwendig sei. Das Leitthema der Piraten ist demnach nicht von ungefähr der digitale Umweltschutz. In der digitalen Welt sehen sie ihren Lebensraum, den sie – wie einst die Grünen Natur und Umwelt – gegen alles und jeden zu beschützen bereit sind. Aber nicht nur die Piraten sehen darin ihren Lebensraum, es ist auch der Lebensraum der Fische, der Kinder und letztlich auch der Datenschützer. Ich muss kein Pirat sein, um meinen digitalen Lebensraum beschützen zu wollen…

Zurück zu den Privatsphäre-Einstellungen von Facebook: Ich bin Menschen wie Edward Snowden ja ganz dankbar. Das ist der Typ, der den Prism-Überwachungsskandal kaltblütig aufgedeckt hat und nun den digitalen Fruchtzwergen erklären muss, dass sie besser auf ihre Daten aufpassen sollten. Als hätte Mutti das nicht schon längst getan! Aber Butter bei die Fische: Da spioniert also irgend so ein Geheimdienst unsere Daten aus, und wir sollen ruhig bleiben??? Wenn wir unerlaubt im Netz überwacht werden, dann dürfen wir uns auch wehren, etwas Intelligenz kann dabei ja nicht schaden…

Eigentlich bin ich ja ganz froh über die Dauer-Präsenz von Prism in den Medien: Hat nämlich auch einen positiven Nebeneffekt: Sollen sie sich doch alle von Facebook abmelden, die mich mit ihren langweiligen Katzenbildern zu Tode langweilen. (Außnahme: #oscargram!) Dann surfe ich eben alleine mit den medienfischen durchs Netz und hoffe, dass Mark Zuckerberg jetzt wenigstens Zeit hat, meine Mails zu lesen. Außerdem möchte ich noch einmal betonen, dass ich nichts, aber auch gar nichts zu verbergen hab. Außer vielleicht – ach egal.

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