Interview mit Ralf Höcker

Vita:

Ralf Höcker (*1971) ist Rechtsanwalt, Professor für Marken- und Medienrecht, Autor und Fernsehmoderator.
Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Köln und der Promotion zum Dr. jur. folgte am King’s College London ein Masterstudium (LL.M.) in Intellectual Property Law. Im Jahr 2003 Gründung der eigenen Kanzlei HÖCKER Rechtsanwälte, die Unternehmen und Prominente im Medien- und Markenrecht vertritt. Seit 2003 ist Höcker Professor für deutsches und internationales Marken- und Medienrecht an der Cologne Business School und seit 2010 wissenschaftlicher Direktor des dortigen „Deutschen Instituts für Kommunikation und Recht im Internet“ (DIKRI). Darüber hinaus ist er Autor zahlreicher Bücher und Aufsätze auf dem Gebiet des Medienrechts.

Es wird darüber spekuliert, ob uns das Netz zu schlechteren Menschen macht. Aber sind nicht wir Menschen es, die das Internet benutzen? Wenn das so ist, brauchen wir vielleicht eine Kindersicherung für uns selbst?

Ich halte es für kulturpessimistischen Unfug, dass das Internet oder irgendwelche anderen Neuerungen die Menschen schlechter machen. Diese Diskussion wird in immer neuem Gewand seit der Antike geführt. Der Mensch trägt das Gute und das Böse in sich und natürlich ist es richtig, „Sicherungen“ zuallererst bei uns selbst einzubauen.

Menschen haben Angst, dass man ihre Häuser fotografiert. Dabei nutzen viele Menschen, die ich kenne, leidenschaftlich gerne Google-Street-View. Bekämpfen wir am Ende etwas, das uns selbst gefällt?

Ja natürlich, aber das Prinzip ist ja bekannt: Wir wissen alle, dass die Freiheitsrechte der Menschen miteinander kollidieren, denn wer seine eigene Freiheit nutzt, beschränkt damit notwendigerweise die Freiheit anderer. Also muss die Freiheitsausübung nach allgemeingültigen Prinzipien durch klare Grenzen geregelt werden. Diese Grenzen beschränken uns in unserer Freiheitsausübung, aber sie beschützen uns auch vor der Freiheitsausübung anderer.

Es ist nur natürlich, dass Verbrechen im Netz den Verbrechen in der realen Welt ähneln. Es wird jedoch so getan, als ob das Netz nur aus Cybermobbing, Kinderpornografie und Lynchjustiz bestehe. Wer profitiert von dem schlechten Ruf des Netzes?

Ich glaube nicht, dass das Netz vor allem als Spielwiese für Kriminelle wahrgenommen wird. Soweit im Netz Straftaten stattfinden, profitieren davon sowohl die Straftäter als auch die, die die Straftäter bekämpfen und deshalb gebraucht werden.

Im Fall einer Datenauswertung hätte eine Regierung sämtliche Informationen über meine Person. Wie wahrscheinlich ist es, dass irgendwann ein Chip entwickelt wird, der unsere Daten (Krankheiten, Berufserfahrungen, Liebesbeziehungen, Wohnortwechsel, moralische Fehlverhalten) sammelt, speichert und ggf. offenlegt? Und selbst wenn, wäre dies schlimm?

Das ist unwahrscheinlich und wäre schlimm.

Angst ist das Thema unserer Zeit. Warum sind wir Deutschen so ängstlich? Warum brauchen wir immer so lange, bis wir uns an eine mediale Veränderung gewöhnen?

Da sind wir wieder beim Thema Kulturpessimismus, der in Deutschland mit einer tief empfundenen Technik- und allgemeinen Fortschrittsfeindlichkeit einhergeht. In den 90er Jahren wurden Sie angepöbelt, wenn Sie sich einen Anrufbeantworter oder ein Handy anschafften, weil der Besitz solch neumodischen Zeugs auf die Menschen wichtigtuerisch wirkte. In Stuttgart wehren sich die Leute dagegen, dass Gleise unter die Erde gelegt werden. Überhaupt wird jedes Großprojekt aus einem dumpfen Ressentiment gegen alles Neue abgelehnt. Und mediale Veränderungen eignen sich natürlich besonders gut dazu, verteufelt zu werden: Fernsehen, Heim-PCs, Handys, Computer-Spiele und natürlich auch das Internet standen und stehen, weil sie technische Entwicklungen greifbar machen, automatisch unter Gefährlichkeits-verdacht.

Die Urheberrechtsdebatte ist nicht neu. Wie könnte das Netz von Künstlern, Musikfirmen und Endverbrauchern verbessert werden? Oder anders gefragt: Wenn wir einen Medienminister hätten, was könnte er tun?

Wenn ich das wüsste, wäre ich Medienminister.

Sie sind einer der bekanntesten Anwälte und vertreten Prominente, dabei sind Sie durch Ihre Tätigkeit selbst schon fast ein Promi. Gefällt es Ihnen, als „Promianwalt“ bezeichnet zu werden?

Ich finde den Begriff albern und geschäftsschädigend. Es wäre mir lieber, ich würde nicht damit etikettiert.

Ist es nicht so, dass einige Medienanwälte die Medien kritisieren, obwohl sie gleichzeitig von ihnen leben? Passt das ihrer Meinung nach zusammen?

Ja natürlich. Wo soll der Widerspruch sein? Staatsanwälte leben von Straftaten – den Straftaten anderer. Trotzdem kritisieren sie sie zu Recht.

Haben Sie keine Angst, dass Sie als Anwalt nicht mehr ernst genommen werden, wenn Sie sich selbst in den Medien inszenieren. Oder hilft das der Karriere?

Es hilft der Kanzlei, sonst würde ich es nicht machen.

Wie wichtig ist es als Medienanwalt gut vernetzt zu sein?

Es ist für jeden Selbstständigen und wahrscheinlich auch für jeden anderen wichtig, gut vernetzt zu sein. Ich sehe im Vergleich zu anderen Berufsgruppen keinen erhöhten Vernetzungsbedarf  bei Medienanwälten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert