Interview mit Oliver Kucharski

Oliver_KWer bist du und was machst du?
Ich heiße Oliver Kucharski, bin 35 Jahre alt und Redaktionsleiter Digital beim NEON Magazin. Mit meinem Team bin ich verantwortlich für Webseite, Community, Blog, eMagazine, Apps, Social Media und ganz allgemein das Zusammenspiel zwischen Magazin und Community. Auf allen anderen Plattformen außerhalb von NEON heiße ich @karummms


Dein aktueller Fang?

Zeitlos schön: Unser Redaktionstumblr, auf dem jeden Morgen festgehalten wird, wie Social-Media-Redakteur Onur Yildirancan um Punkt zehn Uhr das Büro betritt. Ich habe dem Projekt anfangs maximal zwei Wochen gegeben, die Kollegen ziehen das allerdings sehr ausdauernd durch, vor ein paar Wochen haben wir unseren ersten Tumblr-Geburtstag gefeiert. Ich glaube, dass der Grimme Online Award nur eine Frage der Zeit ist.

Wie sollte eine journalistische Grundausbildung 2.0 deiner Meinung nach aussehen?
Ich finde, dass man auch mit den Inhalten der journalistischen Grundausbildung 1.0 noch recht viel erreichen kann. Die wahrscheinlich wichtigste Eigenschaft ist nach wie vor Neugier – auf Menschen und Geschichten, klar, aber auch auf neue Erzählformen, Technologien und Tools, auf veränderte Lesegewohnheiten, den Medienwandel, auf Veränderung ganz allgemein. Und diese Neugier muss man sich erhalten, auch für später, das ist wahrscheinlich das Schwierigste. Dazu kommt die Fähigkeit, Dinge einordnen und beurteilen zu können; der Überblick, Relevantes von Irrelevantem zu trennen; die Kompetenz, eine Geschichte in der richtigen Form auf dem richtigen Kanal zu erzählen – alles eigentlich ganz klassische Anforderungen, wahrscheinlich dieselben wie vor zehn, zwanzig Jahren auch. Wenn man dann noch etwas Begeisterung und Ausdauer mitbringt, wird man sicher auch künftig ganz gut dastehen.

Wie wichtig ist für eure Redaktion der Austausch mit den Lesern? Welche Rolle spielt die Community?
Wir haben schon immer auf einen regen Austausch zwischen Redaktion und Leserschaft geachtet. NEON hat ja diesen Begriff des „Lebensgefühljournalismus“ geprägt, die Lebenswelt der Redaktion muss zur Lebenswelt der Leser passen, und dafür ist es wichtig, dass wir uns intensiv mit unseren Lesern austauschen. Das tun wir seit mittlerweile zehn Jahren Tag für Tag: Mit dem Start des Magazins wurde mit NEON.de eine eigene Community gestartet, in der die NEON-Leser eigene Texte schreiben, eigene Bilder posten, eigene Themen setzen konnten. Daneben gibt es mit Facebook, Twitter oder Tumblr andere Communities, die für uns ebenso wichtig sind. Im Idealfall ist die Community – egal ob auf NEON.de oder auf Facebook – der Ausgangspunkt für eine Geschichte, die wir im Magazin aufgreifen und die sich danach in der Community weiter entwickelt.

Auf welche Entwicklung bist du derzeit besonders stolz?
Zum zehnjährigen NEON-Jubiläum haben wir Magazin, Community und Blog komplett überarbeitet und alles gemeinsam in einer App aufs Tablet gebracht. Man kann NEON jetzt auf dem iPad lesen, direkt im eMagazine Fragen der Redaktion beantworten, eigene Kommentare schreiben und neben dem eMag auch das Blog und die Community nutzen. Das Magazin war schon immer sehr crossmedial, wir haben die Leser auch vor zehn Jahren schon überall im Heft aufgefordert, im Netz mitzumachen; Inhalte aus der Community wurden an vielen Stellen im Heft integriert; zwischen Print und Online, Redaktion und Leserschaft ging es schon immer hin und her. Jetzt geht das alles auf einem Gerät, in einer App, ohne Medienbruch. Darüber sind wir sehr froh.

Wir wollen mit dir über die Chancen des Netzes sprechen: Die Branche befindet sich seit einiger Zeit im Wandel: Was wird am Ende bleiben?
Was bleiben wird, ist eindeutig die spannendere Frage als die vielen Diskussionen darüber, wie sich die Branche jetzt unbedingt und dringend ändern muss, diese aufgeregten Thesenpapiere und Tool-Auflistungen finde ich manchmal etwas ermüdend. Also, was bleibt: Ausreichend viele Menschen werden ganz sicher auch künftig ein Interesse an Information und Unterhaltung haben, an Einordnung, Aufklärung, Meinung, an Relevanz; viel mehr noch als jetzt auch an Filterung, am Weglassen von Irrelevantem. Sie werden ebenso sicher auch künftig bereit sein, Geld dafür zu bezahlen – und die Werbewirtschaft wird auch künftig daran interessiert sein, im Umfeld starker Marken präsent zu sein. Das ist doch schon mal eine ganze Menge, woran man sich orientieren kann. Über welche Kanäle, in welcher Form, auf welchen Geräten, in welchen Modellen – das wird sich alles finden.

Eines Tages werden vielleicht nicht nur Kühlschränke, sondern auch menschliche Körper an das Netz angeschlossen. Macht dir diese Entwicklung Angst?
Jede neue Technologie bringt neue Möglichkeiten und neue Risiken mit sich, ich habe mich bislang eigentlich immer mehr für die Möglichkeiten interessiert und darauf vertraut, dass sich für die Risiken schon Lösungen finden werden. Daher: Nein, diese Entwicklung macht mir überhaupt keine Angst. Und mein Jawbone-Band, mit dem ich meine täglichen Schritte zählen kann, und durch das ich deutlich mehr laufe als früher, möchte ich z.B. überhaupt nicht mehr missen.


Welche technische Veränderung würde deine Arbeit in der Redaktion aktuell erleichtern?

Die Möglichkeit, Inhalte unkompliziert in vielen verschiedenen Formen optimal auf viele verschiedene Plattformen zu bringen. Dafür dann bitte noch ein einfaches und funktionierendes Bezahlsystem. Und wenn es geht, am besten alles schon morgen.

Bist du – was den Stand der digitalen Möglichkeiten angeht – verwirrt oder glücklich?

Unverändert glücklich und unverändert gespannt.

(Fotograf: Julian Baumann)

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