Interview mit Johannes Thielmann

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Der Nachwuchs-Regisseur, Produzent und Autor Johannes Thielmann (*1981) ist geschäftsführender Gesellschafter der Berliner Produktionsfirma Futur Film GmbH & Co.KG. Er wurde mit seinen Kurzfilmen „Nachtmusik“ (mit Katja Riemann) und „Acting“ (mit Maria Schrader) für den Deutschen Kurzfilmpreis und für sein Drehbuch „Im Augenblick der Liebe“ für den deutschen Drehbuchpreis vorgeschlagen. Dieses Buch will er nun als sein Langfilmdebüt mit den Schauspielern Bettina Zimmermann, Bruno Eyron, Hannes Jaenicke und Sina Tkotsch verfilmen und auch mit Hilfe von „Crowdfunding“ über das Internet finanzieren.

Meine persönlichen Daten werden gesammelt, auch wenn ich mich nicht aktiv durch das Netz klicke. Muss mir das Angst machen?

Sicherlich bin ich da naiv, aber ich weiß immer noch nicht so ganz, wo das Problem liegt, wenn mein Drogeriemarkt weiß, wann ich Butter gekauft habe oder mir auf Grund meines Geschlechts Bierwerbung statt Dessousgutscheine ins Postfach geschickt werden. Immerhin haben sie noch nicht rausgefunden, dass ich gar keinen Alkohol trinke. Anders verhält es sich natürlich bei ärztlichen Untersuchungsergebnissen oder einem Einkauf bei Beate Uhse. Ich sehe das Problem nicht darin, dass meine Daten gesammelt werden, sondern darin, wer sie einsehen und verwenden darf. Dienen sie der Diffamierung oder der Verbrechensbekämpfung?

„Das Netz vergisst nichts.“ Ist es diese Aussage, die uns beim Eintritt in die virtuelle Welt Unbehagen verursacht?

Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass die virtuelle Welt ebenso öffentlich ist wie der Markplatz. Ich sehe es auch eher als virtuelles Dorf. Wenn ich meinen Freunden mittags was erzähle, weiß es abends auch der Nachbar. Dementsprechend sollte man sich verhalten. Dennoch bin ich ein Befürworter des „Vergessens“. Aus Fehlern lernt man am besten. Aber wenn ich durch Google-Suchergebnisse heute noch immer auf einen Fehler meiner Jungend reduziert werde, dann überlege ich mir zwei Mal, ob ich wirklich etwas lernen will.

Häufig wird von „der Netzgemeinde“ gesprochen. Gibt es eine solche Netzgemeinde noch?

Ehrlich gesagt weiß ich nicht so ganz, wer diese „Netzgemeinde“ sein soll. Wenn es die Bewohner des von mir beschriebenen virtuellen Dorfs sein sollen, dann gibt es sie noch – und die sind so unterschiedlich wie die Fussgänger auf der Einkaufsmeile.

Wenn wir einen Medienminister hätten, auf welcher Seite müsste er stehen: Auf der Seite derer, die die Freiheit im Netz für sich reklamieren, oder auf der Seite derer, die einen verbesserten Persönlichkeitsschutz fordern?

Die meisten Probleme entstehen doch durch Anonymität. Seine Meinung zu äußern, sollte auch bedeuten, sie verteidigen zu müssen/dürfen. Anonymität schützt vor Konsequenzen. Und leider gibt es in jeder Gesellschaft Menschen, die ohne Nummernschild innerorts 180 fahren würden.

Zur Urheberrechtsdebatte im Netz: Könnten Sie sich Vergütungsmodelle vorstellen, mit denen sowohl Autoren und Künstler als auch Mediennutzer gut leben können? Oder muss man die Regeln der realen Welt einfach auf die virtuelle Welt 1:1 übertragen?

Wenn man Kultur möchte, dann muss man sie sich leisten. Und Kunst hat einen ganz realen Preis. Man kann sich darüber streiten, ob sich das Tagesprogramm im Privatfernsehen nicht auch ein betrunkener Schimpanse ausdenken könnte, aber gute Filme herstellen oder tolle Musik machen kann eben nicht jeder. Im Anbetracht der steigenden Onlinenutzung sollten Künstler also auch dort angemessen bezahlt werden. Vergütungsmodelle müssen dringend her. Freibier ist nur so lange toll, bis es alle ist.

Der „Stromberg-Kinofilm“, „Hotel Desire“ und „Iron Sky“ wurden bereits mit Crowdfunding finanziert. Gibt es Alternativen zu Startnext in Deutschland?

Alle drei genannten Filme haben die Herstellung durch eigene Crowdfunding-Konstruktionen finanziert. Soweit ich informiert bin hat „Iron Sky“ lediglich einen kleinen Teil seiner Postproduktion über Startnext finanziert. Das Portal kann ich nur empfehlen. Es ist durch sein „All-or-Nothing“-Prinzip jedoch für eine Anschubfinanzierung nicht geeignet.

Mit wie viel Geld müsste ich mich beteiligen, damit ich eine Rolle in Eurem Film spielen darf. Gab es für diese ungewöhnliche Finanzierungs- bzw Besetzungsmethode bereits öffentliche Kritik?

Filmrollen sind bei uns nicht käuflich. Qualität liefert allein die schauspielerische Leistung und nicht der Kontostand. Wir haben als Teil eines Incentivepaketes lediglich die Mitwirkung als Komparse angeboten. Wir ermöglichen Branchenfremden durch Vorortbetreuung bevorzugte Einblicke in die Setarbeit, die Darsteller persönlich kennenzulernen und als Erinnerung neben ihnen vor der Kamera zu stehen.

Kritik gab es ausschließlich von ein paar Leuten innerhalb der Branche. Ich vertrete den Standpunkt, dass alle Filmschaffenden für ihre Arbeitsleistung gerecht bezahlt werden müssen. Dafür muss aber auch genügend Geld vorhanden sein und in unserem Fall ist es das nicht. Auch die bisher erhaltene Filmförderung muss bei Drehbeginn zurückgezahlt werden. „Im Augenblick der Liebe“ ist ja keine Auftragsproduktion, für die wir zu Lasten der Mitwirkenden das günstigste Angebot abgeben haben, sondern ein unabhängig finanzierter und entwickelter Film, der es aus unserer Sicht wert ist, auf die Leinwand zu kommen. Kritik ist berechtigt, aber wir sind die falsche Baustelle.

Abgesehen davon machen sich die wenigsten Filmschaffenden Gedanken darüber, wie in Deutschland Filme überhaupt finanziert oder besser unterfinanziert werden. Alternative Methoden sind dringend notwendig und in Anbetracht der dramatischen wirschaftlichen Situation der Branche sollte jedes Mittel auf den Prüfstand.

Ist die Finanzierungsmethode des „Crowdfundings“ nicht ein Hype, der vorüberzieht – Es werden immer öfter Stimmen laut, Crowdfunding sei nur etwas für Kurzfilme?

Ja, ich halte es für einen Hype. Und es wird noch dauern bis sich die Fundingmentalität  hierzulande darauf einstellt, auch in der Masse Beträge jenseits von Kurzfilmbudgets zu stemmen. Das es möglich ist, hat „Stromberg“ eindrucksvoll bewiesen.

Wir setzen eher auf Crowdinvestment, also die Möglichkeit gegen eine Gewinnbeteiligung in den Film zu investieren. Dazu haben wir eine Website eingerichtet: futurfilm.de/invest. Wir führen gerade sehr aussichtsreiche Gespräche, konkretisieren werden wir aber erst wenn alles unter Dach und Fach ist.

Was passiert mit meinem Geld, wenn der Film letztendlich doch nicht realisiert wird?

Wie bei jedem fairen Geschäft erhält der Kunde bei Nichterfüllung sein Geld zurück.

Ein Gedanke zu „Interview mit Johannes Thielmann

  1. Haik

    Cooles Interview. Ich hab damals die Diskussion bei Crew United mitbekommen. Die ganzen Kritiker haben Null Ahnung von Finanzierung. Die meisten Schauspieler und Crewleute legen sich ins gemachte Bett und wenn die Kohle knapper wird fangen sie an zumeckern, anstatt sich zu überlegen was man ändern kann oder sich zu freuen das überhaupt jemand versucht was Neues zu machen. Als Filmschaffender erlaube ich mir das zu sagen. Keep Going.

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