Interview mit Christoph Koch

Christoph_KochWer bist du und was machst du?

Mein Name ist Christoph Koch aber das steht sicherlich auch schon oben drüber. Ich arbeite als Journalist, Buchautor und Vortragsredner. Als Journalist schreibe ich hauptsächlich für NEON, brand eins, das SZ-Magazin, GQ und ein paar andere. 2010 hatte ich zur richtigen Zeit die richtige Idee und mein Buch „Ich bin dann mal offline“ über das Leben ohne Internet und Handy wurde ein SPIEGEL-Bestseller. Das Genre Selbstversuchsbuch gefiel mir so gut, dass ich mit „Sternhagelglücklich“ gleich noch einen zum Thema Glück veröffentlichte und im Herbst mit „Chromosom XY ungelöst“ dem Thema Männlichkeit im Selbstversuch auf den Grund gehen werde. Vorträge halte ich über die Themen meiner Bücher, aber auch über andere Dinge wie Work/Life-Balance, Zukunft der Arbeit oder Selbstvermessung durch „Quantified Self“.

Dein aktueller Fang?

Mein Blog www.christoph-koch.net gibt es schon ein paar Jahre, aber am Anfang war es eigentlich ausschließlich ein Archiv für Artikel, die ich bereits anderswo veröffentlicht hatte. Eine Art Museum für Christoph-Koch-Fans also, mit entsprechend überschaubaren Zugriffszahlen. Vor gut einem Jahr habe ich dort aber die Rubrik „Mein Medien-Menü“ ins Leben gerufen. Dort verrät wöchentlich eine Person, die ich für interessant halte, was er oder sie gerne liest. Wie sie den Überblick behalten in einem Meer von Informationen. Welche Leserituale, Lieblingsautoren oder Apps sie haben, die ihnen beim Sichten, Sortieren und Lesen helfen. Was sie beruflich lesen oder ob sie eine Lieblingsradiosendung haben und so weiter und so fort. Die Resonanz ist sehr gut, angeblich plant ein Kollege sogar bereits eine Persiflage auf das Format. Mehr Lob geht ja kaum.

Hast du manchmal Angst, dass deine Ideen im Netz geklaut werden?

Die Idee mit dem Medien-Menü habe ich mir ja selbst gewissermaßen vom Magazin „The Atlantic“ ausgeborgt, die eine ähnliche Rubrik auf englisch haben. Und mit berühmteren Leuten. Madeleine Albright. Ich kriege ja nicht mal diesen vermaledeiten Mario Sixtus ans Telefon. Generell habe ich keine Angst, dass mir Ideen im Netz geklaut werden. Im Gegenteil, durch Veröffentlichung dokumentiert man ja eine Idee. Vor der letzten Bundestagswahl hatte ich die Idee, die Wahlprogramme der Parteien als Wortwolken darzustellen. Das haben ein paar Wochen später Dutzende Webseiten und Zeitungen auch gemacht. Haben die alle bei mir geklaut? Ich glaube, damit macht man es sich zu einfach. Manchmal liegen Ideen einfach in der Luft. Und hätte ich meine Wortwolken nicht veröffentlicht, wäre ja auch nichts gewonnen gewesen. Ich würde jetzt vielleicht nicht unbedingt das Thema, Titel und Kernthesen meines nächsten Buchs verraten, wenn ich weiß, dass ich noch zwei Jahre brauche, bis es erscheinen kann. Aber sonst mache ich mir da wenig Sorgen.

Was muss jemand machen, damit du ihm auf Tumblr folgst?

Es mir vernünftig erklären. Ich gucke immer mal wieder rein und staune – aber wirklich nutzen, mit Selberposten und Rebloggen und wie die jungen Leute das nennen? Eher nicht. Meine Hoffnung ist, dass Tumblr durch den Yahoo-Kauf in der Bedeutlungslosigkeit der Uncoolness verschwindet und ich beim nächsten neuen Ding wieder von Anfang an mitgaloppieren kann. Und so tun, als sei mein Abgehängtsein bei Tumblr nie passiert.

Ohne welche Netz-Zeitung könntest du nicht leben?

Twitter. Ich bin seit gut vier Jahren dabei und die ersten zwei waren schlimm öde. Dann hatte ich irgendwann die richtige Mischung aus Leuten gefunden, die mir jetzt einen guten Mix aus allem in die Timelines spülen, was ich lesen will. Lange Reportagen und kleinteiligen Medienbranchenkram. Leitartikel vom Prantl und Corgi-Fotos von Buzzfeed. Gute Analysen des Buchmarkts oder aus dem Silicon Valley, abgewechselt von Bonmots wie diesem hier.
Ergänzt wird der Twitterstrom, in den ich so reindippe, durch meinen RSS-Reader. Der brauchte ähnlich lang, bis er gut konfiguriert war, wird aber im Gegensatz zu Twitter sehr sorgfältig durchgearbeitet. (Kleine Durchsage an alle, die klagen, dass man bei RSS ja nicht nachkäme und all die ungelesenen Beiträge seinen ach so frustrierend: Dann halt nicht unbedingt „Spiegel Alles“ und andere Seiten mit Dutzenden Beiträgen pro Tag abonnieren. RSS macht am meisten Sinn für gute aber kleine Blogs, die nur alle paar Tage was veröffentlichen, das man sonst aber leicht verpassen würde.)

Würde deiner Meinung nach eine Crowdfunding-Plattform nur für Bücher Sinn machen?

Glaube nicht, dass eine solche Beschränkung sinnvoll wäre. Wäre ein eBay nur für Bücher besser als eines, auf dem man alles findet? Mir fällt zumindest spontan nicht ein, warum das so sein sollte. Mir ist aber auch Facebook oder das Hybridauto nicht eingefallen. Muss also nix heißen.

Warum hast du eigentlich noch einen Verlag? Wie wäre es mit Selfpublishing und Crowdfunding?

Ich denke immer wieder darüber nach, bin mir aber momentan sicher, dass ich mit meinem Verlag (Blanvalet, mit dem ich sehr gerne zusammenarbeite), mehr Leute erreichen kann, als als Einzelkämpfer. Dazu kommt, dass ich mich beim Selfpublishing um viele Dinge kümmern müsste (Produktion,Coverdesign und Lektorat beauftragen, Logistik, Social-Media-Dauerfeuer in der Fundingphase, etc.) die ich nur mittelgern tue und vermutlich auch nur mittelgut kann. Ich finde es aber großartig, dass es Selfpublishing und Crowdfunding gibt und vielleicht kommt eines Tages der Punkt, an dem es das richtige für mich ist. Selbst unterstützt habe ich bei Crowdfunding auch schon einiges, allerdings seltener Bücher, häufiger Dokumentarfilme und Musik. Aber das lag eher an den konkreten Themen als an der Form.

Über welche Eigenschaften muss jemand verfügen, damit du ihn in dein Medienmenü aufnimmst? Berufserfahrung? Leidenschaft? Erfolg?

Da gibt es keine sonderlich harte Tür: Bisher habe ich alle Leute aufgenommen, die mich gefragt haben, ob sie mir eins schreiben dürfen. Bei denen, die ich selbst anfrage, ist es so eine Mischung aus Interessantheit und persönlichem miteinander Bekanntsein. Letzteres erhöht die Chancen ungemein, dass jemand sich unentgeltlich zwei bis drei Stunden hinsetzt und aufschreibt, was er so liest. Denn die meisten sagen hinterher, es sei komplizierter und langwieriger gewesen, als sie vorher gedacht hätten. Berufserfahrung und Erfolg sind eigentlich keine Kriterien, die mich bei der Auswahl interessieren. Ich hoffe eher auf Leute, die die bisherigen Folgen lesen und dann – selbst wenn sie wirklich keine Podcasts hören – origineller sind als als fünfzigste den Satz zu schreiben „Also mit Podcasts kann ich irgendwie nichts anfangen.“ Wer mitmachen und sein Medien-Menü aufschreiben will – oder jemanden weiß, dessen Menü er gerne lesen würde – kann sich gerne bei mir melden.

Was sind für dich die 5 Chancen der Digitalisierung – bezogen auf den Buchmarkt?

Chancen für wen? Für die Verlage? Die Autoren? Die Leser? Alle zusammen? Ach egal, ich versuch’s mal rundum:
• Bessere Verfügbarkeit von alten, vergriffenen, nischigen Titeln
• Volltextdurchsuchbarkeit (nie mehr blättern und fluchen, weil man eine Stelle nicht mehr findet)
• Neue Formate (also im Idealfall nie mehr eine gute These gewaltsam auf 220 Druckseiten ausgewalzt lesen müssen, sondern binnen 40 eBook-Seiten auf den Punkt gebracht, die sich ebengedruckt nie „gerechnet“ hätten)
• Durch eReader und deren Cloud-Synchronisierung: ein besseres Verständnis, was die Leser wirklich lesen, was sie nur ins Regal stellen, an welchen Stellen sie aussteigen, was sie anstreichen etc. – hier habe ich ein wenig mehr dazu
geschrieben .
• Bei überraschenden Zugausfällen, Wartezeiten auf dem Amt, etc. nie mehr ohne Buch dastehen.

Bist du – was den Stand der digitalen Möglichkeiten angeht – verwirrt oder glücklich?

Ganz klar: Beides.

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