Kategorie-Archiv: Netzgespräche

Interview mit Ole Reißmann

Ole ReißmannWer bist du und was machst du?

Ich bin Ole Reißmann, arbeite als Redakteur bei Spiegel Online im Ressort Netzwelt und finde Dinge heraus. Außerdem machen ich Internet-Sachen: Bloggen, Twittern, das Netz erklären. Gerade habe ich im Wintersemester an der Universität Hamburg Nachwuchs-Journalisten unterrichtet.

Dein aktueller Fang?

Wir berichten seit mehr als einem halben Jahr über die Enthüllungen, die durch Edward Snowden möglich wurden. Für mein Ressort die größte Geschichte seit Jahren. Wenn mich Freunde fragen, warum ich mich die letzten Monate so wenig gemeldet habe, schicke ich ihnen diese Infografik: http://spon.de/ad6MD

Wir medienfische haben in unseren ersten Interviews vor einem Jahr unsere Interviewpartner gefragt, ob wir einen Medien- (oder Internetminister) in Deutschland brauchen. Damals hat sich niemand wirklich dafür interessiert. Woran liegt es, dass jetzt diese öffentliche Debatte angekommen ist, ob wir einen Internetminister brauchen?

Wenn Politiker die NSA-Affäre aussitzen wollen oder ein Provider falsche Flatrates verkauft, dann fällt das mehr Menschen auf, weil mehr Menschen das Internet nutzen und sich damit immer besser auskennen. Ich glaube, es wird immer deutlicher, was alles nicht passiert: Der Breitbandausbau wird verschlafen, die Netzneutralität ist in Gefahr, vom Schutz privater Daten kann oft keine Rede mehr sein und so weiter. Fünf Ministerien kümmern sich irgendwie ein bisschen ums Digitale.

Butter bei die Fische: Brauchen wir einen Internetminister?

Klar brauchen wir den. Ein voll ausgestattetes Ministerium bedeutet ja, dass sich Hunderte Mitarbeiter um diese Themen kümmern können. Dann könnte es wirklich eine Digitale Agenda geben, also einen Plan, wie der Staat auf die Herausforderungen der Digitalisierung reagiert. Ich glaube, die Auswirkungen sind gravierender, als es die existierenden Institutionen gerne hätten. Ich weiß aber auch, dass einige Netzaktivisten lieber kein Ministerium wollen, aus Angst, das könnte dann womöglich von der Union besetzt werden und das sei dann schädlich für die Freiheit im Netz. Aber letztlich geht es doch auch um politischen Streit.

Kann man die Piraten mit den Grünen vergleichen? Die Grünen haben damals einen Umweltminister ins Spiel gebracht. Sind die Piraten in dieser Sache überhaupt noch _wichtig_?

Tja. Ich habe eine Zeit lang über die Piratenpartei geschrieben. Anfangs sah es ein bisschen so aus, oder? Aber dann haben die Piraten offenbar beschlossen, allen zu zeigen, warum Politik besser doch nicht von sozial überforderten Foristen gemacht werden sollte. Ich würde sagen, die Piraten waren wichtig, denn nun sind die anderen Parteien aufgewacht. Wozu das letztlich geführt hat und wie ernst Netzpolitik oder die Öffnung von Parteistrukturen genommen wird, ist wieder eine andere Frage.

Nach Prism und Tempora: Wir Fische kennen uns noch nicht so wirklich mit Verschlüsselung aus. Was rätst du uns?

Einfach mal anfangen. Mit E-Mails und Chats geht das einigermaßen einfach, dafür gibt es Anleitungen und Cryptopartys. Aber machen wir uns nichts vor: Wenn jemand dringend unsere Kommunikation ausspähen will und die Ressourcen eines Geheimdienstes hat, dann schafft er das wohl auch. Aber wenn man verschlüsselt, macht man es Angreifern schwerer: Sie müssen einen dann direkt angehen und können nicht einfach nur ein großes Schleppnetz auswerfen. Wir haben alle etwas zu verbergen, und wir können Whistleblowern, Anwälten, Ärzten, Seelsorgern, Journalisten helfen, wenn wir verschlüsseln.

Warum heißt es eigentlich Netzpolitik – und nicht Medienpolitik? Das Wort „Medienpolitik“ hört man nicht mehr so oft. Woran liegt das?

Medienpolitik gibt es einfach schon ein paar Jahrzehnte, ein klassisches Politikfeld, hinter dem viel Länderpolitik steckt: die Regulierung des Rundfunks, Jugendschutz und Tagesschau-App. Das Internet hat dieses Politikfeld auf den Kopf gestellt, auch wenn die Institutionen das noch nicht ganz gemerkt haben. Netzpolitik ist mehr als Medienregulierung.

Anonymous ist für dich eine Gruppe, die …

Nein, keine Gruppe, mehr ein Protestlabel mit ein paar Grundannahmen. Anonymous ist für mich eine neue soziale Bewegung, die eng mit dem Internet und der Chankultur verwoben ist, der Forensubkultur, und die nun weltweit in Erscheinung tritt. Ich habe mit meinen Kollegen vor zwei Jahren ein Buch über Anonymous geschrieben, seitdem ist viel passiert: Ein wichtiger Hacker war FBI-Informant, mehr als ein Dutzend Aktivisten stehen für den Sitzstreik gegen PayPal vor Gericht. Die “New York Times” hat gerade in ihrem Magazin ausführlich über neue Entwicklungen berichtet.

Wenn du Netzwelt-Forscher wärst und dafür sehr viel Geld für eine Forschung bekommen würdest, an was würdest du aktuell länger forschen wollen?

Wie kommen die zwei Drittel der Weltbevölkerung online, die bisher das Internet nicht nutzen? Will man die kühnen Ideen wirklich Facebook und Google überlassen? Und wie kann das Internet geschützt werden vor Manipulation durch Regierungen und Umbauversuche durch Unternehmen?

Bist du – was den Stand der digitalen Möglichkeiten angeht – verwirrt oder glücklich?

Glücklich verwirrt. Es passiert gerade so viel auf der Welt, mit und durch das Netz. Revolution ist noch gar nicht der richtige Ausdruck dafür. Kann schon sein, dass man die Bedeutung der Zeit, in der man lebt, gerne überbewertet und sich damit selbst überhöht. Trotzdem scheint mir das gerade alles sehr aufregend und voller interessanter Widersprüche zu sein.

Interview mit Thomas Knüwer

KnüwerT_SWWer bist du und was machst du?
Ich bin Thomas Knüwer, Gründer der digitalen Strategieberatung kpunktnull sowie Editor at Large des Internet Magazins. Außerdem blogge bei Indiskretion Ehrensache über Medien und Marketing sowie bei Gotorio über Reisen, Essen und Wein.

Dein aktueller Fang?
Flirtey, das ist ein australisches Startup, das Sachbücher mit Drohnen ausliefern möchte – die befinden sich jedoch noch in der Testphase. Wo es mir begegnet ist? In meiner Lieblings-App: Zite.

Seit wann bist du im Internet aktiv?
Im Internet aktiv bin ich seit 1992, damals noch zu Studienzwecken. Ich habe es als Recherche für das Studium genutzt, damals gab es aber noch kein World Wide Web und zum Surfen (was man damals noch nicht so nannte) musste ich in den PC-Pool des Fachbereis Wirtschaftswissenschaften der Uni Münster.

Welchen Grund gab es für dich, „Indiskretion Ehrensache“ ins Leben zu rufen?
Das steht auch im ersten Artikel in Indiskretion Ehrensache. Die Idee kam mir an einem Silvesterabend – ein spontaner Neujahrsvorsatz.

Wir haben gerade vom „Internet Magazin“ erfahren. Was ist anders im Vergleich zu anderen Internetmagazinen?
Ich glaube, dass wir eine Positionierung gefunden haben, die es so bisher nicht gibt. Es handelt sich ja um ein Wirtschaftsmagazin; daher richtet es sich an Leute, die sich beruflich mit dem Internet befassen und ein professionelles Informationsbedürfnis haben. Natürlich gibt es das t3n-Magazin, das ich persönlich auch sehr schätze, aber es ist – das muss man an der Stelle auch sagen – eben sehr „nerdig“ oder, um es mit anderen Worten zu sagen, sehr speziell. Dann gibt es noch „Werben und Verkaufen“ oder „Horizont“. Beide haben eher den Werber-Blickwinkel. Wirtschaftsorgane wie „Manager Magazin“ oder „Handelsblatt“ dageben berichten zu wenig – und grundsätzlich fortschrittspessimistisch und digitalskeptisch. Am 22. November kommt die erste Printausgabe auf den Markt. Die Internetseite ist unter www.intmag.de online, ebenso sind wir auf Facebook und Twitter erreichbar.

Du hast in einem Blogeintrag geschrieben: „Springer will nicht nur sich selbst digitalisieren sondern zeitgleich auch noch möglichst viel Geld aus dem Niedergang der anderen Verlage ziehen.“ Kannst du das nochmals kurz erklären?
Durch die Konstruktion der Übernahme macht sich Springer per Gemeinschaftsunternehmen mit Funke zum Dienstleiter der sterbenden Zeitungsbranche.

Dein Fazit zur Springer-Online-Vorgehensweise?
Springer entfernt sich stückweise im Journalismus als Kerngeschäft. Es bleiben noch zwei große Marken – Bild und Welt – mit ihren Submarken. Doch Journalismus ist nicht mehr der Konzernfokus. Strategisch ist das nicht zu bemängeln, man sollte sich dann aber auch nicht aufspielen als Retter der Mediennation. Und man sollte sich deshalb aus allen Debatten zurückziehen, wie beispielsweise der über das Leistungsschutzrecht. Nokia spricht ja heute auch nicht mehr für

die Gummistiefelhersteller.

Welche Strategie/Lösung siehst du (dauerhaft) für das Bezahlen im Internet?
Also eines ist klar: „Die“ ultimative Lösung gibt es nicht. Es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass die Leute nicht bereit sind für Inhalte zu bezahlen. Die Menschen zahlen weltweit einiges für Inhalte: Sie zahlen für Musik, für Filme, für Bücher. Sie zahlen jedoch nicht für Nachrichten-Inhalte. Zum einen, weil sie erst nach dem Konsum eines Nachrichteninhaltes beurteilen können, ob dieser ihren Qualitätsansprüchen genügte – denn die Qualität von Nachrichteninhalten unter einer Marke schwankt massiv. Zum anderen wissen sie aber auch, dass sie diesen Inhalt exakt einmal konsumieren. Und dafür gibt es dann keine Zahlungsbereitschaft. Früher wurde die Nachrichtenlage zusammengefasst, auf Papier gedruckt und vor die Haustür gelegt – das war eine andere Dienstleistung, für die Menschen zahlen wollten. Doch ist diese Leistung eben im digitalen Zeitalter nicht mehr wettbewerbsfähig. Darüber hinaus gilt: Die Refinanzierung von Journalismus über Online-Werbung funktioniert.

Was sagst du zu Leuten in 3 Sätzen, die in erster Linie die Risiken des Netzes betonen? Fängst du an zu diskutieren?
Ich diskutiere ja gern. Meist stellt sich dann heraus, dass jene Personen von Vorurteilen getrieben sind, die genährt werden von der Berichterstattung der

klassischen Medien in Deutschland. Letztlich gilt: Das Internet ist so gut und so schlecht wie die Menschen, die es benutzen. Oder anders formuliert: Das Internet ist eine Technologie und ist nur so gut und nur so schlecht wie ihre Anwender.

Bist du – was den Stand der digitalen Möglichkeiten angeht – verwirrt oder glücklich?
Ich bin glücklich. Verwirrt bin ich nicht.

Interview mit Oliver Kucharski

Oliver_KWer bist du und was machst du?
Ich heiße Oliver Kucharski, bin 35 Jahre alt und Redaktionsleiter Digital beim NEON Magazin. Mit meinem Team bin ich verantwortlich für Webseite, Community, Blog, eMagazine, Apps, Social Media und ganz allgemein das Zusammenspiel zwischen Magazin und Community. Auf allen anderen Plattformen außerhalb von NEON heiße ich @karummms


Dein aktueller Fang?

Zeitlos schön: Unser Redaktionstumblr, auf dem jeden Morgen festgehalten wird, wie Social-Media-Redakteur Onur Yildirancan um Punkt zehn Uhr das Büro betritt. Ich habe dem Projekt anfangs maximal zwei Wochen gegeben, die Kollegen ziehen das allerdings sehr ausdauernd durch, vor ein paar Wochen haben wir unseren ersten Tumblr-Geburtstag gefeiert. Ich glaube, dass der Grimme Online Award nur eine Frage der Zeit ist.

Wie sollte eine journalistische Grundausbildung 2.0 deiner Meinung nach aussehen?
Ich finde, dass man auch mit den Inhalten der journalistischen Grundausbildung 1.0 noch recht viel erreichen kann. Die wahrscheinlich wichtigste Eigenschaft ist nach wie vor Neugier – auf Menschen und Geschichten, klar, aber auch auf neue Erzählformen, Technologien und Tools, auf veränderte Lesegewohnheiten, den Medienwandel, auf Veränderung ganz allgemein. Und diese Neugier muss man sich erhalten, auch für später, das ist wahrscheinlich das Schwierigste. Dazu kommt die Fähigkeit, Dinge einordnen und beurteilen zu können; der Überblick, Relevantes von Irrelevantem zu trennen; die Kompetenz, eine Geschichte in der richtigen Form auf dem richtigen Kanal zu erzählen – alles eigentlich ganz klassische Anforderungen, wahrscheinlich dieselben wie vor zehn, zwanzig Jahren auch. Wenn man dann noch etwas Begeisterung und Ausdauer mitbringt, wird man sicher auch künftig ganz gut dastehen.

Wie wichtig ist für eure Redaktion der Austausch mit den Lesern? Welche Rolle spielt die Community?
Wir haben schon immer auf einen regen Austausch zwischen Redaktion und Leserschaft geachtet. NEON hat ja diesen Begriff des „Lebensgefühljournalismus“ geprägt, die Lebenswelt der Redaktion muss zur Lebenswelt der Leser passen, und dafür ist es wichtig, dass wir uns intensiv mit unseren Lesern austauschen. Das tun wir seit mittlerweile zehn Jahren Tag für Tag: Mit dem Start des Magazins wurde mit NEON.de eine eigene Community gestartet, in der die NEON-Leser eigene Texte schreiben, eigene Bilder posten, eigene Themen setzen konnten. Daneben gibt es mit Facebook, Twitter oder Tumblr andere Communities, die für uns ebenso wichtig sind. Im Idealfall ist die Community – egal ob auf NEON.de oder auf Facebook – der Ausgangspunkt für eine Geschichte, die wir im Magazin aufgreifen und die sich danach in der Community weiter entwickelt.

Auf welche Entwicklung bist du derzeit besonders stolz?
Zum zehnjährigen NEON-Jubiläum haben wir Magazin, Community und Blog komplett überarbeitet und alles gemeinsam in einer App aufs Tablet gebracht. Man kann NEON jetzt auf dem iPad lesen, direkt im eMagazine Fragen der Redaktion beantworten, eigene Kommentare schreiben und neben dem eMag auch das Blog und die Community nutzen. Das Magazin war schon immer sehr crossmedial, wir haben die Leser auch vor zehn Jahren schon überall im Heft aufgefordert, im Netz mitzumachen; Inhalte aus der Community wurden an vielen Stellen im Heft integriert; zwischen Print und Online, Redaktion und Leserschaft ging es schon immer hin und her. Jetzt geht das alles auf einem Gerät, in einer App, ohne Medienbruch. Darüber sind wir sehr froh.

Wir wollen mit dir über die Chancen des Netzes sprechen: Die Branche befindet sich seit einiger Zeit im Wandel: Was wird am Ende bleiben?
Was bleiben wird, ist eindeutig die spannendere Frage als die vielen Diskussionen darüber, wie sich die Branche jetzt unbedingt und dringend ändern muss, diese aufgeregten Thesenpapiere und Tool-Auflistungen finde ich manchmal etwas ermüdend. Also, was bleibt: Ausreichend viele Menschen werden ganz sicher auch künftig ein Interesse an Information und Unterhaltung haben, an Einordnung, Aufklärung, Meinung, an Relevanz; viel mehr noch als jetzt auch an Filterung, am Weglassen von Irrelevantem. Sie werden ebenso sicher auch künftig bereit sein, Geld dafür zu bezahlen – und die Werbewirtschaft wird auch künftig daran interessiert sein, im Umfeld starker Marken präsent zu sein. Das ist doch schon mal eine ganze Menge, woran man sich orientieren kann. Über welche Kanäle, in welcher Form, auf welchen Geräten, in welchen Modellen – das wird sich alles finden.

Eines Tages werden vielleicht nicht nur Kühlschränke, sondern auch menschliche Körper an das Netz angeschlossen. Macht dir diese Entwicklung Angst?
Jede neue Technologie bringt neue Möglichkeiten und neue Risiken mit sich, ich habe mich bislang eigentlich immer mehr für die Möglichkeiten interessiert und darauf vertraut, dass sich für die Risiken schon Lösungen finden werden. Daher: Nein, diese Entwicklung macht mir überhaupt keine Angst. Und mein Jawbone-Band, mit dem ich meine täglichen Schritte zählen kann, und durch das ich deutlich mehr laufe als früher, möchte ich z.B. überhaupt nicht mehr missen.


Welche technische Veränderung würde deine Arbeit in der Redaktion aktuell erleichtern?

Die Möglichkeit, Inhalte unkompliziert in vielen verschiedenen Formen optimal auf viele verschiedene Plattformen zu bringen. Dafür dann bitte noch ein einfaches und funktionierendes Bezahlsystem. Und wenn es geht, am besten alles schon morgen.

Bist du – was den Stand der digitalen Möglichkeiten angeht – verwirrt oder glücklich?

Unverändert glücklich und unverändert gespannt.

(Fotograf: Julian Baumann)

Interview mit Christian Jakubetz

Bild_Christian_JakubetzWer bist du und was machst du?
Christian Jakubetz, gesegnetes Online-Alter und vermutlich demnächst dann Mitglied der ersten Internet-Veteranen-Generation. Eigentlich bin ich Journalist, aber in diesem Neuland lässt sich das alles ja nicht mehr so fein säuberlich trennen. Also bin ich auch manchmal Berater und manchmal so eine Art Projektmanager, ab und an mache ich noch klassisches Fernsehen oder klassisches Radio oder klassische Zeitung. Und gelegentlich schreibe ich Bücher, aber das ist wirklich was, was man nicht allzu oft im Leben machen sollte. Ansonsten verbringe ich meine Zeit mit Experimentieren, Suchen und dem zwangsweise damit verbundenen Scheitern.

Wie und warum wird man eigentlich Medienberater?
Wie? Es gibt keine Ausbildung dafür, falls ihr das meint. Und auch kein Diplom. Keinen Studiengang. Vermutlich wird man das, weil andere meinen, sie könnten einen Rat gebrauchen. Das beantwortet auch die Frage nach dem „warum“: Man fühlt sich natürlich geschmeichelt, wenn man um Rat gefragt wird. Und man kann Geld damit verdienen.


Dein aktueller Fang?

Ich würde gerne demnächst die Fortsetzung zu „Universalcode“ starten, so eine Art „Universalocde 2“. Ein transmediales Projekt, wie man heute so schön sagt, das sich mit Vergangenheit und Zukunft des Journalismus auseinander setzt. Momentan überlege ich aber noch, ob das nicht zu schön ist, soll heißen: ob ich mich damit nicht übernehme.


Wie liest du heute Zeitung?

Im Regelfall auf dem iPad. Im Flugzeug, solange die Anschnallzeichen über mir noch nicht erloschen sind, auch mal auf Papier.


War das Zeitungssterben unvermeidlich? Was hätten Verlage und Redaktionen anders machen können?

Ich könnte jetzt eine ganze Menge erzählen, vor allem darüber, was man anders hätte machen können und sollen. Fakt ist, dass etliches versäumt wurde, es aber gleichzeitig keinen Sinn macht, darüber zu lamentieren. Unvermeidlich? Naja, der Tod ist immer unvermeidlich. Die Frage ist also, um in der Metapher zu bleiben: Gibt es ein Leben nach dem Tod? Und wenn ja, wie kommt man dahin? Wäre ich heute ein Verlagsmensch, wäre das die Frage, die mich beschäftigt.


Wie hat der Guardian den Sprung ins Netz geschafft?

Gar nicht, weil er nicht springen musste. Der war schon immer da, gefühlt wenigstens. Was übrigens möglicherweise auch die Antwort auf die Frage ist was deutsche Verlage besser oder anders machen hätten können.


War #tag2020 überhaupt sinnvoll? Und wie lange werden wir noch über die Zeitungsdebatte philosophieren?

Sinnvoll war´s sicher. Auch die vielen kritischen Reaktionen darauf haben ja letztendlich gezeigt, wie viel Redebedarf und wie viele extrem kontroverse Positionen es zu diesem Thema noch gibt. Von dem her glaube ich, dass wir über dieses Thema auch noch lange reden werden. Wäre ja auch zu schade drum, wenn wir uns nicht immer wieder gegenseitig die Köpfe einschlagen könnten.


Die Springer-Online-Strategie ist deiner Meinung nach …

…so wie Springer sehr häufig ist: Man muss das nicht unbedingt mögen, kann dem Haus aber eine gewisse Cleverness nicht absprechen.


Was sagst du eigentlich zu Journalistenschülern, die keinen eigenen Blog wollen? Sollten deiner Meinung nach mehr angehende Journalisten auf Crowdfunding setzen?

Zu 1: Wer nicht will, der hat schon. Ich kann mich darüber vielleicht etwas wundern, aber nicht ernsthaft empören. Liegt vermutlich daran, dass ich zwei pubertierende Töchter habe. Die wollen auch nicht immer das, was sinnvoll wäre. Und zum Thema Crowdfunding: Das lässt sich so pauschal nicht beantworten. Crowdfunding ist sicher eine bedenkenswerte und tolle Möglichkeit, Projekte anzuschieben. Ich würde aber gerne vor der Illusion warnen, dass man künftig nur noch schnell ein Crowdfunding-Pojekt starten muss – und dann die potentiellen Unterstützer euphorisiert zu ihren Onlinebanking-Accounts strömen. Das Projekt muss überzeugend sein und dann schadet es sicher auch nicht, wenn man einen wenigstens halbwegs bekannten Namen hat.


Bist du – was den Stand der digitalen Möglichkeiten angeht – verwirrt oder glücklich?

Na, wenn wir heute schon dauernd metaphorisch sind, dann sag ich das mal so: Ein glücklich verliebter Mensch ist immer auch ein bisschen verwirrt. Insofern bin ich gerade glücklich verwirrt. Verwirrt glücklich. Ach, was weiß denn ich.

Interview mit Markus Hesselmann

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Wer bist du und was machst du?
Markus Hesselmann, Redaktionsleiter Online beim Tagesspiegel in Berlin.


Dein aktueller Fang?

Besonders spannend sind für mich derzeit unsere hyperlokalen Blogs, bislang Zehlendorf und Wedding, mehr wird folgen, auch in Form von Kooperationen. Darin liegt ein guter Teil unserer Zukunft.

Was denkst du über das Angeln und Fischen im Netz?
Ich denke, dass wir weder damit weiterkommen, das Überwachungsthema zu bagatellisieren, noch es als Ende des Internets aufzubauschen. Gefragt sind kühle Analyse und mehr demokratisch legitimierte Überwachung der Überwacher, also mehr Transparenz.


Auf welche Netz-Zeitung könntest du nicht mehr verzichten?

Economist, Tagesspiegel, Kicker.


Du wolltest früher bestimmt Online-Journalist werden, stimmt‘s?

Seit 1985 Journalist, seit 2007 Online-Journalist.


Zeitungssterben klingt irgendwie unschön. Wenn man dafür ein neues Wort erfinden müsste, wäre das..?

Journalismusleben.


Wir fischen immer mal wieder Artikel, wo wir Fische in Zeitung eingepackt werden. Wie sieht eure Zukunft aus?

Kleinteiliger, Berliniger, Basisnäher – aber mit Wirkung über Berlin hinaus und auf gar keinen Fall provinziell.


Was denkst du über das Bezahlen im Netz?

Auch da wird es kleinteiliger mit einem Mix aus Werbe-, Leser- und Sponsorenfinanzierung unserer journalistischen Arbeit.


Welche 5 Chancen siehst du für Journalisten/Kreative durch die Digitalisierung?

– Mehr Flexibilität
– Mehr persönliche Freiheit/Wirkung
– Mehr Diskurs
– Mehr Reichweite
– Noch weniger Hierarchie


Bist du – was den Stand der digitalen Möglichkeiten angeht – verwirrt oder glücklich?

Glücklich gespannt.