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Interview mit Oliver Kucharski

Oliver_KWer bist du und was machst du?
Ich heiße Oliver Kucharski, bin 35 Jahre alt und Redaktionsleiter Digital beim NEON Magazin. Mit meinem Team bin ich verantwortlich für Webseite, Community, Blog, eMagazine, Apps, Social Media und ganz allgemein das Zusammenspiel zwischen Magazin und Community. Auf allen anderen Plattformen außerhalb von NEON heiße ich @karummms


Dein aktueller Fang?

Zeitlos schön: Unser Redaktionstumblr, auf dem jeden Morgen festgehalten wird, wie Social-Media-Redakteur Onur Yildirancan um Punkt zehn Uhr das Büro betritt. Ich habe dem Projekt anfangs maximal zwei Wochen gegeben, die Kollegen ziehen das allerdings sehr ausdauernd durch, vor ein paar Wochen haben wir unseren ersten Tumblr-Geburtstag gefeiert. Ich glaube, dass der Grimme Online Award nur eine Frage der Zeit ist.

Wie sollte eine journalistische Grundausbildung 2.0 deiner Meinung nach aussehen?
Ich finde, dass man auch mit den Inhalten der journalistischen Grundausbildung 1.0 noch recht viel erreichen kann. Die wahrscheinlich wichtigste Eigenschaft ist nach wie vor Neugier – auf Menschen und Geschichten, klar, aber auch auf neue Erzählformen, Technologien und Tools, auf veränderte Lesegewohnheiten, den Medienwandel, auf Veränderung ganz allgemein. Und diese Neugier muss man sich erhalten, auch für später, das ist wahrscheinlich das Schwierigste. Dazu kommt die Fähigkeit, Dinge einordnen und beurteilen zu können; der Überblick, Relevantes von Irrelevantem zu trennen; die Kompetenz, eine Geschichte in der richtigen Form auf dem richtigen Kanal zu erzählen – alles eigentlich ganz klassische Anforderungen, wahrscheinlich dieselben wie vor zehn, zwanzig Jahren auch. Wenn man dann noch etwas Begeisterung und Ausdauer mitbringt, wird man sicher auch künftig ganz gut dastehen.

Wie wichtig ist für eure Redaktion der Austausch mit den Lesern? Welche Rolle spielt die Community?
Wir haben schon immer auf einen regen Austausch zwischen Redaktion und Leserschaft geachtet. NEON hat ja diesen Begriff des „Lebensgefühljournalismus“ geprägt, die Lebenswelt der Redaktion muss zur Lebenswelt der Leser passen, und dafür ist es wichtig, dass wir uns intensiv mit unseren Lesern austauschen. Das tun wir seit mittlerweile zehn Jahren Tag für Tag: Mit dem Start des Magazins wurde mit NEON.de eine eigene Community gestartet, in der die NEON-Leser eigene Texte schreiben, eigene Bilder posten, eigene Themen setzen konnten. Daneben gibt es mit Facebook, Twitter oder Tumblr andere Communities, die für uns ebenso wichtig sind. Im Idealfall ist die Community – egal ob auf NEON.de oder auf Facebook – der Ausgangspunkt für eine Geschichte, die wir im Magazin aufgreifen und die sich danach in der Community weiter entwickelt.

Auf welche Entwicklung bist du derzeit besonders stolz?
Zum zehnjährigen NEON-Jubiläum haben wir Magazin, Community und Blog komplett überarbeitet und alles gemeinsam in einer App aufs Tablet gebracht. Man kann NEON jetzt auf dem iPad lesen, direkt im eMagazine Fragen der Redaktion beantworten, eigene Kommentare schreiben und neben dem eMag auch das Blog und die Community nutzen. Das Magazin war schon immer sehr crossmedial, wir haben die Leser auch vor zehn Jahren schon überall im Heft aufgefordert, im Netz mitzumachen; Inhalte aus der Community wurden an vielen Stellen im Heft integriert; zwischen Print und Online, Redaktion und Leserschaft ging es schon immer hin und her. Jetzt geht das alles auf einem Gerät, in einer App, ohne Medienbruch. Darüber sind wir sehr froh.

Wir wollen mit dir über die Chancen des Netzes sprechen: Die Branche befindet sich seit einiger Zeit im Wandel: Was wird am Ende bleiben?
Was bleiben wird, ist eindeutig die spannendere Frage als die vielen Diskussionen darüber, wie sich die Branche jetzt unbedingt und dringend ändern muss, diese aufgeregten Thesenpapiere und Tool-Auflistungen finde ich manchmal etwas ermüdend. Also, was bleibt: Ausreichend viele Menschen werden ganz sicher auch künftig ein Interesse an Information und Unterhaltung haben, an Einordnung, Aufklärung, Meinung, an Relevanz; viel mehr noch als jetzt auch an Filterung, am Weglassen von Irrelevantem. Sie werden ebenso sicher auch künftig bereit sein, Geld dafür zu bezahlen – und die Werbewirtschaft wird auch künftig daran interessiert sein, im Umfeld starker Marken präsent zu sein. Das ist doch schon mal eine ganze Menge, woran man sich orientieren kann. Über welche Kanäle, in welcher Form, auf welchen Geräten, in welchen Modellen – das wird sich alles finden.

Eines Tages werden vielleicht nicht nur Kühlschränke, sondern auch menschliche Körper an das Netz angeschlossen. Macht dir diese Entwicklung Angst?
Jede neue Technologie bringt neue Möglichkeiten und neue Risiken mit sich, ich habe mich bislang eigentlich immer mehr für die Möglichkeiten interessiert und darauf vertraut, dass sich für die Risiken schon Lösungen finden werden. Daher: Nein, diese Entwicklung macht mir überhaupt keine Angst. Und mein Jawbone-Band, mit dem ich meine täglichen Schritte zählen kann, und durch das ich deutlich mehr laufe als früher, möchte ich z.B. überhaupt nicht mehr missen.


Welche technische Veränderung würde deine Arbeit in der Redaktion aktuell erleichtern?

Die Möglichkeit, Inhalte unkompliziert in vielen verschiedenen Formen optimal auf viele verschiedene Plattformen zu bringen. Dafür dann bitte noch ein einfaches und funktionierendes Bezahlsystem. Und wenn es geht, am besten alles schon morgen.

Bist du – was den Stand der digitalen Möglichkeiten angeht – verwirrt oder glücklich?

Unverändert glücklich und unverändert gespannt.

(Fotograf: Julian Baumann)

Mein Medien-Menü (Folge 57)

Für den Christoph Koch hat unsere Praktikantin ihr Medien-Menü aufschreiben dürfen. Lieben Dank!

Guten Morgen, Medienwelt!

Hier schreibt Gina Schad, nebenberuflich Chefpraktikantin bei medienfische, hauptberuflich Studentin – jedenfalls noch für ein paar Monate. Während des Masterstudiums an der Humboldt Universität (Medienwissenschaft) habe ich das Interview-Blog-Projekt medienfische gestartet, bei dem ich 20 Medienköpfe zu den Risiken und Chancen der Digitalisierung interviewt habe. Ich entwickle das Projekt weiter, stelle neue Interviews ins Netz und schon soll ich zum ersten Mal in meinem Leben selbst ein Interview geben, oder besser gesagt: etwas für Christoph Kochs Medien-Menü schreiben. Lieschen Müller würde sagen: das ist der Anfang einer ganz steilen Karriere.

Wie bin ich überhaupt zum Kochen gekommen? Angefangen hat alles mit diesem blöden Fernseher, dieser hässlichen, grauen Röhre, die bei uns im Wohnzimmer stand und die nur einmal im Jahr, wenn der Christbaum im Wohnzimmer die Sicht auf sie versperrte, schlief. Der Fernseher ist schuld. Er hat mir vermittelt, dass da draußen das viel aufregendere Leben stattfand, und ich habe ihm blind vertraut. Zurückfragen ging ja nicht. Ich wollte diskutieren, streiten, Kräfte messen. Ihn hat es nicht interessiert. Hat mich mit leerem Blick angeschaut. Mich ausgelacht. Irgendwann wollte ich weg aus meiner Kleinstadt, in die große Stadt: Kunst und Kultur fischen – dorthin gehen, wo sie aufwachsen. Die grauen, wichtigen Röhren. Ja, ich bin ein Kind der Massenmedien und gehöre zu der alten Generation Myspace, ein Profil hatte ich jedoch nie. Meine Eltern sind immer noch nicht bei Facebook, meine Geschwister lesen keine Mails auf ihrem Smartphone und ich frage mich manchmal, warum ich unbedingt dieses Menü wählen musste. Dabei bin ich wahrscheinlich selbst schuld; das Essen, das ich gerade verspeise, habe ich mir ja selbst gekocht. Ich hätte auch andere Zutaten für mein Leben kaufen können. Wollte ich wohl nicht.

Ich fange einfach mal mit der Vorspeise an, sonst wird ja das Essen kalt. Nach dem Aufstehen mache ich in der Regel zuerst meinen Laptop an und schleppe ihn mit ins Bad. Dort sitze ich dann und schaue, was es bei Spiegel Online Neues gibt. Erst dann kommt das Zähneputzen. Informieren tue ich mich aber fast nur noch über meine Lieblingszeitung Twitter. Ich sage es ja nicht gerne, aber ohne Twitter könnte ich wahrscheinlich nicht mehr leben. Das klingt jetzt wahrscheinlich gerade sehr dramatisch, oder?

Das ist gut.

Darüber hinaus gibt es einige Blogs, in die ich regelmäßig kurz hineinlese, wie z.B. Carta, Perlentaucher, Indiskretion Ehrensache, Vocer, das Blog von Leander Wattig. Außerdem bin ich ein großer Fan von Deutschlandradio Kultur.

Kommen wir zum Hauptgang: Wenn ich nicht gerade Sushi esse, Fische füttere oder mich über meine mangelhaften technischen Kenntnisse ärgere, schreibe ich für die Uni. Die wichtigste berufliche Lektüre ist für mich Wikipedia. Nicht, weil ich dort abschreibe, aber Wikipedia hilft mir, die Zusammenhänge besser und schneller zu verstehen. Gerade wenn es um komplizierte Sachen geht, brauche ich ein Netz, das mich auffängt.

Natürlich lasse ich mich auch gerne von der Arbeit ablenken und schaue ab und zu heimlich bei Facebook vorbei. Facebook habe ich jedoch schon immer in erster Linie als Netz-Zeitung genutzt und nicht, um dort zu schreiben, wann ich meine Tage habe. Der Schutz meiner Privatsphäre ist mir wichtig, weshalb ich versuche, mich ohne großes Trara zu schützen. Derzeit bin ich mir allerdings sicher, dass man sich auch durch Transparenz schützen kann. Aber ich bin ja noch neu (www.twitter.com/achwieschade) und lerne gerade dazu. Daher bin ich gespannt, wie ich das in ein paar Jahren sehe.

Oh, ein Interviewpartner schreibt und möchte, dass ich etwas an seinem Interview verändere: Einen Link einfügen? Das Bild verkleinern. Video verlinken? Kein Problem. Um ehrlich zu sein: Technik habe ich mit 4 Jahren abgewählt. Daher hatte ich am Anfang bei meinem Blog auch extreme Schwierigkeiten. Für mich ist das alles ein großes Experiment. Und dabei darf man auch mal was falsch machen. Ich wünschte mir manchmal, wir alle würden über unsere Fehler reden.

Natürlich habe ich dann doch noch einen Termin. Also raus aus der Komfortzone, App aktiviert und ab in die Ringbahn. Wenn ich in der Bahn sitzen muss, lese ich gerne die Süddeutsche auf meinem Handy, weil ich aus dem Süden komme und mir die SZ ein Gefühl von Heimat suggeriert. Außerdem schaue ich immer mal, was die taz so zwitschert, die Zeitung meiner Wahlheimat, sozusagen. Was meine analogen Leserituale angeht: Montags und donnerstags hole ich mir auch mal die Zeit oder den Spiegel, weil ich es immer noch schön finde, etwas in der Hand zu haben. In der Bahn beobachte ich am liebsten Menschen, mit dem Buch in der Hand. Da bin ich wirklich schräg. Manchmal denke ich auch, das passt ja gar nicht, du bist eine fiese Schwindlerin. Schreibst bei den medienfischen über eBooks und dann kaufst du dir das Buch im Laden. Aber die Möglichkeiten zu kennen und kulturelle Projekte im Netz bekannt zu machen und sich trotzdem ein Buch im Laden zu kaufen, ist aber trotzdem OK, oder?

Die Bahnfahrt ist für mich immer wie eine kleine Reise. Auf großen Reisen checke ich gerne meine Mails, so blöd das klingt, und schreibe WhatsApp-Nachrichten, um mit meinen Freunden und Bekannten in Kontakt zu bleiben. Ich bekomme immer ganz schnell Heimweh, daher mag ich Briefe, auch wenn sie elektronisch sind. Ich lache manchmal über Menschen, die schreiben, eine Mail sei nicht persönlich. Oder eine SMS. Also ich finde das hochgradig persönlich. Ist ja alles dabei gewesen, beim Schreiben …

Aber: Zeit für den Nachtisch! Was Fernsehsendungen angeht, da muss ich leider passen. Ich schaue so gut wie kein Fernsehen mehr und beobachte immer mehr, dass Bekannte auch kein Fernsehen mehr schauen. Wir brauchen eigentlich keinen Fernseher mehr, wenn alle Sendungen im Netz verfügbar sind. Leider werden viele Sendungen wieder aus dem Netz gelöscht, was ich gemein finde. Das einzige, was ich regelmäßig schaue, sind daher Nachrichten und Kultursendungen von ARD, ZDF oder 3Sat. Die drehen sich auch oft um Netzthemen, die mich interessieren. Sehr zu empfehlen ist auch die BR-Kurzfilmnacht. Leider kommen die Kurzfilme erst, wenn wir alle schlafen.

Vor dem Einschlafen schaue ich gerne noch eine Serie, am liebsten eine amerikanische. Es gibt ja mittlerweile auch einige Schauspielerinnen in den USA, die ihre eigene Serie schreiben und dann auch noch produzieren. Das ist schön! In Deutschland wird man ja bereits komisch angeguckt, wenn man zwei Dinge gleichzeitig machen will. Und vor allem auch machen kann. Schon komisch, wie wir Deutsche ticken.

Wenn ich vor dem Einschlafen nichts anschaue, lese ich.

Am liebsten lese ich Biografien. Generell interessieren mich Geschichten über Menschen und über das Leben, weshalb ich am liebsten Biografien von interessanten Persönlichkeiten lese. Ich habe nach dem Abi ein Buch aus dem Regal meiner Eltern gemopst – Frau Thomas Mann –, damit ich auch noch was Intelligentes im Regal stehen habe. Falls Besuch kommt. Das war der Anfang meiner großen Leidenschaft für Biografien.

Außerdem ein empfehlenswertes Buch: „Schauspieler-Bekenntnisse“. Was mich an dem Beruf des Schauspielers so fasziniert, ist die Tatsache, dass es ein Beruf ist, der alles von dir abverlangt, dir aber im Gegenzug überhaupt nichts verspricht. Ein Beruf mit „Suchtpotenzial“, wie die Künstlerin Birgit Brenner i einen Interview gesagt hat. Was es für Menschen sind, die das genau wissen, und sich genau dafür entscheiden … finde ich spannend.

Auf dem Smartphone lese ich, um ehrlich zu sein, immer mehr. Manchmal stört es mich, dass der Bildschirm so klein ist. Aber ich finde es toll, selbst im Bett noch auf meine Mails und Twitter zugreifen zu können. Ich liebe dieses Produkt eines kalifornischen Herstellers. Aber wie in jeder guten Beziehung auch gibt es Regeln und Grenzen. Wir schlafen meistens getrennt, jeder braucht seinen Freiraum. Ein schönes Zitat, das ich dazu im Netz gefunden habe:

„Liebe ist nicht zuletzt, auf die Freiheit des anderen zu achten.“ (gefischt bei Culturmag)

Bisher klappt das ganz gut.

Gute Nacht, Fische!

Interview mit Christian Jakubetz

Bild_Christian_JakubetzWer bist du und was machst du?
Christian Jakubetz, gesegnetes Online-Alter und vermutlich demnächst dann Mitglied der ersten Internet-Veteranen-Generation. Eigentlich bin ich Journalist, aber in diesem Neuland lässt sich das alles ja nicht mehr so fein säuberlich trennen. Also bin ich auch manchmal Berater und manchmal so eine Art Projektmanager, ab und an mache ich noch klassisches Fernsehen oder klassisches Radio oder klassische Zeitung. Und gelegentlich schreibe ich Bücher, aber das ist wirklich was, was man nicht allzu oft im Leben machen sollte. Ansonsten verbringe ich meine Zeit mit Experimentieren, Suchen und dem zwangsweise damit verbundenen Scheitern.

Wie und warum wird man eigentlich Medienberater?
Wie? Es gibt keine Ausbildung dafür, falls ihr das meint. Und auch kein Diplom. Keinen Studiengang. Vermutlich wird man das, weil andere meinen, sie könnten einen Rat gebrauchen. Das beantwortet auch die Frage nach dem „warum“: Man fühlt sich natürlich geschmeichelt, wenn man um Rat gefragt wird. Und man kann Geld damit verdienen.


Dein aktueller Fang?

Ich würde gerne demnächst die Fortsetzung zu „Universalcode“ starten, so eine Art „Universalocde 2“. Ein transmediales Projekt, wie man heute so schön sagt, das sich mit Vergangenheit und Zukunft des Journalismus auseinander setzt. Momentan überlege ich aber noch, ob das nicht zu schön ist, soll heißen: ob ich mich damit nicht übernehme.


Wie liest du heute Zeitung?

Im Regelfall auf dem iPad. Im Flugzeug, solange die Anschnallzeichen über mir noch nicht erloschen sind, auch mal auf Papier.


War das Zeitungssterben unvermeidlich? Was hätten Verlage und Redaktionen anders machen können?

Ich könnte jetzt eine ganze Menge erzählen, vor allem darüber, was man anders hätte machen können und sollen. Fakt ist, dass etliches versäumt wurde, es aber gleichzeitig keinen Sinn macht, darüber zu lamentieren. Unvermeidlich? Naja, der Tod ist immer unvermeidlich. Die Frage ist also, um in der Metapher zu bleiben: Gibt es ein Leben nach dem Tod? Und wenn ja, wie kommt man dahin? Wäre ich heute ein Verlagsmensch, wäre das die Frage, die mich beschäftigt.


Wie hat der Guardian den Sprung ins Netz geschafft?

Gar nicht, weil er nicht springen musste. Der war schon immer da, gefühlt wenigstens. Was übrigens möglicherweise auch die Antwort auf die Frage ist was deutsche Verlage besser oder anders machen hätten können.


War #tag2020 überhaupt sinnvoll? Und wie lange werden wir noch über die Zeitungsdebatte philosophieren?

Sinnvoll war´s sicher. Auch die vielen kritischen Reaktionen darauf haben ja letztendlich gezeigt, wie viel Redebedarf und wie viele extrem kontroverse Positionen es zu diesem Thema noch gibt. Von dem her glaube ich, dass wir über dieses Thema auch noch lange reden werden. Wäre ja auch zu schade drum, wenn wir uns nicht immer wieder gegenseitig die Köpfe einschlagen könnten.


Die Springer-Online-Strategie ist deiner Meinung nach …

…so wie Springer sehr häufig ist: Man muss das nicht unbedingt mögen, kann dem Haus aber eine gewisse Cleverness nicht absprechen.


Was sagst du eigentlich zu Journalistenschülern, die keinen eigenen Blog wollen? Sollten deiner Meinung nach mehr angehende Journalisten auf Crowdfunding setzen?

Zu 1: Wer nicht will, der hat schon. Ich kann mich darüber vielleicht etwas wundern, aber nicht ernsthaft empören. Liegt vermutlich daran, dass ich zwei pubertierende Töchter habe. Die wollen auch nicht immer das, was sinnvoll wäre. Und zum Thema Crowdfunding: Das lässt sich so pauschal nicht beantworten. Crowdfunding ist sicher eine bedenkenswerte und tolle Möglichkeit, Projekte anzuschieben. Ich würde aber gerne vor der Illusion warnen, dass man künftig nur noch schnell ein Crowdfunding-Pojekt starten muss – und dann die potentiellen Unterstützer euphorisiert zu ihren Onlinebanking-Accounts strömen. Das Projekt muss überzeugend sein und dann schadet es sicher auch nicht, wenn man einen wenigstens halbwegs bekannten Namen hat.


Bist du – was den Stand der digitalen Möglichkeiten angeht – verwirrt oder glücklich?

Na, wenn wir heute schon dauernd metaphorisch sind, dann sag ich das mal so: Ein glücklich verliebter Mensch ist immer auch ein bisschen verwirrt. Insofern bin ich gerade glücklich verwirrt. Verwirrt glücklich. Ach, was weiß denn ich.

Interview mit Markus Hesselmann

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Wer bist du und was machst du?
Markus Hesselmann, Redaktionsleiter Online beim Tagesspiegel in Berlin.


Dein aktueller Fang?

Besonders spannend sind für mich derzeit unsere hyperlokalen Blogs, bislang Zehlendorf und Wedding, mehr wird folgen, auch in Form von Kooperationen. Darin liegt ein guter Teil unserer Zukunft.

Was denkst du über das Angeln und Fischen im Netz?
Ich denke, dass wir weder damit weiterkommen, das Überwachungsthema zu bagatellisieren, noch es als Ende des Internets aufzubauschen. Gefragt sind kühle Analyse und mehr demokratisch legitimierte Überwachung der Überwacher, also mehr Transparenz.


Auf welche Netz-Zeitung könntest du nicht mehr verzichten?

Economist, Tagesspiegel, Kicker.


Du wolltest früher bestimmt Online-Journalist werden, stimmt‘s?

Seit 1985 Journalist, seit 2007 Online-Journalist.


Zeitungssterben klingt irgendwie unschön. Wenn man dafür ein neues Wort erfinden müsste, wäre das..?

Journalismusleben.


Wir fischen immer mal wieder Artikel, wo wir Fische in Zeitung eingepackt werden. Wie sieht eure Zukunft aus?

Kleinteiliger, Berliniger, Basisnäher – aber mit Wirkung über Berlin hinaus und auf gar keinen Fall provinziell.


Was denkst du über das Bezahlen im Netz?

Auch da wird es kleinteiliger mit einem Mix aus Werbe-, Leser- und Sponsorenfinanzierung unserer journalistischen Arbeit.


Welche 5 Chancen siehst du für Journalisten/Kreative durch die Digitalisierung?

– Mehr Flexibilität
– Mehr persönliche Freiheit/Wirkung
– Mehr Diskurs
– Mehr Reichweite
– Noch weniger Hierarchie


Bist du – was den Stand der digitalen Möglichkeiten angeht – verwirrt oder glücklich?

Glücklich gespannt.

Interview mit Elisabeth Rank

Elisabeth_RankWer bist du und was machst du?
Ich heiße Elisabeth Rank, bin 28 Jahre alt – und freie Konzeptionerin für Digital und Editorial sowie Autorin.

Dein aktueller Fang?

Wunderbares Projekt: 40daysofdating.com – eine schöne neue Form der Publikation, die in seriellem Format einen Spannungsbogen schlägt, gut erzählt und gleichzeitig eine wunderbare visuelle Form gefunden hat.

Deine beiden Romane erschienen bei einem Verlag. Hast du trotzdem manchmal an Selfpublishing gedacht?
Ich mache ja mit meinem Blog quasi Selfpublishing. Was ich außer dem klassischen Buchformat an meinen Verlagen schätze, ist die professionelle Begleitung. Ich lerne als Autorin mit jedem Buch, mit jedem Lektorat soviel dazu und das funktioniert im Selfpublishing einfach anders. Ich brauche jemanden, der mir in den Hintern tritt, der meine Arbeit auf den Kopf stellt und mir immer wieder einen Spiegel vorhält, die Worte geradezieht. Vielleicht bin ich für Selfpublishing aber auch einfach zu faul. Ich jedenfalls nenne es: Ich fühle mich nicht schon so fertig, als dass ich sagen würde, ich schreibe ein Buch und dann ist es fertig und ich brauche sonst niemanden als Korrektor und werfe es einfach auf den Markt.

Wir haben aus dem Netz gefischt, dass du eigentlich einen ganz anderen Job hast. Was machst du, wenn du nicht schreibst?

Ich sagte ja schon, dass ich auch als freie Konzeptionerin im Digitalen mit dem Schwerpunkt Content arbeite. Das bedeutet, dass ich digitale Konzepte für Kommunikation erdenke, ich bastele digitale Infrastruktur – von Kampagne, über Wireframes bis hin zur Formatentwicklung. Und natürlich ist das ein anderer Job als Autorin zu sein, aber es hat eben auch viel mit Verständnis für Kommunikation, der Vermittlung von Inhalten & dem Erzählen von Geschichten zu tun.

Sollten wir nicht einen Job haben, der uns glücklich macht und alle unsere Fähigkeiten in sich vereint? Gibt es so etwas heutzutage überhaupt noch? Gab es das jemals?
Diesen Anspruch habe ich nicht. Ich habe meistens in meinem Leben nicht nur eine Sache gemacht, die ich als meinen Job bezeichnet habe. Das Wichtigste an einem Beruf für mich ist mittlerweile nicht mehr Geld oder Karriere sondern dass ich nicht den ganzen Tag mit Idioten zu tun habe, halbwegs davon leben kann und meine Ideale nicht völlig in den Eimer trete. Ich will mich abends noch im Spiegel anschauen können.

An einer anderen Stelle haben wir gelesen, dass das Schreiben keine Arbeit für dich ist. Wann schreibst du denn? Hast du manchmal Angst, dich in der Phantasiewelt zu verlaufen?

Die Idee an sich fühlt sich nicht an wie ein klassischer Job. Das Schreiben, das Handwerk, die Verknüpfung von Erzählsträngen, das Überarbeiten, das Lektorat – all das ist schon harte Arbeit. Aber daran denke ich nie, wenn ich so „vom Schreiben“ rede. Mein Schreiben hat meistens viel mit meiner Realität zu tun, d.h. nicht, dass ich mein eigenes Leben aufschreibe, aber ich beschäftige mich mit meiner Umwelt, meinem Umfeld, Dingen, die um mich herum passieren. Deswegen habe ich keine Angst, dass ich mich in einer Phantasiewelt verliere.

Du hast auf deiner Seite geschrieben, dass du keiner Generation angehören willst. Wie meinst du das?

Ach, mir geht dieses ganze Generationengefasel einfach etwas auf die Nerven. Generation X, Generation sowieso – ich glaube, dass bestimmte Entwicklungen natürlich zu beobachten sind, aber dann über einen Kamm zu scheren, finde ich immer gefährlich, damit machen es sich viele Journalisten zu einfach.

Welche Chancen siehst du für dein Leben und dein Glück – gerade durch das Internet?

Mir sind durch das Internet viele gute Dinge geschehen. Nicht nur, aber vorrangig. Und es hat mir viel ermöglicht, was meinen Weg geebnet und einfacher gemacht hat. Ich konnte früh publizieren, habe Menschen kennengelernt, die ich nie wieder missen möchte und ich konnte mich viel ausprobieren und lernen.

Auf der re:publica hast du über soziale Medien und den Umgang mit dem Sterben gesprochen. Ist das für uns wirklich ein Tabuthema?

In meiner Recherche zu diesem Thema ist mir aufgefallen, dass das Thema Tod in Deutschland allgemein ein Tabuthema ist. Wenn dann noch ein Spannungsfeld zwischen Privatheit und Öffentlichkeit wie das Internet dazu kommt, gibt es einfach häufig Irritationen. Das Thema Tod wird in Deutschland vor allem in Zusammenhang mit Personen von öffentlichem Interesse diskutiert, der private Umgang wird oft in die Therapiezimmer oder Tagebücher verbannt. Das Internet ist jedoch ein Raum, an dem Menschen sich oft privater fühlen, als sie sind, und beim Thema Tod wird es dann interessant – das muss und sollte man zukünftig verhandeln.

Bist du – was den Stand der digitalen Möglichkeiten angeht – verwirrt oder glücklich?

Ich bin gerade dabei, digital etwas zu reduzieren. Um glücklicher zu sein. Und mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu haben.

(Bildrechte/Fotograf: Carolin Weinkopf)

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