Interview mit Tom Zickler

Vita:

Tom Zickler (*1964) wuchs in Thüringen auf. 1986 bis 1988 arbeitete er im DEFA‐Studio für Spielfilme. 1988 bis 1994 studierte er an der HFF Babelsberg. Zickler arbeitet seit 1996 mit Til Schweiger zusammen: Ab 1996 war er Geschäftsführer und Gesellschafter der gemeinsamen Firma Mr. Brown Entertainment, von 1999 bis 2003 Geschäftsführer und Gesellschafter der Checkpoint Berlin. Seit 2004 ist er Geschäftsführer der Barefoot Films. Zu seinen Filmen zählen „10 Tage im Oktober“, „Varieté“, „Der unbekannte Deserteur“, „Knockin‘on Heaven’s Door“, „Der Eisbär“, „Marmor, Stein & Eisen“, „Falling Rocks“, „Planet B: The Antman“, „Planet B: Detective Lovelorn und die Rache des Pharao“, „Planet B: Mask Under Mask“, „Zimmer der Angst“ (TV), „Barfuss“, „One Way“, „Keinohrhasen“, „1 1/2 Ritter – Auf der Suche nach der hinreißenden Herzelinde“, „Friendship!“, „Zweiohrküken“ und „Kokowääh“.

Es wird darüber spekuliert, ob uns das Netz zu schlechteren Menschen macht. Aber sind nicht wir Menschen es, die das Internet benutzen? Wenn das so ist, brauchen wir vielleicht eine Kindersicherung für uns selbst?

Also ich glaube ganz stark, dass das Netz auch zu einer Vereinsamung führen kann. Was ich so erschreckend finde, ist, wenn man in einem Restaurant sitzt und Leute beobachtet, die gemeinsam beim Abendessen sitzen und sich dabei alle mit ihrem Handy beschäftigen. Wenn wir uns weiterhin in diese Richtung entwickeln, wird es so sein, dass man sich bald nicht mehr wirklich auf jemanden einlassen kann. Ich habe mir einen Plattenspieler gekauft und mein Sohn konnte sich gar nicht mehr vorstellen, dass man mit so etwas überhaupt noch Musik machen kann. Aber dies hat eine gewisse Entschleunigung für mich, und das finde ich gut. Eine Kindersicherung? Das würde nicht funktionieren, weil es ja wir Menschen sind, die das Netz bedienen. Auf der anderen Seite hat das Netz auch etwas Positives: Wir kommen zu jeder Sekunde an alles verfügbare Wissen heran. Darin sehe ich einen ganz großen Vorteil. Das mit dem Plattenspieler hat mir total gut getan. Ich persönlich finde es nicht erstrebenswert, immer erreichbar zu sein. Man sollte aufpassen, dass man ab und zu mal zur Ruhe kommt. Dies ist allerdings nur meine persönliche Ansicht.

Menschen haben Angst, dass man ihre Häuser fotografiert. Dabei nutzen viele Menschen, die ich kenne, leidenschaftlich gerne Google-Street-View. Bekämpfen wir am Ende etwas, das uns selbst gefällt?

Ich bin da eigentlich sehr entspannt und finde es cool, wenn man sich die Häuser im Netz anschauen kann. Ich bin der Meinung, dass beim Thema Datenschutz ein wenig übertrieben wird. Dabei muss man sagen, dass ich aus dem ehemaligen Osten komme und es überhaupt nicht mag, wenn man observiert wird. Wenn aber in der U-Bahn Kameras aufgestellt werden für unsere Sicherheit, dann hoffe ich, dass es abschreckend wirkt. Dann ist es doch o.k. Und wenn jemand die falsche Frau küsst….ja, muss er eben aufpassen, dass in diesem Moment keine Kamera zuschaut.

Es ist nur natürlich, dass Verbrechen im Netz den Verbrechen in der realen Welt ähneln. Es wird jedoch so getan, als ob das Netz nur aus Cybermobbing, Kinderpornografie und Lynchjustiz bestehe. Wer profitiert von dem schlechten Ruf des Netzes?

Die größte Gefahr beim Netz, die ich in der ganzen Debatte sehe, ist doch die Anonymität. Jemanden in der Schule zu mobben ist meiner Meinung nach wesentlich komplizierter als im Netz. Ich glaube jedoch: Pornografie gab es schon immer, die Leute sind in die Videotheken gegangen und haben sich Pornos gekauft. Ohne Pornos hätten die Videotheken gar nicht überlebt, das war das Hauptgeschäft der Videotheken. Jetzt gehen die Leute nicht mehr so häufig in die Videothek, weil sie ja alles im Netz herunterladen können und dabei auch anonym bleiben. Kinderpornografie ist natürlich schlimm. Da muss etwas gemacht werden.

Wir sind hier im Büro extrem vernetzt und genießen die Vorteile des Netzes. Es ist für uns selbstverständlich, dass man ein freies Netz hat. Ich finde es schlimm, wenn das Netz von der Regierung nicht freigegeben ist wie in China zum Beispiel. Aber darüber denkt man hier nicht nach, weil eben alles frei ist. Dadurch, dass es allerdings frei ist, hat man natürlich im Netz die gleichen Idioten, die man im normalen Leben draußen auch hat. Zu mir kann ich sagen: Ich bin ein glücklicher Mensch und ich umgebe mich mit Leuten, die keine Idioten sind. So umgebe ich mich auch im Netz mit Leuten, die keine Idioten sind. Ich glaube, was das Netz angeht, da sind die Medien sehr hysterisch. Das sieht man doch auch an der Nationalmannschaft: Wenn die Jungs gewinnen, sind sie gleich Weltmeister, und wenn sie verlieren, sind sie die Trottel. Ich finde die Berichterstattung und die Aufregung in den Medien darüber nicht gut. Gerade was die Neuerungen des Netzes betrifft. Da sollten alle etwas runter kommen.

Im Fall einer Datenauswertung hätte eine Regierung sämtliche Informationen über meine Person. Wie wahrscheinlich ist es, dass irgendwann ein Chip entwickelt wird, der unsere Daten (Krankheiten, Berufserfahrungen, Liebesbeziehungen, Wohnortwechsel, moralische Fehlverhalten) sammelt, speichert und ggf. offenlegt? Und selbst wenn, wäre dies schlimm?

Der Regierung ist es, glaube ich, egal. Viel eher denke ich, dass es, wenn überhaupt, Konzerne sind, die unsere Daten ohne unsere Erlaubnis weiterverkaufen. Was ich mir auch vorstellen könnte, ist, dass es Leute gibt, die sich freiwillig so einen Chip implantieren lassen. Das sieht man ja schon an Facebook: Manche Leute geben teilweise so viel von sich preis, wo andere nur noch den Kopf schütteln. Meiner Meinung nach wird es immer Leute geben, die so eine technische Entwicklung gut finden. Aber ja, so einen Chip fände ich ganz schlimm, könnte ihn aber auch nicht verhindern. Ehrlich gesagt: Genauso wie ich nicht wissen will, an welchem Tag ich irgendwann einmal sterben werde, so möchte ich auch nicht wissen, was andere mit meinen Daten machen.

Angst ist das Thema unserer Zeit. Warum sind wir Deutschen so ängstlich? Warum brauchen wir immer so lange, bis wir uns an eine mediale Veränderung gewöhnen?

Also ich kann natürlich nur für mich sprechen und ich muss sagen, dass ich nicht ängstlich bin.

Die Urheberrechtsdebatte ist nicht neu. Wie könnte das Netz von Künstlern, Musikfirmen und Endverbrauchern verbessert werden? Oder anders gefragt: Wenn wir einen Medienminister hätten, was könnte er tun?

Mein Sohn kam vor kurzem zu mir, weil er schwarzgefahren ist. Er wollte, dass ich die Strafgebühr für ihn bezahle. Ich habe ihm daraufhin gesagt, dass er es selbst bezahlen solle, habe ihm aber gleichzeitig angeboten, dass ich ihm eine Jahreskarte kaufe. Er meinte daraufhin: „Papa, ich bin schon der Einzige in der Schule, der sich die Musik bei iTunes runterlädt. Wenn ich jetzt noch eine Jahreskarte habe, ist das so was von uncool…“ Ich habe ihm also etwas Tolles angeboten, nämlich, dass er ein Jahr lang umsonst  fahren kann, und er wollte es nicht, weil es uncool ist. Und das ist das große Problem bei diesen illegalen Downloads: In diesem Alter ist es einfach eine coole Aktion, sich etwas illegal herunterzuladen. Eines ist klar: Wir können das Rad nicht zurückdrehen. Wir müssen jetzt schauen, wie es weitergeht, und eine faire Lösung finden. Eine Lösung könnte sein, dass YouTube endlich an die Gema zahlt. Da muss eine faire Summe verhandelt werden, damit die Künstler auch etwas abbekommen. Und die zweite Sache ist meiner Meinung nach eine Werteerziehung. Damit muss man schon ganz früh in der Schule anfangen. Bei null. Sonst wachsen die jungen Leute auf und denken, alles was im Netz zur Verfügung gestellt wird, sei umsonst. Ja, das ist das Denken in unserer Gesellschaft. Dabei stehen wir mit der digitalen Entwicklung noch in den Anfangsschuhen: Erst jetzt werden die Spielregeln festgelegt. Das ist wie damals beim Autofahren: Als das Auto erfunden wurde, sind auch alle irgendwie herumgefahren. Dann hat man bemerkt, das funktioniert nicht so richtig, und so haben sie sich auf Regeln geeinigt. Und jetzt funktioniert es mit dem Verkehr. Es wird zwar immer welche geben, die sich nicht daran halten, aber der Großteil hält sich daran. Und diese Regeln müssen geschaffen werden. Sich einfach nur bockig in die Ecke stellen, hilft niemandem. Was auch niemandem hilft: Klagewellen gegen Teenager. Das halte ich für sehr bedenklich. Darum beteiligen wir uns auch nicht dran, möchte ich an der Stelle einmal sagen. Hier gibt es ganz viele Anwaltskanzleien, die haben das als Geschäftsmodell für sich entdeckt und schicken jede Woche 6.000 Klagen raus. Die kommen zu uns und bieten uns an: „Hey, wir vertreten Eure Filme und geben Euch prozentual Geld ab“. Das geht meiner Meinung nach überhaupt nicht, und daran haben wir hier auch kein Interesse.

Was halten Sie von der Urheberrechtskampagne, die Künstler im Netz im Frühjahr gestartet haben?

Wir als Produzenten haben kein Urheberrecht. Wir sind sogar das einzige Land, wo der Produzent kein Urheberrecht hat. Der Autor, ja, der hat das Urheberrecht auf sein Werk, aber der Produzent ist ja trotzdem noch derjenige, der mit seinem Namen für das Endprodukt steht. Sogar noch mehr als der Regisseur. Und das sind für uns viel größere Probleme. Das Urheberrecht war eine große Errungenschaft. Es wurde lange darum gekämpft, deshalb war es gut, dass auch mal jemand in die Öffentlichkeit getreten ist. Vielleicht ein bisschen übertrieben, aber immerhin haben sie etwas gemacht. Das ist wichtig.

Ärgern Sie sich darüber, wenn jemand im Kino sitzt, den neuesten Til Schweiger Film aufnimmt und im Netz verbreitet, oder ist Ihnen das egal? 

Man kann nicht pauschal sagen, dass Leute, die sich so was im Netz runterladen, auch die sind, die nie ins Kino gehen. Manche Leute schauen ja auch nur mal rein und überlegen dann hinterher, ob sie ins Kino gehen. Ins Kino gehen die Leute glaube ich schon. Aber im DVD-Bereich, da sieht es anders aus. Da wird darauf spekuliert, dass man sich das irgendwo umsonst anschauen kann. Den Film Friendship haben wir ja auch produziert. Der hatte 1.6 Mio. Zuschauer und ich habe an dem Film 300.000 Euro verloren, weil es so knapp war mit den Kalkulationen. Was ich sagen will: Der erfolgreichste Film eines Jahres in Deutschland schafft es noch nicht einmal, das investierte Geld herein zu spielen. Deshalb sind manchmal auch 200.000 Euro wichtig für einen Produzenten. Da kann man sich auch ausrechnen, wie wichtig das ist, dass die Auswertungsarbeiten, die wir hinterher haben, nicht auch noch zerstört werden. Die Alternative: Auf Deutsch gibt es nur noch langweilige Filme. Was ich sagen möchte: Man redet ja immer von den reichen Produzenten. Das ist Quatsch. Facebook, die sind reich. Und Google. Aber nicht die deutschen Kinoproduzenten.

Sie bekommen für Ihre Filme immer eine Filmförderung.  Keinohrhasen und auch Kokowääh waren Kinoknaller. Würde Crowdfunding für Ihre Produktionsfirma Sinn machen?

Crowdfunding halte ich sinnvoll für Projekte, die es sonst nicht geben würde. Also wir hatten bei Iron Sky überlegt, ob wir miteinsteigen. Aber Til war die ganze Geschichte zu abgehoben. Für den Film aber fand ich Crowdfunding total passend, und die haben ja auch genügend Geld zusammenbekommen. Für uns selbst macht das keinen Sinn. Ich glaube, für Studentenprojekte kann das eine gute Idee sein. Und da ist das Netz eben auch hervorragend, um so eine Idee schnell zu verbreiten und es auch technisch abzuwickeln.

Ihre Produktionsfirma ist im Netz nicht so einfach zu finden. Knüpft man Kontakte immer noch persönlich auf Filmveranstaltungen oder doch über Facebook? Vor 20 Jahren, als Sie angefangen haben, gab es noch keine sozialen Netzwerke. Wie haben Sie Kontakte geknüpft?

Wir hatten bisher immer zu jedem einzelnen Film eine Website, die auch immer sehr hochwertig war. 800.000 Facebook-Freunde hatten wir auf unserer Zweiohrküken-Seite. Da haben wir gesagt, wir möchten auf unserer Website die Facebook Seiten der einzelnen Filme zusammenbringen. In den sozialen Netzwerken ist ja unser absolutes Zielpublikum und deshalb haben wir vor ein paar Tagen unsere neue Homepage gestartet, die alle Facebook- und Webseiten unserer Filme verknüpft.

Also bei mir läuft nichts über Facebook oder sehr wenig. Ich schicke auch keine Freundschaftsanfragen herum; der persönliche Kontakt ist mir wichtig. Was den Freundeskreis angeht, mache ich auch alles lieber persönlich. Auch was das Business angeht. Also ich habe es noch nie gemacht, jemanden aus Businessgründen bei FB anzufragen und werde dies auch in Zukunft nicht tun.

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