Interview mit Tobias Gillen

tobiasgillenWer bist du und was machst du?

Mein Name ist Tobias Gillen, ich arbeite von Köln aus als freiberuflicher Medien- und Technikjournalist für mehrere Print- und Online-Medien. Zudem bin ich seit kurzer Zeit stolzer E-Book-Autor mit meinem E-Book „Verschlüsselt! Wie ich sichere Kommunikation im Netz lernte“. Ansonsten genieße ich meine Freizeit am Rhein, halte schöne Momente gerne fotografisch fest und freue mich aktuell, euch Rede und Antwort stehen zu dürfen, liebe medienfische.

Dein aktueller Fang?

Mein aktueller Fang ist sicherlich mein E-Book über verschlüsselte E-Mail-Kommunikation, sicheres Surfen und bombenfeste Passwörter. Weniger neu, aber dafür auch aktuell, darf ich meinen Blog natürlich nicht vergessen, der mich ständig begleitet und mir Raum gibt, Gedanken und Ideen zu veröffentlichen.

Wie bist du darauf gekommen, ein E-Book wie „Verschlüsselt!“ zu schreiben?

Ehrlich gesagt ist das meinem schlechten Gewissen geschuldet. Im Zuge des Geheimdienst-Skandals ist mir bewusst geworden, dass ich Auftraggebern, Kollegen und Informanten überhaupt keine Möglichkeit gegeben habe, mich verschlüsselt zu kontaktieren. Als Technik-Journalist sollte es für mich wohl ein leichtes sein, so etwas wie PGP oder S/MIME einzurichtet – weit gefehlt. Und genau so ist mein E-Book auch geschrieben: Sehr ehrlich, von einem Anfänger für Anfänger. Die Resonanz darauf zeigt: Ich bin nicht allein.

Warum sollten wir unsere Mails überhaupt verschlüsseln?

Diese Frage bekomme ich seit der E-Book-Veröffentlichung häufiger gestellt. Gegenfrage: Warum sollten wir es nicht tun? Einmal eingerichtet, braucht es nur ein paar Klicks und man kann eine sensible Nachricht schon wirksam vor neugierigen Blicken schützen (sicher nicht vor allen, aber vor einigen). Die NSA-Enthüllungen haben doch eins gezeigt: Für unsere Privatsphäre müssen wir schon selbst sorgen, das macht keine Regierung für uns.

Leben wir nicht längst alle Post-Privacy? Passt das zusammen: Post-Privacy leben und Mails verschlüsseln?

Nur weil wir heute vielleicht mehr von uns preisgeben als noch vor ein paar Jahren bedeutet das ja nicht gleich, dass wir keine Geheimnisse mehr haben oder sensible Daten von A nach B geschickt werden müssen. Demnach: Natürlich passt das zusammen.

War für dich von Anfang an klar, dass es ein E-Book werden soll?

Nein, ursprünglich war es als Artikelserie geplant. Aber mit der Zeit zeigte sich, dass das Ding Potenzial hat, für viele Leute eine Anleitung zu werden, die man lieber an einem gesammelten Ort hat als in zehn Teilen verteilt im Internet. Außerdem war es für mich dann auch ein Experiment um zu sehen, ob sich das Selfpublishing für uns Journalisten lohnen kann und wie man mit all den Aufgaben (Vermarktung, Konvertierung, etc.) alleine klar kommt.

Wie viele Seiten sollte ein E-Book deiner Meinung nach mindestens haben?

Na das ist pauschal nicht zu sagen. So weit ich weiß sehen die Leser einen Preis von 2,99 Euro für ca. 100 Seiten auf einem Kindle als gerechtfertigt an. Ich habe mich daran nicht orientiert, es war fertig, als es fertig war. Und der Preis ist mit 2,99 Euro so niedrig, dass er keine große Hürde darstellt und das Buch auch gelesen wird. Auf der anderen Seite ging es aber auch nicht billiger, weil Amazon ansonsten statt 30 Prozent satte 65 Prozent der Einnahmen verlangt.
Aber noch mal zu deiner Frage: Was spricht dagegen, wenn jemand einen schönen Gedichtband mit 20 Gedichten hat, nur 20 Seiten zu veröffentlichen? Es gibt keine Grenzen, wir haben keinen Verlag im Rücken und alle Freiheiten.

Was erwartest du in den nächsten Jahren konkret vom Selfpublishing? Werden wir uns alle wieder beruhigen oder geht’s jetzt erst richtig los?

Also so aufgeregt finde ich es gar nicht. Dass wir uns mit Blogs eine Stimme verschaffen, wird sich sicher nicht irgendwann wieder legen als sei es eine Modeerscheinung gewesen. Und auch im E-Book-Markt ist noch eine ganze Menge Luft nach oben – auch und insbesondere in Deutschland.

Was hältst du von einer Mischung aus Crowdfunding und Selfpublishing? Und wie gut/schlecht ist es gegenüber der Crowd, das Buch danach einem normalen Verlag anzubieten?

Der Vorteil beim Crowdfunding ist natürlich, dass man ein aufwendiges Projekt vor der Arbeit erst einmal auf den Prüfstand stellen kann: Interessiert es die Leute? Wie ist die Resonanz? Würden Menschen wirklich Geld dafür ausgeben oder investieren? Zudem kann man dann ganz ohne finanzielles Risiko schreiben, was bei mir zum Beispiel nicht der Fall war – auch, wenn sich das Risiko hier im kleinen Rahmen gehalten hat.

Bist du – was den Stand der digitalen Möglichkeiten angeht – verwirrt oder glücklich?

Überglücklich! Ich könnte mir ein schöneres Arbeiten als momentan überhaupt nicht vorstellen. Ohne Internet und die digitalen Möglichkeiten wäre das undenkbar. Verwirrt bin ich nur von Wikipedia-Artikeln über PGP und S/MIME – aber dazu mehr in meinem E-Book…