Heute kann mir schon niemand auf die Füße treten, weil ich mich bei diesem Wetter gar nicht erst aus dem Haus bewege. Heute kann ich auch niemandem auf Facebook antworten, weil ich mich gar nicht erst einlogge: Was ich da genau mache?? Ich mache eine digitale Zwangspause. Ja, heute höre ich mal rein, wie es mir ohne Laptop und Handy so geht in dieser großen lauten Welt.
Ein Blick aus dem Fenster: Ganz schön bunt, da draußen. Ich komme mir vor wie eine Frau aus dem 18. Jahrhundert in dem Film, den ich neulich auf diesem Sender gesehen habe, der immer so viel Werbung schaltet, als ich so am Fenster stehe und die Blätter betrachte, die sich, genau wie ich, langsam auf den Winter vorbereiten. Mein Blick schweift zu meinen Nachbarn, die sich auf dem Balkon streiten, als sie den Grill ins Haus schleppen.
Ja, es ist nicht leicht, sich von etwas zu verabschieden, an das man sich gewöhnt hat.
Auf der Straße laufen Menschen mit richtigen Problemen und echten Gefühlen herum. Und das direkt vor meinem Fenster. Sie reden aufgeregt unter ihren Regenschirmen miteinander, die Hände stets verkrampft am Kinderwagen, damit die frisch desinfizierten Bio-Babys keinen Schnupfen bekommen. Heute, an meinem analogen Jahrestag, als ich die vermummten Babys in ihren Kinderwagen erspähe, werde ich ein bisschen melancholisch. Egal wie viel wir uns die Hände wund twittern – das Stückchen Brot, das uns ernährt, liegt immer noch auf dem Teller. Brot kann man weder einscannen, noch drucken oder verlinken. Man kann es nur aufessen oder an Menschen verschenken, die weniger zu essen haben als wir selbst. Es wird allerdings ein paar Tage dauern, bis es die Menschen erreicht, die davon satt werden können. Und dann ist mein kleines Stückchen Brot wahrscheinlich verschimmelt.
Wenn man Brot einscannen könnte, wäre die Welt ein kleines bisschen besser.
Mein geliebter Laptop füttert meinen Kopf, meine Gedanken, meine Seele – aber er umarmt mich nicht und er massiert mir auch nicht den Rücken, wenn ich schlecht geschlafen habe. Warum schaue ich dann an manchen Tagen lieber in ihn hinein als in das Gesicht der Menschen, die mir so viel bedeuten?
Es ist schon wichtig kritisch zu bleiben, in einer Welt, die so vernetzt ist wie unsere und in der ein neuer Morgen alles auf den Kopf stellen kann. In Syrien brennt’s, der spannendste Wahlkampf des Jahres steht vor der Türe – und plötzlich merkt man, dass man sich nach den analogen Häppchen sehnt, die dieses Jahr für uns bereitstellt. Dabei werden wir von den realen Kritikern so gut gecoacht: Wir haben doch längst in unseren kleinen Medien-Köpfchen gespeichert, dass alles im Netz bleibt, und dass wir höllisch aufpassen müssen, was wir von uns preisgeben. Aber kann man überhaupt frei kommunizieren, wenn man immer nachdenken muss, was man gerade im Netz für Spuren hinterlässt? Ich bin mir sicher…..jeder von uns vergisst irgendwann, dass er öffentlich unterwegs ist….
Ich beschließe, es für einen Tag schlafen zu legen -mein geliebtes Smartphone- ein bisschen Ruhe kann es bestimmt gebrauchen. Irgendwann muss ja schließlich jeder seinen Akku aufladen. Meinen großen digitalen Freund kann ich jedoch nicht einfach so abschalten: Ich drücke ihn noch einmal eng an meine Brust und wünsche ihm eine gute Nacht, bevor ich ihn noch ein letztes Mal streichle, um ihn dann endgültig unter mein Kopfkissen zu legen.
Ich möchte mir noch Sushi bestellen, als ich feststelle, dass meine digitalen Freunde bereits schlafen. Und so verwerfe ich den Gedanken, lege mich mit knurrendem Magen in mein Bett und schimpfe über meinen selbst ernannten Jahrestag. Mit einem großen Loch in meinem Bauch, und ohne überteuertes Sushi bestellt zu haben, schlafe ich schließlich ein.
Morgen müssen sie wieder ran, die Digitals, – so viel ist sicher.