Interview mit Karla Paul

karlapaul_swWer bist du und was machst du?

Mein Name ist Karla Paul, ich bin 32 Jahre alt und wohne aktuell in Hamburg. Hauptberuflich leite ich den Digitalverlag Edel eBooks und arbeite an einem weiteren Imprint, das zur Buchmesse im Herbst online gehen wird. Nebenbei blogge ich auf Buchkolumne.de, gebe regelmäßig in der ARD und anderen Medien Buchempfehlungen und schreibe an meinen ersten beiden eigenen Büchern. Mein Leben habe ich komplett der Literatur gewidmet und ich bin sehr glücklich, dass ich im Gegensatz zu vielen anderen Menschen aktuell auch meinen Lebensunterhalt davon und damit bestreiten darf.

Du leitest seit diesem Jahr den Digitalverlag von Edel Books. Welche Hoffnungen verbindest du mit dieser neuen Aufgabe?

Die Buchbranche ist im Umbruch und wir haben mit vielen Problemen zu kämpfen – uns sind aber ebenso viele neue Möglichkeiten gegeben und ich bin immer eher dafür die Sache positiv zu sehen und das Beste daraus zu machen. Ebooks sind schneller und günstiger zu produzieren und dadurch können wir die Ideen der Autoren und aktuelle Themen einfacher und flexibler umsetzen. Im Idealfall kann ich gemeinsam mit meinem Team alle neuen Ideen nutzen und sie sinnvoll ins Digitale übersetzen – und natürlich auch verkaufen. Es hilft ja jede tolle Entwicklung nichts, wenn der Leser sie eigentlich gar nicht will. Enhanced Ebooks sind z.B. weiterhin eine tolle Erweiterung, kommen bei den Lesern aber bisher nicht an. Wir wollen in Zukunft die erste Anlaufstelle rund ums digitale Lesen und Schreiben werden und die Käufer sowohl mit klassischen Romanen als auch mit neuen Experimenten begeistern.

Was möchtest du anders/besser machen als andere Verleger?

Dies ist mein Start als Verlegerin und von daher bin ich froh, wenn ich es erst einmal genauso gut wie Andere mache. Es ist eine große Verantwortung für oder gegen Titel zu entscheiden und die Inhalte optimal aufzubereiten. Hat man das richtige Cover gewählt? Was wird der Autor zu den Änderungen sagen? Kauft man lieber nur den einen Roman ein oder gleich mehrere, damit sie bei großem Erfolg nicht an einen anderen Verlag gehen? All dies ist nicht leicht zu entscheiden, man hat nicht viel Zeit um aus Fehlern zu lernen und ich bin sehr froh, dass ich ein tolles Team habe, das mir vertraut und mich bei allem unterstützt – dies gilt ebenso für die Agenturen. Ganz optimistisch gedacht  und ehrlich geantwortet will ich natürlich die besten Inhalte veröffentlichen und die dazugehörigen Autoren reich machen. Den Wunsch nach hohen Verkaufszahlen darf man in der Kulturbranche ja eigentlich gar nicht laut äußern, aber ohne genug Umsatz kann ich nicht in neue Literatur investieren und damit auch nicht in Autoren, die evtl. noch nicht so bekannt sind und dem Massengeschmack entsprechen. Hier gilt es den Mittelweg zu finden und dabei hoffentlich nicht allzu große Fehler zu machen bzw. aus denen dann wenigstens schnell  und viel zu lernen.

Verfolgst du eine „Vision“ in der Buchbranche?

Ich habe keine Vision von der idealen Buchbranche. Mich freut, dass dank Selfpublishing inzwischen jeder schreiben und veröffentlichen kann, was ihr bzw. ihm gefällt und dank dem Internet auch seine Leser findet. Ich hoffe, dass der lokale Buchhandel vom Leser weiterhin geschätzt und mit genug Verkäufen bedacht wird. Aber ich wage keine Schätzung, wie der Markt in zehn Jahren aussehen wird – so oder so werde ich mich darauf einstellen und den Veränderungen mutig und kreativ entgegen gehen und wünsche mir, dass möglichst viele mitkommen.

Mit welchen Krisen hattest du auf deinem digitalen Weg zu kämpfen?

Am Anfang stellt man sich immer alles ganz einfach vor und stellt dann fest – oh, da gibt es jede Menge soziale, finanzielle, rechtliche, technische und zeitliche Probleme und viele davon hatte man vorher nicht mal ansatzweise im Blick. Man wird stets und ständig von der Realität oder gern auch öfter mal von der Gesetzgebung überrascht, positiv und negativ. Das ist ja ungefähr so, wie ich es mir auch beim Kinderkriegen vorstelle – man kann sich einfach nicht wirklich darauf vorbereiten, man kann es nur machen und dann daran wachsen. Literatur ist mit jedem Projekt und Autor anders und das ist eigentlich auch das Spannende daran. Ich habe gelernt mit mehr Geduld ranzugehen, um Hilfe zu bitten und mich mit Menschen zu umgeben, die von vielen Bereichen wesentlich mehr verstehen als ich und von diesen zu lernen. Zudem darf man sich nicht von Rückschlägen unterkriegen lassen und diese nicht allzu persönlich nehmen.  An manchen Tagen funktioniert das schlechter und an sehr vielen besser!

Deine sozialen Kanäle sind für alle Menschen einsehbar. Wie wichtig ist dir der Schutz deiner Privatsphäre?

Meine Privatsphäre ist mir sehr wichtig. Glücklicherweise können wir alle (noch) selbst entscheiden, welche Informationen wir in den sozialen Netzwerken veröffentlichen und welche nicht. Für mich ist es ein deutlicher Unterschied, ob ich für die Leser auf Instagram mein Bücherregal fotografiere oder offen über mögliche Beziehungsprobleme diskutiere. Trotzdem muss jeder selbst wissen, was für ihn privat ist. Nur ganz klar: einmal im Netz, immer im Netz. Also überlegt man sich eben vorher in welcher Laune man was postet. Nicht ganz so entspannt bin ich allerdings bei den Inhalten, die Fremde über einen ins Netz stellen, d.h. wenn ich z.B. ohne mein Einverständnis fotografiert und markiert werde – das würde ich umgekehrt auch nicht tun. Ich lasse die Menschen gern an meinem Leben teilhaben, wenn sie die von mir gesteckten Grenzen respektieren – so verhalte ich mich auch Anderen gegenüber und dies sollte im Internet als auch im realen Leben gelten.

Die Buchbranche hat sich, bedingt durch die Digitalisierung, in den letzten Jahren verändert. Hat sich, abgesehen vom Aufkommen des E-Books, deiner Meinung nach auch die Art des Lesens verändert?

Das ist definitiv so – vielen von uns wurde in den letzten Jahren dank Facebook, Klickstrecken sowie Like- und SEO-optimierten Inhalten die Konzentration auf lange Texte abtrainiert. Die Informationen müssen uns heute schneller, bunter und härter um die Ohren gehauen werden, dagegen hat es ein 600-Seiten-Roman natürlich schwer. Auf der anderen Seite suchen viele Leser nun erst recht die Ruhe im Buch, das der Fantasie noch komplett freien Lauf lässt. Es gibt diverse Studien, die das jeweils positiv als auch negativ interpretieren. Wenn ich aber die Leserzahlen betrachte, dann bleiben sie weiter stabil und ich erhalte dutzendfach Rückmeldungen von begeisterten Menschen, die sich über meine Buchempfehlungen freuen. Ich sehe die Menschen weiterhin in den öffentlichen Verkehrsmitteln und Parks gefesselt über den Seiten oder Readern sitzen und freue mich immer sehr darüber. Allerdings müssen wir uns tatsächlich etwas einfallen lassen, wie wir nicht nur die aktuellen Leser beim Buch behalten, sondern wie wir den Nachwuchs aktivieren. Vielleicht können die digitalen Möglichkeiten hier helfen.

Wann hast du zum letzten Mal ein klassisches Buch in der Hand gehabt?

Heute. Ich lese täglich in klassischen Büchern, unterwegs Digitalliteratur sowie Hörbücher, meine Fahnen lasse ich mir sogar extra ausdrucken. Für mich ist das Ebook eine fabelhafte Ergänzung und keine Alternative, es gibt kein entweder/oder. Literatur umfasst für mich das komplette Paket und ich hoffe, dass wir in den kommenden Jahren noch viel mehr Möglichkeiten zur Darstellung und Verwirklichung finden werden. Die Kunst ist bunt, wir sollten sie im Idealfall ebenso vielfältig nutzen.

Wie werden wir in 10 Jahren lesen? Kannst du uns eine Einschätzung geben?

Das kann und will ich nicht. Literatur ist großartig und unser Leben dank ihr reicher, wir werden immer einen Platz und Möglichkeiten dafür finden. Aber ich kann nicht hellsehen und werde es auch nicht probieren, so oder so werden Bücher immer der wichtigste Teil meines Lebens sein und hoffentlich auch wenigstens teilweise im Leben vieler anderer Menschen. Die digitale Entwicklung geht weit weniger schnell als erwartet/gehofft/befürchtet und das gedruckte Buch wird sicher nicht so bald aussterben. Aber wie sich die Prozentzahlen in einem Jahrzehnt verändert haben, das kann niemand sagen. Lasst uns gemeinsam die Gegenwart gestalten und sehen, wohin der Weg uns führt.

Bist du, was den aktuellen Stand der Digitalisierung angeht, aktuell eher verwirrt oder glücklich?

Weder noch. Luft nach oben ist immer und ich bin auch nicht gerade für meine Geduld bekannt. Aber es entstehen jeden Tag neue Möglichkeiten und Chancen, sowohl für die Autoren als auch die Verlage und den Handel. Da ist es ganz selbstverständlich, dass wir manchmal nicht hinterherkommen bzw. wir mussten erst einmal eine Menge Grundsatzfragen klären (z.B. mit oder ohne DRM – bitte immer ohne) und hinterfragen beständig die Abläufe. Mir ist wichtig, dass wir schnell lernen, was der Leser will, wo seine Interessen hingehen und dementsprechend dessen Wünsche erfüllen und nicht darauf warten, dass sich der Kunde nach unseren Vorstellungen richtet.  Das ist ein ständiger Prozess und nicht alles klappt gleich von Anfang an. Sagen wir es so – ich bin weiterhin höchst motiviert!