Kategorie-Archiv: Netzgespräche

Interview mit Elisabeth Rank

Elisabeth_RankWer bist du und was machst du?
Ich heiße Elisabeth Rank, bin 28 Jahre alt – und freie Konzeptionerin für Digital und Editorial sowie Autorin.

Dein aktueller Fang?

Wunderbares Projekt: 40daysofdating.com – eine schöne neue Form der Publikation, die in seriellem Format einen Spannungsbogen schlägt, gut erzählt und gleichzeitig eine wunderbare visuelle Form gefunden hat.

Deine beiden Romane erschienen bei einem Verlag. Hast du trotzdem manchmal an Selfpublishing gedacht?
Ich mache ja mit meinem Blog quasi Selfpublishing. Was ich außer dem klassischen Buchformat an meinen Verlagen schätze, ist die professionelle Begleitung. Ich lerne als Autorin mit jedem Buch, mit jedem Lektorat soviel dazu und das funktioniert im Selfpublishing einfach anders. Ich brauche jemanden, der mir in den Hintern tritt, der meine Arbeit auf den Kopf stellt und mir immer wieder einen Spiegel vorhält, die Worte geradezieht. Vielleicht bin ich für Selfpublishing aber auch einfach zu faul. Ich jedenfalls nenne es: Ich fühle mich nicht schon so fertig, als dass ich sagen würde, ich schreibe ein Buch und dann ist es fertig und ich brauche sonst niemanden als Korrektor und werfe es einfach auf den Markt.

Wir haben aus dem Netz gefischt, dass du eigentlich einen ganz anderen Job hast. Was machst du, wenn du nicht schreibst?

Ich sagte ja schon, dass ich auch als freie Konzeptionerin im Digitalen mit dem Schwerpunkt Content arbeite. Das bedeutet, dass ich digitale Konzepte für Kommunikation erdenke, ich bastele digitale Infrastruktur – von Kampagne, über Wireframes bis hin zur Formatentwicklung. Und natürlich ist das ein anderer Job als Autorin zu sein, aber es hat eben auch viel mit Verständnis für Kommunikation, der Vermittlung von Inhalten & dem Erzählen von Geschichten zu tun.

Sollten wir nicht einen Job haben, der uns glücklich macht und alle unsere Fähigkeiten in sich vereint? Gibt es so etwas heutzutage überhaupt noch? Gab es das jemals?
Diesen Anspruch habe ich nicht. Ich habe meistens in meinem Leben nicht nur eine Sache gemacht, die ich als meinen Job bezeichnet habe. Das Wichtigste an einem Beruf für mich ist mittlerweile nicht mehr Geld oder Karriere sondern dass ich nicht den ganzen Tag mit Idioten zu tun habe, halbwegs davon leben kann und meine Ideale nicht völlig in den Eimer trete. Ich will mich abends noch im Spiegel anschauen können.

An einer anderen Stelle haben wir gelesen, dass das Schreiben keine Arbeit für dich ist. Wann schreibst du denn? Hast du manchmal Angst, dich in der Phantasiewelt zu verlaufen?

Die Idee an sich fühlt sich nicht an wie ein klassischer Job. Das Schreiben, das Handwerk, die Verknüpfung von Erzählsträngen, das Überarbeiten, das Lektorat – all das ist schon harte Arbeit. Aber daran denke ich nie, wenn ich so „vom Schreiben“ rede. Mein Schreiben hat meistens viel mit meiner Realität zu tun, d.h. nicht, dass ich mein eigenes Leben aufschreibe, aber ich beschäftige mich mit meiner Umwelt, meinem Umfeld, Dingen, die um mich herum passieren. Deswegen habe ich keine Angst, dass ich mich in einer Phantasiewelt verliere.

Du hast auf deiner Seite geschrieben, dass du keiner Generation angehören willst. Wie meinst du das?

Ach, mir geht dieses ganze Generationengefasel einfach etwas auf die Nerven. Generation X, Generation sowieso – ich glaube, dass bestimmte Entwicklungen natürlich zu beobachten sind, aber dann über einen Kamm zu scheren, finde ich immer gefährlich, damit machen es sich viele Journalisten zu einfach.

Welche Chancen siehst du für dein Leben und dein Glück – gerade durch das Internet?

Mir sind durch das Internet viele gute Dinge geschehen. Nicht nur, aber vorrangig. Und es hat mir viel ermöglicht, was meinen Weg geebnet und einfacher gemacht hat. Ich konnte früh publizieren, habe Menschen kennengelernt, die ich nie wieder missen möchte und ich konnte mich viel ausprobieren und lernen.

Auf der re:publica hast du über soziale Medien und den Umgang mit dem Sterben gesprochen. Ist das für uns wirklich ein Tabuthema?

In meiner Recherche zu diesem Thema ist mir aufgefallen, dass das Thema Tod in Deutschland allgemein ein Tabuthema ist. Wenn dann noch ein Spannungsfeld zwischen Privatheit und Öffentlichkeit wie das Internet dazu kommt, gibt es einfach häufig Irritationen. Das Thema Tod wird in Deutschland vor allem in Zusammenhang mit Personen von öffentlichem Interesse diskutiert, der private Umgang wird oft in die Therapiezimmer oder Tagebücher verbannt. Das Internet ist jedoch ein Raum, an dem Menschen sich oft privater fühlen, als sie sind, und beim Thema Tod wird es dann interessant – das muss und sollte man zukünftig verhandeln.

Bist du – was den Stand der digitalen Möglichkeiten angeht – verwirrt oder glücklich?

Ich bin gerade dabei, digital etwas zu reduzieren. Um glücklicher zu sein. Und mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu haben.

(Bildrechte/Fotograf: Carolin Weinkopf)

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Interview mit Lorenz Matzat

LORENZ_MATZATWer bist du und was machst du?
Mein Name ist Lorenz Matzat und ich bin Journalist.

Dein aktueller Fang?
Land Matrix“ Es geht bei diesem Projekt darum, dass Informationen gesammelt werden, an welchen Stellen unserer Erde Grund und Boden an welche Konzerne verkauft werden. Das Projekt ist wirklich toll und zeigt vorbildlich, wie man sein Anliegen kommunizieren kann. Das finde ich großartig.

Warum hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk so viele Kinder? Wir denken u.a. an die Deutsche Welle. Kann der Programmauftrag bei so einer Patchwork-Familie überhaupt funktionieren?

Ja, warum nicht. Eine Patchwork-Familie hat wie alles Vor-und Nachteile. Ich glaube eher, dass das Publikum und die ÖR-Sender nicht wirklich im Dialog miteinander stehen. In der Vielfalt der Sender sehe ich nicht das Problem: Eher glaube ich, dass sich das Mediennutzungsverhalten rapide verändert: Die ÖR-Anstalten tun sich schwer damit, Schritt zu halten – und werden folglich ihrem Anspruch nicht gerecht. Dennoch gilt: Sie könnten es, denn die ÖR haben das Budget und Personal.

Viele Zuschauer sind enttäuscht, weil die Mediathek immer wieder entleert wird. Warum werden Inhalte, für die wir bezahlt haben, grundlos aus dem Netz gerissen? Was ist da los?

Einfach gesagt, war diese Entscheidung ein Lobby-Erfolg der Privatsender. Ich finde das unverschämt, weil abgabenfinanzierte Sendungen – für die wir bereits bezahlt haben – im Netz bleiben sollten.

Inwiefern bleiben die Möglichkeiten der Öffentlich-Rechtlichen deiner Meinung nach zurück?

Die ÖR bekommen rund 8 Milliarden im Jahr aus der Haushaltsabgabe, es gibt eine riesige Infrastruktur, um Neues auszuprobieren. Das Geld ist da. Daher sollten die Entscheider mehr Mut zeigen. Bei den ÖR gibt es ja eine vielschichtige Hierarchie und diverse Gremien (u.a. Verwaltungsrat/Rundfunkrat/Intendant), die experimentierfreudiger werden muss, wenn sich etwas ändern soll. Nehmen wir als Beispiel zdf_neo; dort wandern die Moderatoren ab. Eine andere Frage, die man sich stellen sollte: Warum ist das Durchschnittsalter der ÖR 60 Jahre? Ich habe manchmal den Eindruck, dass die Entscheider gar nicht wissen, was bei YouTube eigentlich passiert und dass YouTube ein Teil des Fernsehens der Zukunft ist.

Wofür sollten die Öffentlich-Rechtlichen deiner Meinung nach ihr Geld ausgeben? Die Honorare von so manchem Talkshow-Moderator sind doch kaum zu rechtfertigen, oder?

Ich weiß nicht, was jeder einzelne Moderator bekommt. Zunächst gilt: Es muss Transparenz herrschen, damit wir darüber sprechen können. Diese Transparenz gibt es jedoch (noch) nicht. Die Bedingung bei den ÖR müsste daher lauten: Wer für die ÖR arbeiten will, sollte sein Gehalt offenlegen. Wer dies nicht möchte, sollte es bleiben lassen.

Warum gibt es „Open Data ARD ZDF“? Welches Ziel verfolgt die Initiative konkret?

Open Data ARD ZDF ist eine Bürgerinitiative, auch wenn dies möglicherweise altmodisch klingt. Es gibt zwei große Aufgabenstränge: Zum einen die Transparenz bei den Finanzen (Haushaltspläne sollen zugänglich und auch für Laien verständlich sein.) Auf der anderen Seite geht es um eine Art Schnittstelle – also darum wie viel Material, das durch den ÖR-Rundfunk finanziert wird, wieder vernichtet wird. Vernichtet ist vielleicht das falsche Wort: Weggeschlossen trifft es vielleicht eher -. Die ÖR sind an dieser Entscheidung aber auch nicht schuld, dies war eine politische Entscheidung.

Wo siehst du die Chancen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im digitalen Zeitalter?

Auf der einen Seite hat der ÖR Rundfunk riesige Archive mit spannenden Sachen. Diese zugänglich zu machen – zu historischem, kulturellem und politischem Wissen- sehe ich als große Chance. Auf der anderen Seite gibt es niemanden wie den ÖR-Rundfunk, der so gut ausgestattet ist – und daher auch zwanglos Möglichkeiten ausprobieren könnte. Er ist quasi ein Paradies im Vergleich zu vielen anderen Sendern und Redaktionen
Meiner Meinung nach bleibt der ÖR-Rundfunk weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Das finde ich schade, ich erwarte einfach mehr.

Wird es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in 20 Jahren noch geben?
Ja, den ÖR-Rundfunk wird es in 20 Jahren mit Sicherheit noch geben, er wird dann vielleicht nicht mehr >Rundfunk< heißen. Der Begriff ist meiner Ansicht nach genauso unzulänglich wie >Telemedien< und in 20 Jahren ist der Begriff dann auch bereits über 100 Jahre alt.
Bist du – was den Stand der digitalen Möglichkeiten angeht – verwirrt oder glücklich?

Ich bin glücklich.

Interview mit Martin Giesler

Wer bist du und was machst du?

Mein Name ist Martin Giesler und ich bin Nachrichten-Redakteur beim ZDF bei heute.de. Dort arbeite ich mich an der aktuellen Nachrichtenlage ab und betreue unsere Social Media Auftritte. Zudem blogge ich privat über den digitalen Wandel und Journalismus auf 120sekunden.com. Seit gut einem Jahr bin ich auch Teil der Berliner Blogrebellen und schreibe dort über Musik und Kultur. Außerdem habe ich letzten Sommer mit einem Schweizer Kollegen das Social Media Watchblog gestartet – ein Watchblog über Social Media und Big Data.

Dein aktueller Fang?

Mein aktueller Fang ist definitiv st_ry.tv von Daniel Bröckerhoff. Das Projekt ist in mehrfacher Hinsicht Gold wert. Erstens probiert er aus, wie Journalismus mit Blick auf das Zusammenspiel von Community und Journalisten funktionieren kann. Zweitens zeigt er, ob Journalismus wirklich durch die Crowd finanziert werden kann. Drittens geht er meinem absoluten Thema Nummer Eins auf den Grund: Datenmissbrauch.

Warum brauchen wir deiner Meinung nach einen socialmediawatchblog?

Die Berichterstattung rund um Social Media dreht sich viel zu häufig um PR-nahe Meldungen wie „Facebook führt den neuen Newsstream ein“…. Das ist kein Journalismus. Wir wollen mit unserem Social Media Watchblog kritischer hinschauen.

Sollten wir bei Facebook weiterhin wild diskutieren dürfen oder sollte deiner Meinung nach die Kommentarfunktion abgeschafft werden?

Warum sollte man die Kommentarfunktion abschaffen? Facebook ergibt doch nur dadurch Sinn, dass man sich dort austauschen kann.

Wer sammelt deiner Meinung nach alles unsere Daten? Und wofür?

Alle sammeln unsere Daten und das – aus wirtschaftlicher Perspektive gesprochen – aus gutem Grund. Egal ob Facebook oder Payback, alle wünschen sich einen berechenbaren Kunden – der größtmögliche Überblick über den Markt ist das Ziel. Mit der freiwilligen Offenlegung unserer Präferenzen und Wünsche, oftmals durch perfide Belohnungssysteme eingefordert – Mach die und die Angabe und Du bekommst dafür eine Trophy oder ein Messerset von uns – verwandeln wir uns stetig vom selbstbestimmten Kunden zum Big-Data-analysierten Konsumenten.

Wie konnte es zu PRISM kommen?

Dass Geheimdienste einen unbändigen Hunger auf Informationen haben, ist offensichtlich. Dass Geheimdienste allerdings bei Privatkonzernen Daten anzapfen und dadurch sowohl gezielt bei Einzelpersonen, als auch auf Meta-Ebene Daten-Muster erstellen, wollte sich bis dato keiner vorstellen. Durch Edward Snowden sind wir eines besseren belehrt worden.

Haben wir überhaupt eine Alternative zu sozialen Netzwerken und Co.? Immerhin geht es um unsere sozialen Kontakte. Werden sich einige freiwillig isoloieren?

Soziale Netzwerke können für Menschen wichtige Funktionen übernehmen. Solange ein Profil bei einem bestimmten Dienst nicht zur Rückversicherung der eigenen Existenz verkommt – und damit zur gesellschaftlichen Norm – ist gegen Social Media nichts einzuwenden, im Gegenteil. Allerdings bedarf es größerer Transparenz seitens der Unternehmen, was mit den Daten wirklich angestellt wird. Und es bedarf eines staatlich garantierten Rechtsrahmens, der dafür sorgt, dass Privatpersonen sich frei im Netz bewegen können. Allerdings muss sich auch jeder User immer wieder fragen, ob er sich auf die Spielregeln, die ihm der Social Media Dienst auferlegt, wirklich einlassen will. Wer seine freie Meinungsäußerung in die Hände von Algorithmen legt, darf sich nicht beklagen, wenn der Post am nächsten Morgen nicht mehr da ist.

Du hast dich vor Kurzem von Facebook abgemeldet. Kannst du uns Fischen nochmal schnell verraten, warum?

Ich habe mich bei Facebook und anderen Diensten aufgrund einer Vielzahl von Gründen abgemeldet. Mein Blogpost dazu. Kurz und knapp: Mir geht es um die Frage, ist mir der Social Media Dienst wirklich so viel wert, dass ich die Kosten – nämlich fragwürdigen Schutz meiner Daten und die Transformation meiner Person in einen gläsernen Konsumenten – in Kauf nehme. Diese Frage beantworte ich unter den gegebenen Umständen mit Nein.

Zudem würde ich mich von Facebook als Nutzer auch wirklich verraten fühlen oder hat irgendjemand einen Hinweis oder eine Mail von Facebook bekommen, dass die NSA indirekten Zugang zu den Nutzerdaten hat?

Welche Chancen siehst du für Kreative durch die Digitalisierung?

Die Digitalisierung ist für Kreative definitiv mehr Segen als Fluch. Nie war es einfach, selbst als Produzent zu agieren und ein unbegrenztes Publikum zu erreichen. Jeder kann mit kreativem Geschick und für ein paar Euro Millionen von Menschen erreichen. Theoretisch. Denn genau durch diese Möglichkeiten wird noch massiver um das kostbare Gut Aufmerksamkeit gerungen – denn die ist nach wie vor begrenzt. Dadurch setzen sich in meinen Augen häufig vor allem kurzatmige Hyperverntilierer durch, die irgendeiner Form von Skandalisierung erliegen. Langatmige Projekte mit Tiefgang finden durch die Geschwindigkeit unserer digitalisierten Welt eher weniger Beachtung.

Bist du – was den Stand der digitalen Möglichkeiten angeht – verwirrt oder glücklich?

Verwirrt bin ich eigentlich nicht.

Interview mit Andreas Hummelmeier

A_Hummelmeier_picWer bist du und was machst du?
Mein Name ist Andreas Hummelmeier. Ich leite die Redaktion von tagesschau.de, dem Nachrichtenportal der ARD im Internet. Außerdem bin ich verantwortlich für die tagesschau-Nachrichten im ARD-Text.

Dein aktueller Fang?
Wir bereiten uns gerade ganz intensiv auf die Bundestagswahl im Herbst und auf die Landtagswahlen in Bayern und Hessen vor. Aus diesem Grund planen wir ein neues Tool, das unser Nachrichtenangebot, die Wahlsendungen im Fernsehen und die Social-Media-Reaktionen darauf online in einer Darstellung zusammenführen soll. Starten werden wir damit im August, zu den ersten Wahlsendungen.

Wie hast du die Tagesschau-App-Debatte empfunden? Lass uns in deine Seele blicken: Welche Gefühle hat die Diskussion bei dir ausgelöst?
Ambivalent. Einerseits zeigt es, wie ernst unser Angebot von anderen Anbietern genommen wird. Auf der anderen Seite muss man sehen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk von allen Bürgern finanziert wird. Sein Auftrag ist es unter anderem, allen Bürgern Nachrichten zu liefern und ihnen so die Teilhabe an öffentlichen Geschehen zu ermöglich. Alle Menschen sollen Zugang zu Informationen haben, ohne dass sie extra dafür bezahlen müssen. Aus unserer Sicht gilt das auch für den Online-Verbreitungsweg und die App, die ja keine anderen Inhalte hat als die Webseite. Dem steht allerdings das Interesse der Verleger entgegen, die für ihre Angebote eine Finanzierungsmöglichkeit finden müssen. Dieser Konflikt wird jetzt am Beispiel der Tagesschau-App ausgetragen. Ich bin mir jedoch sicher, dass sich am Ende ein Kompromiss finden wird. Es macht ja keinen Sinn, dass sich Qualitätsmedien gegenseitig aus dem Weg klagen, es muss ein gutes Miteinander geben. Wenn neue Medien entstehen, ist es häufig so, dass es Unsicherheiten und Unklarheiten gibt und das muss nun geklärt werden.

Die ARD hinkt ein bisschen dem ZDF hinterher und wird des Öfteren angefeindet. Gerade die Tagesschau ist zur Zielscheibe geworden. Wie geht ihr mit Kritik, die analog und online gefischt wird, um?
Wir nehmen inhaltliche Kritik ernst und reagieren darauf. Aber man muss die Fakten betrachten. Die Tagesschau um 20:00 Uhr hat derzeit rund 9 Mio. Zuschauer, sie ist die erfolgreichste Nachrichtensendung Deutschlands. Gerade hat eine aktuelle Umfrage ergeben, dass für die meisten Menschen die Fernsehnachrichten nach wie vor die wichtigste Informationsquelle sind. Irgendwas scheinen wir also nicht ganz so falsch zu machen. Ich habe auch den Eindruck, dass es sich bei der Tagesschau um ein Format handelt, das Zuschauer in allen Schichten und Altersgruppen sehr zu schätzen wissen.

Wo siehst du bei der tagesschau.de Verbesserungspotential?
Erst Ende April haben wir unsere Seite relauncht. Wir haben die aktuellen Entwicklungen aufgegriffen, sind multimedialer geworden. Wir haben sehr viele Videos, sehr viel Audio und schauen auch sehr darauf, dass weiter an den Verbreitungswegen gearbeitet wird. Gerade die mobile Nutzung hat unsere Erwartungen deutlich übertroffen und wir richten uns auf weitere Nutzungsmöglichkeiten ein.

Ich könnte mir jedoch vorstellen, dass wir unsere Präsenz bei Twitter und Facebook noch verbessern könnten. Wir könnten noch häufiger twittern und die Entwicklung von aktuellen Ereignissen stärker begleiten. Wir möchten in Zukunft auch stärker auf User-Reaktionen eingehen. Man muss jedoch auch schauen, wo man seine Ressourcen einsetzt.

Welches Budget gibt es z.B. für Twitter und Co.? Wer entscheidet das?
Wir haben jetzt nicht mehr Budget, nur weil es Twitter gibt. Wir müssen also umschichten und Prioritäten setzen. Nachrichten sollten meiner Ansicht nach immer absolute Priorität haben, wir sind ja ein Nachrichtenportal. Alles andere kommt danach. Andererseits verändert sich das Nutzungsverhalten hin zum Austausch. Wir wollen den Leuten auch zeigen, dass wir sie wahrnehmen und uns auf sie einstellen. Gleichzeitig müssen wir auch darauf achten, dass das Ganze nicht verwässert wird zum belanglosen.Geschwätz. Das ist ein nicht immer einfacher Spagat. Bei Twitter sind meiner Ansicht nach sehr netzaffine Menschen unterwegs – und noch nicht der Durchschnitt der Bevölkerung. Auch die Nutzerzahlen sind noch übersichtlich. Mich hat aber zum Beispiel beeindruckt, welche Wirkung #Aufschrei mit sich gebracht hat. Das hat mir noch einmal verdeutlicht, wie wichtig dieses Medium inzwischen ist. Wir sehen, dass es Bewegung im Netz gibt und Twitter an Relevanz gewinnt.

Facebook oder Twitter – welches soziale Netzwerk ist dir am wichtigsten für die Kommunikation und warum?
Ich möchte mich ungern festlegen. Wenn wir dieses Gespräch vor drei Jahren geführt hätten, hätten wir wahrscheinlich über die Relevanz von StudiVZ geredet. Und nochmals ein paar Jahre zurück, über MySpace. Wichtig ist doch nur, dass wir die Entwicklung im Blick behalten und weitermachen. Daher: Wir wollen so flexibel sein, dass wir auf neue Trends und neue Plattformen reagieren können.

Wo liegen in diesen Zeiten deiner Meinung nach die Chancen des ÖR-Rundfunks durch die Digitalisierung?
Meiner Einschätzung nach ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine sehr akzeptierte Quelle für Nachrichten, aber auch für fiktionale Formate wie zum Beispiel den Tatort, für Unterhaltungssendungen, Sportberichte, Dokumentationen und Reportagen. Wir müssen diese Marken pflegen und dürfen das Vertrauen, das uns entgegengebracht wird, nicht enttäuschen. Da sehe ich eine Aufgabe und den Zweck des öffentlich-rechtlichen Nachrichtenangebots: Unter den vielen Meldungen und Meinungen, die alltäglich verbreitet werden, die relevanten Themen auszuwählen und zu gewichten und so anzubieten, so dass jeder Nutzer in jedem Moment erfahren kann, was wichtig ist und ob die Welt eigentlich noch steht.
Der ÖR-Rundfunk ist meiner Ansicht nach wichtig für das Funktionieren einer Demokratie. Ein von der Allgemeinheit finanziertes System sieht sich aber auch jeden Tag in der Pflicht, sich durch seine Arbeit zu legitimieren. Die ARD mit ihrer föderalen Struktur bekommt das sehr gut hin. Die Vielfalt an Meinungen ist eine Qualität an sich.

Wo liegen deiner Meinung nach konkret die Chancen für politische Nachrichtenformate wie die Tagesschau?
Wir werden uns auch in Zukunft mit den klassischen Nachrichtenkriterien wie Relevanz und Neuigkeitswert orientieren. Wir wollen ein Angebot für alle machen, nicht Zielgruppen fokussiert arbeiten. Wir möchten ganz bewusst ein Kontrastprogramm bieten zu all den anderen knallbunten, skandalisierenden Formaten, die sonst so unterwegs sind.

Bist du – was den Stand der digitalen Möglichkeiten angeht – verwirrt oder glücklich?
Manchmal kann Verwirrung auch glücklich machen. Ich finde es ein sehr spannendes Medium, weil sich jeden Tag etwas verändert. Ich persönlich fand den Begriff des Neulands ja gar nicht so schlecht. Es macht Spaß, bei so etwas mit dabei zu sein, bei etwas, das sich so schnell und unplanbar verändert.

(Bildrechte/Fotograf: Wulf Rohwedder)