Kategorie-Archiv: Netzgespräche

Interview mit Jürgen Ebenau

Swr_JEbenauWer bist Du und was machst Du?

Jürgen Ebenau, Onlinechef beim SWR.

Dein aktueller Fang?

Gerade abgeschlossen: Tatort+, unser zweiwöchiges Point-and-Klick-Adventure zum Stuttgart-Tatort „Spiel auf Zeit“. Als Team mit Spurensicherungs-Frau Miranda Leonhardt und den Kommissaren Richy Müller und Felix Klare konnten die User eine Entführung und einen Mord aufklären, die in engem Zusammenhang mit der Tatort-Geschichte im Fernsehen standen.

Vor welcher Angel hast Du mehr Angst: Vor der Neugier kommerzieller Anbieter oder vor der Neugier staatlicher Stellen?

Es kommt immer auf das Maß an. Die systematische Aushorchung durch NSA ist natürlich schwer erträglich. Und mit meinen Daten gehe ich im Netz auch immer behutsamer um. Aber: Auch wir können als Anbieter unseren Usern ein besseres, ihren Erwartungen entsprechendes Angebot machen, wenn wir ein bisschen etwas über Sie wissen, zum Beispiel, in welcher Region Sie wohnen. Allerdings können wir als Öffentlich-Rechtliche auch wirklich zusagen, dass wir die Daten für nichts anderes nutzen.

Wenn der Job als Medienminister noch zu fischen wäre: Wäre dies ein Job für Dich? Und: Würde ein Medienminister überhaupt Sinn machen?

Die Politiker, die ich kenne, führen kein beneidenswertes Leben, – beruflich viel Druck und viele Kompromisse, privat wenig Zeit. Also Minister, hmm, naja.

Ein Medienminister könnte sich aber intensiver um Fragen kümmern, die jetzt manchmal zwischen den Ressorts oder zwischen Bund und Ländern hängen. Themen wie Netzneutralität oder die Modernisierung (nicht die Abschaffung) des Urheberrechts in einer digitalen Gesellschaft.

Was er auf keinen Fall sollte: Intendanten ernennen.

Kannst Du Dir urheberrechtliche Vergütungsmodelle vorstellen, von denen sowohl Filmemacher als auch Mediennutzer gut leben können?

Auch die Vergütungsmodelle für die klassischen Medien waren und sind nicht immer gerecht oder perfekt. Aber die Verbindung von hoher Kreativität und niedrigem produktionellem Aufwand bei der Veränderung oder Weiterentwicklung von Werken im Web ist schon eine Riesenherausforderung. Es wird nicht einfach. CC-Lizenzen sichern zwar den Rechteinhaber auch ab und ermöglichen vieles, aber es muss auch eine Bezahloption geben. Und die muss einfach funktionieren. Die Entwicklung bei den Musikbörsen hat gezeigt, dass User für bestimmte Angebote auch im Internet zu zahlen bereit sind, wenn das Angebot inhaltlich gut ist und gebrauchtsauglich.

Schaust Du Dir persönlich lieber Filme im Fernsehen oder im Netz an?

Noch: Serien öfter im Netz, Filme im Fernsehen. Aber auf dem SmartTV ist das ja immer weniger zu trennen.

Warum brauchen wir crossmediale Formate? Muss eine Serie um jeden Preis social sein? Oder kann man nicht weiterhin entspannt fernsehen und nur zum Tatort twittern?

Crossmediale Formate brauchen wir, weil Zuschauer und User im Web ein mediengerechtes Angebot erwarten können, das aber gerne eng an die etablierte und gewohnte Marke aus der linearen Welt anschließen darf.

Social TV ist eine Riesenchance, weil wir einen offenen Austausch mit den Zuschauern haben, ihr konkretes Feedback zu unseren Produktionen kennenlernen und Anregungen bekommen. Man muss dann natürlich auch die Offenheit dafür mitbringen und Kritik ertragen können.

Eine Serie muss aber nicht um jeden Preis social sein. Es wird immer auch Zuschauer geben, die das nicht wollen und Formate, bei denen sich Social TV nicht anbietet, weil es thematisch nicht passt, weil die Schwelle zu hoch ist etc.. Das merkt man dann auch gleich an den Zugriffszahlen.  Dann wollen und dürfen wir uns alle auch gerne mal wieder auf der Couch räkeln und haben die Hände frei.

Warum hatten es crossmediale Projekte bislang so schwer sich durchzusetzen?

Ist das so? Wir dürfen die Zugriffszahlen nicht mit lang eingeführten linearen Marken oder und dem lean-back-Konsum vergleichen, der ja immer öfter auch Parallelnutzung ist.

Crossmediale Angebote ermöglichen und erfordern eben ein gewisses Maß an (Inter-)Aktivität, ein Engagement auch seitens des Users. Bei denjenigen, die wir dazu animieren können, erreichen wir aber hoffentlich auch eine stärkere Bindung durch ein zusätzliches Erlebnis im Kosmos seiner Marke.

In letzter Zeit scheint es vermehrt Social-TV-Serien zu geben. Siehst Du den SWR als Vorreiter?

Wir waren gewiss sehr früh dabei, wenn es darum ging, User und Zuschauer einzubinden und ihnen ein Forum zu bieten. Und wir experimentieren ja immer weiter,  mit 2nd Screen Applikationen wie bei „Rommel“ und „Die Kirche bleibt im Dorf“, Onlineermittlungen wie bei Tatort+ und Experiences bei „Zeit der Helden“. Das klappt im SWR gut, weil der Intendant es will und die Fernsehkollegen auch.

Bist Du – was den Stand der digitalen Möglichkeiten angeht – verwirrt oder glücklich?

Natürlich beides. Wenn ich überlege, welches Potenzial Google Glass steckt, wird mir schon schwindlig. Aber in jeder technischen Weiterentwicklung stecken ja auch inhaltliche Chancen. Und ich vertraue auch auf den gesunden Menschenverstand: Dinge, die uns nichts bringen, die keiner will, die verschwinden meistens auch wieder.

Interview mit Sebastian Esser

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Wer bist du und was machst du?

Mein Name ist Sebastian Esser, ich bin freier Journalist mit Schwerpunkt Medien und Politik. Vor einiger Zeit habe ich mit Wendelin Hübner Krautreporter gegründet: Die erste deutschsprachige Crowdfunding-Plattform für unabhängigen Journalismus.

Dein aktueller Fang?

Ein Fotografen-Kollege startet gerade ein tolles Projekt auf Krautreporter: „Home is where the army sends them“. Er könnte Unterstützung gebrauchen.

Wir medienfische haben 80 Follower und sind alles andere als prominent. Würde bei uns Crowdfunding Sinn machen?

Das kann man nicht so einfach beantworten. Es kommt darauf an, ob ihr eine gute Idee habt. Es ist ja ein Geschäft, letztendlich handelt es sich um eine Vorfinanzierung, also braucht man ein attraktives Angebot, ein journalistisches Produkt. Natürlich ist es von Vorteil, wenn ihr viele Follower habt, aber das alleine wird nicht reichen. Entscheidend ist die Idee.  

Was hältst du von der Idee einer Crowdfunding-Plattform nur für „Bücher“ oder „Filme“?

Beides funktioniert. Wir arbeiten gerade mit einem Verlag an einer Crowdfunding-Plattform für Bücher, das wird demnächst online gehen. Und auch im Bereich Film arbeiten wir dran – nicht alleine, aber mit Partnern. Näheres kann ich leider nicht dazu sagen.

Siehst du Crowdfunding als Zukunft oder nur als Ausflug  – mit guten Freunden und Bekannten – für den guten Journalismus?

Es ist ja schon Gegenwart, wir brauchen gar nicht in die Zukunft zu schauen. Es entstehen bereits spannende Projekte, viele Leute legen einfach los und sind dabei auch schon erfolgreich. Trotzdem gilt auch: Crowdfunding wird sicher nicht die vielen Milliarden erwirtschaften, die die Medienbranche heute umsetzt. Aber das Prinzip Crowdfunding – Vorfinanzierung journalistischer Produkte durch die Leser und Zuschauer selbst – das wird uns erhalten bleiben.

Wie finanziert sich die Plattform Krautreporter eigentlich?

Wenn ein Projekt funktioniert, bekommen wir 5 Prozent der Gesamtsumme. Wenn das Projekt nicht funktioniert, bekommen wir auch nichts.

Wir haben das Gefühl, manche wollen nur Crowdfunding machen –  nicht wegen des Projekts oder des Geldes – sondern, um auf sich als Journalist/Künstler aufmerksam zu machen. Wie siehst du das?

Ich glaube ihr habt Recht. Gerade für Journalisten ist Crowdfunding auch eine Form von Marktforschung und Marketing. Der Vorteil ist, dass man erst mal schauen kann, ob sich das Projekt überhaupt finanzieren lässt, ob das Interesse groß genug ist. Die Projektstarter machen nichts anderes, als eine Idee zu veröffentlichen. Ob man das unterstützen möchte, ist jedem selbst überlassen.

Können Journalisten im Netz zu Unternehmern werden? Und wenn ja, wie machen sie das am besten?

Jeder freie Journalist ist Unternehmer, jedes Gespräch mit einer Redaktion setzt Unternehmertum voraus. Crowdfunding ist nur eine Unterform – ein spezielles Geschäftsfeld für Journalisten-Unternehmer. Das hat übrigens auch nichts mit dem Internet zu tun. Das war schon immer so.

Welche Chancen siehst du durch die Digitalisierung für Film, Musik und Literatur?

Es gibt viele Chancen, da man den Vertrieb selbst organisieren kann. Man braucht keinen Verlag mehr. Ob man die Chancen immer nutzen kann, ist eine andere Frage.

Bist du – was den Stand der digitalen Möglichkeiten angeht – verwirrt oder glücklich?

Ich bin, ehrlich gesagt, glücklich. Natürlich bin ich auch ungeduldig, aber es passieren gerade Sachen, von denen man als Kreativer früher nur träumen konnte.