Interview mit Uli Köppen

Uli_Koeppen_by_Max_HofstetterWer bist du uns was machst du?

Mein Name ist Uli Köppen, Journalistin und auf der Suche nach neuen Erzählformen. Seit 2009 bin ich beim Bayerischen Rundfunk; zu Beginn in der Kultur-Redaktion, später habe ich in die Web-Innovation gewechselt. Daneben gebe ich Crossmedia-Kurse für Studenten. Am liebsten sind mir dabei Themen, an denen man eine Woche mit den Studenten zusammenarbeiten kann.

Wie beschreibst du Verwandten deine Tätigkeit beim Bayerischen Rundfunk? Was machst du dort eigentlich genau?

Ja, das ist in der Tat manchmal ein bisschen schwierig. Ich versuche, mit neuen technischen Optionen neue Möglichkeiten und Wege für den Journalismus zu ergründen. Das zieht sich durch alle Bereiche, in denen Menschen innovativ im Web unterwegs sind. Darüber hinaus versuchen wir, mit Pilotprojekten das Ganze auch sichtbar zu machen. Wir arbeiten im Bereich interaktive Erzählformen und Datenjournalismus. Dabei gehöre ich zu einem Team von vier Leuten, die in der Web-Entwicklung für den Bayerischen Rundfunk arbeiten. Das Web-Innovationsteam gibt es jetzt seit zwei Jahren, die Redaktion heißt „Telemedien“.

Weshalb ist das deiner Meinung nach wichtig?

Weil man ein Experimentierfeld braucht. Wir haben hier die Möglichkeit, auch mal scheitern zu dürfen. Wir können die unterschiedlichsten Sachen ausprobieren. Diesen Freiraum hat man nicht, wenn man tägliche Aufgaben abarbeiten muss.
Das bedeutet natürlich nicht, dass wir keinen Druck haben. Aber wir haben die Möglichkeit, Dinge ausprobieren zu dürfen, für die man bei einem täglichen Veröffentlichungszyklus normalerweise keine Zeit hat.

Wie schwer ist es beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk neue digitale Konzepte und Formate durchzusetzen?

Wenn man für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeitet, hat man natürlich Vor- und Nachteile: Der Vorteil ist, dass Gewinn keine Rolle spielt und man sich auch um soziale und abseitigere Themen kümmern kann, die in anderen Medien zu kurz kommen.. Der Nachteil ist: Der ÖR ist ein riesiger Tanker, der schwer zu bewegen ist. Wir stoßen dabei immer wieder auch auf Vorurteile und Ängste. Dennoch können wir ab und zu interessante Pilotprojekte realisieren. Sowohl intern, als auch extern.

Wärst du Entscheider bei den Öffentlich-Rechtlichen, welche strategischen Veränderungen würdest du als erste vornehmen?

Auf alle Fälle würde ich mehr Programmierer und Leute aus anderen Bereichen mit ins Boot holen. Wir sind in unserem Team jetzt zwei Journalisten, ein Grafiker und eine Datenanalystin, die beide auch programmieren. Mit diesem Team können wir aus unterschiedlichen Bereichen auf ein gemeinsames Thema schauen. Ich denke, so könnte der Journalismus von morgen aussehen.

Handelt es sich dabei überhaupt noch um Journalismus?

Das ist für mich auf jeden Fall Journalismus. Es kommt natürlich darauf an, was man daraus macht. Diese ganzen unterschiedlichen „Bereiche“ müssen letztendlich an einem gemeinsamen Strang ziehen. Man kann sich das vorstellen wie einen Werkzeugkasten, aus dem man sich bedienen kann. Dieser Kasten muss dann auch mit unterschiedlichen Werkzeugen bestückt sein.

Das Web ist doch der Ort, an dem man neue Möglichkeiten ausprobieren kann. Früher hatte man auch mehrere Erzählformen, aber im Web kommen nochmals ganz unterschiedliche Bereiche zusammen: Bild/Text/Audio/Datenjournalismus/Storytelling. Wenn wir zurückschauen: Bei einer Fernsehsendung konnten wir lediglich ein- und ausschalten.

Digitales Storytelling ist …

.. wenn die Form zur Geschichte passt. Es geht darum, für jede Geschichte die richtige Form zu finden. Im Netz hat man dafür mehr Möglichkeiten, als in den eindimensionalen Medien.

Du bist auf der Suche nach neuen Erzählformen im Internet. Wie werden wir uns in der Zukunft Geschichten erzählen?

Ich glaube, dass sich durch die technischen Möglichkeiten die Erzählformen weiter entwickeln werden. Unser Bedürfnis nach linearen Geschichten wird jedoch immer bleiben. Oder anders ausgedrückt: Ich glaube, der Baukasten, über den wir eben schon gesprochen haben, wird immer größer. Gute Geschichten werden jedoch nach wie vor Gewicht haben. Lineare Erzählformenwerden deshalb nie aussterben.

Das ist ein Bedürfnis, das tief in uns verankert ist

Bist du, was den Stand der Digitalisierung angeht, aktuell eher verwirrt oder glücklich?

Gerade im letzten Jahr sind so viele neue Experimente herausgekommen. Dabei ist es schwierig, bei den ganzen Entwicklungen noch den Überblick zu behalten.

Aber: Wenn der Werkzeugkasten größer wird, können wir natürlich auch mehr ausprobieren.


Fotograf: Max Hofstetter