Interview mit Dennis Horn

BILD_DENNISHORNWer bist du und was machst du?

Mein Name ist Dennis Horn und ich bin Journalist. Ich habe eine klassische Ausbildung als Lokaljournalist absolviert, aber schon immer an der Schnittstelle zwischen klassischen und neuen Medien gearbeitet, also zwischen Radio oder Fernsehen und dem Internet. Schwerpunktmäßig arbeite ich für die ARD. Ich stecke aber nicht klassisch in Redaktionsschichten, sondern erlebe jeden Tag etwas anderes. Man kann es also als Dasein eines freien Journalisten bezeichnen.

Dein aktueller Fang?

Es sind zwei Sachen, die mich im Moment umtreiben. Ein Fang im Großen: Bei dieser Überwachungsdiskussion kommt noch zu wenig raus. Viel zu viele sprechen über Snowden, viel zu wenige über Überwachung an sich. Ich finde das schade, weil es ja nicht nur uns im Netz, sondern viel mehr Leute betrifft. Und ein Fang im Kleinen habe ich gestern gemacht, nämlich iceber.gs, ein Mix aus Google Drive und Dropbox, für Kreative und für Journalisten spannend. Das habe ich gestern aus dem Netz gefischt und würde es mir gerne noch genauer angucken.

Würdest du dich nach dem Datenschutzskandal von Facebook abmelden, und wenn ja, warum?

Nein, weil ich mich schon immer daran gehalten habe, Facebook vor allem beruflich zu nutzen. Deshalb habe ich keine Angst davor, dass jemand allzu Privates von mir lesen könnte. Ich halte es für keine gute Lösung, uns abzumelden, weil wir damit unterliegen würden. Es kann doch nicht sein, dass wir solche Dienste nicht mehr nutzen können, sondern die Lösung muss sein, dass Überwachung in dieser Form nicht stattfinden darf! Eher würde ich versuchen, E-Mails und andere Teile meiner Kommunikation zu verschlüsseln. Facebook ist einer der wichtigsten Dienste geworden und darauf möchte ich ehrlich gesagt nicht mehr verzichten.

Haben die Menschen überhaupt eine Alternative zu sozialen Netzwerken? Immerhin geht es um ihre sozialen Kontakte. Werden sich gerade nach Prism und Co. einige freiwillig isolieren?

Wenn, dann sind es andere Gründe: Die jüngere Zielgruppe wandert ja bereits ab, weil ihre Eltern sich bei Facebook angemeldet haben. Bei den sozialen Netzwerken gibt es ja auch mittlerweile eine Art Sättigung. Ich kann mir daher auch nicht vorstellen, dass Facebook weiter wächst wie bisher, das wäre überraschend.

Die Möglichkeiten des Radios sind technisch ausgereizt, macht es dennoch Sinn über die Zukunft des Radios zu philosophieren?

Das Gefühl, dass die technischen Möglichkeiten ausgereizt sind, habe ich nicht. Ich war gerade bei den Tutzinger Radiotagen und war sehr überrascht, das Radiomacher dort fast nur über Technik sprechen. Da ist nichts ausgereizt, sondern vieles befindet sich gerade im Umbruch. Und darüber lohnt es sich wirklich zu diskutieren. Radio ist meiner Meinung nach eher inhaltlich ausgereizt. Da kommt gerade nicht mehr viel. Das entwickelt sich glaube ich erst weiter, wenn sich auch die Technik weiterentwickelt, die Schnittstelle Radio/Internet und die Beteiligung der Hörer. Grundsätzlich habe ich nicht den Eindruck, dass da etwas auserzählt ist.

Kann man die Situation des Radios mit der Print-Online-Diskussion vergleichen?

Viele private Radiosender gehören ja Verlagen, vor allem in NRW, wo ich arbeite. Die bekommen vielleicht etwas von deren Lage mit. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass Print auf einer ganz anderen Seite steht als Radio. Radioleute tun sich zum Beispiel mit dem Netz und mit sozialen Medien von Haus aus nicht so schwer. Sie haben ja von Anfang an gelernt, mit ihrem Publikum zu sprechen, auch mit direkter Kritik umzugehen, allein durch die vielen Call-ins. Ich beobachte, dass die Kollegen im Radio sich nicht so schwer tun wie die im Fernsehen – und die nicht so schwer wie die im Print. Wenn Radiomoderatoren zu Facebook gehen, kann nicht viel passieren. Die machen dort meistens dasselbe wie on air auch.

Welche Chancen siehst du für die klassischen Medien durch die Digitalisierung. Gibt es die überhaupt?

Ja, die gibt es definitiv – wenn sie es richtig machen. Die klassischen Medien sind ja schon da, als starke Marke. Wenn sie es schaffen, diese Marke ins Netz zu bringen, haben sie dort Chancen. Das gilt auch für Radiosender. Zum einen ist es online einfacher, an Hörer ranzukommen und zum Beispiel zu klären, was für Themen ihnen wichtig sind. Zum anderen geht es um die Frage: Wohin bewegt sich das Radio insgesamt? Vielleicht ist das Netz auch die einzige Chance, zu überleben!? Die Digitalisierung könnte dafür sorgen, dass Radiosender auch über die UKW-Zeit hinaus fortbestehen, als Marke, gegen die immer stärkere Konkurrenz. Denn je mehr alles zusammenwächst, desto mehr laufen die Medien aufeinander zu und das Internet steht am Ende als Gesamtmedium da. Ich bin auch der Ansicht, dass das Internet uns ganz neue Erzählformen gebracht hat. Es hat für mich Züge eines eigenständigen Mediums – ob es das nun ist oder nicht. Darüber streiten sich ja die Gelehrten. Bis das geklärt ist, gibt es wahrscheinlich schon wieder etwas anderes als das Internet.

Wie können Künstler/Journalisten im Netz zu Unternehmern werden? Passt das überhaupt zusammen?

Diese Diskussion ist alt und wurde ja auch schon vor dem Netz geführt. Ich denke, jeder Journalist muss sich auch verkaufen können, zum Beispiel bei einem Bewerbungsgespräch. Man sollte sich meiner Meinung nach fokussieren: entweder als Experte auf einem besonderen Gebiet oder in einer besonderen journalistischen Disziplin. Eines von beiden ist meiner Meinung nach wichtig, um dauerhaft bestehen zu können und erfolgreich zu werden. Stell dir vor: Da sitzt eine Redaktion und sucht jemanden, der einen Beitrag zum Thema Verteidigungspolitik macht. Die wählen sich natürlich genau die Journalisten aus, von denen sie wissen, dass sie Experten in Sachen Verteidigungspolitik sind. Ich kenne wenige Leute, die damit erfolgreich sind, einen Gemischtwarenladen aufzubauen. Natürlich kann das auch funktionieren. Mir hat es jedoch geholfen, mich zu fokussieren, eben an dieser Schnittstelle zwischen Fernsehen oder Radio und Internet. Irgendwann wurde ich von Redaktionen angerufen und wusste: Okay, jetzt stehe ich für etwas.

Andere Frage: Warum twitterst du dann jeden Sonntag über den Tatort? Privatvergnügen?

Ich twittere ja nicht nur für den Tatort, sondern auch für die Sportschau. Ich nutze Twitter gerne, finde die Mechanismen dort spannend: Wie sammelt man neuer Follower? Wie entwickeln sich Diskussionen? Warum entfaltet Twitter eine zum Teil so große Wucht? Das sind Momente, die Spaß machen. Irgendwann hat die ARD mich gefragt – und ich habe zugesagt, auch weil ich diese Dinge bei der ARD gern etwas vorantreibe, damit das ZDF uns nicht ganz wegläuft.

Bist du – was den Stand der digitalen Möglichkeiten angeht – verwirrt oder glücklich?

Immer beides: Weil man nie wirklich den Überblick behalten kann. Ich habe, obwohl ich mich damit beschäftige, nie die Zeit, mir alle Dinge so ausführlich anzuschauen, wie ich gerne würde. Ich bin aber glücklich, dass für den klassischen Journalismus keine Gefahr besteht. Vielleicht für die Geschäftsmodelle. Die Verlage stehen vor echten Herausforderungen. Das ist nicht einfach, und man kann ihnen auch nicht ständig Versagen vorwerfen. Aber für den Journalismus an sich ist die Digitalisierung eine gute Sache. Journalisten werden gebruacht … vielleicht heute mehr denn je.

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